14397 Schusswaffen im Heidekreis und die Sicherheitsfrage
Heidekreis. Waffenbehörden sind jetzt verpflichtet, vor der Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz zu stellen. Die Verschärfung des im internationalen Vergleich ohnehin als restriktiv geltenden deutschen Waffenrechts geht nicht zuletzt auf die Initiative Niedersachsens zurück.
Um zu erschweren, dass bei der großen Menge legaler Waffen im Jäger- und Schützenland Niedersachsen auch welche in falsche Hände geraten, drängte die Landesregierung auf eine härtere Gangart gegenüber Extremisten mit Hang zu Waffen. 2018 preschte sie mit einem Erlass zur „waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit sogenannter Reichsbürger“ vor und lieferte damit eine Art Blaupause für das das jetzt bundesweit geltende strengere Recht.
Bringt neue Rechtslage mehr Sicherheit?
Überlastete Verfassungsschutzämter, Verzögerungen bei der Erteilung von Waffenscheinen, Jäger und Sportschützen, die sich pauschal verdächtigt sehen: Das im Februar verschärfte Waffengesetz sorgt bislang vor allem für Ärger. Als Preis für mehr Sicherheit vor extremistischen Anschlägen mit legalen Waffen wie zuletzt in Hanau, wo ein rassistisch motivierter Sportschütze just im Monat des Inkrafttretens des neuen Waffenrechts neun Menschen und sich selbst erschoss, mag das hinnehmbar erscheinen. Aber ob die neue Rechtslage tatsächlich mehr Sicherheit bringt, ist umstritten.
Das liegt zum einen daran, dass die neue Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor der Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse in Niedersachsen ausgerechnet für jene Gruppe gleich wieder ausgesetzt wurde, die die meisten Waffen besitzt: Jägerinnen und Jäger. Aktuell sind beim Landkreis 14 397 Schusswaffen registriert, davon entfallen 9494 auf die Jägerschaft. Sportschützen als zweitstärkste Gruppe haben gerade einmal 2139 Waffen im Besitz. Auch ist die Zahl der Jagdwaffen im Heidekreis seit 2018 um 265 gestiegen, während die Zahl erlaubnispflichtiger Schusswaffen insgesamt in der gleichen Zeit um 418 auf aktuell 14 397 sank.
Jäger werden im Kampf gegen afrikanische Schweinepest gebraucht
Die große Zahl von Regelanfragen setzt die Verfassungsschutzämter unter Druck. Das führt im Heidekreis zu Verzögerungen bei der Ausstellung von Waffenscheinen, räumt die Kreisverwaltung ein. Damit nicht auch die Ausstellung und Verlängerung von Jagdscheinen ins Stocken gerät, was auch mit Blick auf den Kampf gegen die Schweinepest problematisch wäre, erlaubt ein Ministererlass aus Hannover bei Jägern eine Ausnahme: Von ihnen wird bis auf Weiteres lediglich eine windelweiche Selbstauskunft verlangt. Liegt sie vor, werden Jagdscheine ohne weitere Prüfung unter Widerrufsvorbehalt ausgestellt oder verlängert. Die Grünen im Landtag werfen Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast vor, sehenden Auges eine Sicherheitslücke zu akzeptieren. Im Heidekreis wurden seit dem Inkrafttreten des verschärften Waffenrechts 600 Jagdscheine ohne vorherige Überprüfung der Antragsteller durch den Verfassungsschutz ausgegeben oder verlängert. Kreisjägermeister Wolfgang von Wieding sieht darin aber keine Sicherheitslücke. Er bewertet die Waffenrechtsverschärfung insgesamt kritisch und warnt davor, Jäger unter Generalverdacht zu stellen.
Extremisten sollen entwaffnet werden
Laut Bundesamt für Verfassungsschutz besaßen 2017 750 bekannte Rechtsextremisten legal Waffen, laut Verfassungsschutzbericht 2018 waren 910 Personen aus verfassungsfeindlichen Subkulturen wie der Reichsbürgerszene legal bewaffnet. Das ist jetzt illegal, unabhängig davon, ob Personen konkret nachgewiesen werden kann, mit ihren Waffen unsachgemäß umzugehen. Extremisten sollen nun nach und nach entwaffnet werden.
Ein Auslöser für die Rechtsverschärfung war der Fall eines Jägers. Dieser hing als Anhänger der Reichsbürgerszene kruden Verschwörungstheorien an und hortete bei sich zu Hause im fränkischen Georgensmünd zunächst ganz legal 31 scharfe Waffen. Als die Behörden ihm schließlich doch die waffenrechtliche Zuverlässigkeit absprachen und Polizeibeamte anrückten, um ihn zu entwaffnen, eskalierte die Situation. Der Jäger schoss ohne Vorwarnung, tötete einen der Beamten und verletzte drei weitere teils schwer.
Im Oktober 2017 wurde der Mann zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Dass jetzt in Niedersachsen ausgerechnet Jagdscheine bis auf Weiteres wie bisher ohne vorherige Regelanfrage beim Verfassungsschutz vergeben werden, klingt vor diesem Hintergrund wie ein schlechter Scherz. Ohne die unbefristete Ausnahmeregelung wären allerdings allein im Heidekreis 600 Jagdwaffen weniger im Einsatz.
Dank des Erlasses aus Hannover konnten Jagdscheine ohne Verzögerung ausgegeben und verlängert werden, bestätigt Kreisjägermeister Wolfgang von Wieding. Der Jagdfunktionär betont, dass in Niedersachsen bereits im Rahmen der Jägerprüfung eine BZR-Anfrage erfolge, mithin keine Personen mit registrierten Vorstrafen den Jagdschein bekämen. Der zusätzliche Sicherheitsgewinn durch die Regelanfrage beim Verfassungsschutz sei allenfalls gering. In der Kreisjägerschaft würde die Regelanfrage zum Teil als kränkender Generalverdacht empfunden. Ein großes Thema sei das aber nicht. Transparenz in Sachen Waffen seien die Jäger gewohnt, schon bisher seien viele Bestimmungen einzuhalten gewesen.
Immer wieder habe es Verschärfungen gegeben, etwa die Sicherheitsanforderungen an Waffenschränke betreffend. Letztlich würden die meisten Anschläge mit illegalen Waffen begangen, gibt von Wieding zu bedenken. Und sollte ein Extremist tatsächlich nach Wegen suchen, legal an Waffen zu gelangen, gebe es einfachere Möglichkeiten als eine Jägerausbildung.