Meilenstein für die truppenärztliche Versorgung

Feierlicher Moment: Generalarzt Dr. Matthias Grüne durchschneidet symbolisch das rote Band und gibt den Weg ins Gebäude frei, Bürgermeister Ulf-Marcus Grube (links), Reserveleutnant Dr. Peter Tauber (Zweiter von links) und Landrat Jens Grote (rechts) leisten Schützenhilfe. Foto: ari

Die Peter-Bamm-Kaserne leert sich, dort sind nur noch die schweren Zahnarztstühle in Betrieb. Auch deren Tage sind gezählt. Wenn die zahnärztliche Versorgung als letzte Abteilung in den Neubau umgezogen ist, endet die rund 50-jährige Geschichte der Kaserne als Standort des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Munster. Am gestrigen Mittwoch kam der Namensgeber der Kaserne noch einmal groß raus. Festredner Oberstleutnant der Reserve Peter Tauber, parlamentarischer Staatssekretär des Verteidigungsministeriums außer Diensten, zitierte Passagen aus dessem 1952 erschienenen Nachkriegswerk „Die unsichtbare Flagge“. Bamm, der eigentlich Curt Emmerich hieß, verarbeitet darin persönliche Erlebnisse als Stabsarzt an der Ostfront.

Der Soldatenberuf ist stets mit Risiken für die eigene Gesundheit verbunden. Nicht nur im Kriegseinsatz, sondern auch bei Übungen und Nothilfeeinsätzen in Friedenszeiten. Eine optimale medizinische Betreuung gehört daher zu den Erfordernissen einer kriegstüchtigen Armee. Bamm beschreibt die ärztliche Arbeit unter erbärmlichen und gefährlichen Bedingungen. Tauber wünschte den zivilen und militärischen Mitarbeitern der Bundeswehrsanität, dass ihnen der Dienst unter solchen Umständen erspart bleiben möge. Und solange sie am Heeresstandort Munster tätig sind, dürfte sich dieser Wunsch auch erfüllen lassen. Die Rahmenbedingungen für die Patienten und das medizinische Personal haben sich mit der Inbetriebnahme des neuen Sanitätsunterstützungszentrums in der Örtzetalkaserne noch einmal deutlich verbessert im Vergleich zur Peter-Bamm-Kaserne. „Am alten Standort fehlte einfach Fläche“, sagt Infrastrukturoffizier Andreas Anft, der das Neubauprojekt von den ersten Planungen bis zur Fertigstellung betreute. Es hat länger gedauert als ursprünglich vorgesehen und insgesamt rund 23 Millionen Euro verschlungen, eine Stange Geld. Doch am Ende zähle das Ergebnis, und das überzeuge, freut sich Anft. „Einfach herrlich“, bricht es im Foyer des Neubaus aus ihm heraus.

Die truppenärztliche und -zahnärztliche Versorgung innerhalb der Bundeswehr wird bundesweit durch 13 Sanitätsunterstützungszentren organisiert, am Standort Munster befindet sich einer der größten davon, mit über 150 militärischen und zivilen Mitarbeitern, darunter rund 25 Ärzte. Der medizinische Versorgungsauftrag umfasst grundsätzlich alle Fachdisziplinen und gilt den rund 6500 Soldatinnen und Soldaten am Standort, weiteren Kräften an anderen Bundeswehrstandorten in Niedersachsen, den Besatzungen durchfahrender Militär-Konvois sowie den Nutzern der hiesigen Übungsplätze. Insgesamt rund 25.000 Personen haben somit potenziell Zugriff auf die in Munster angebotenen medizinischen Leistungen.

Der funktionale dreistöckige rote Backsteinbau bietet bei einer Gesamtfläche von knapp 7500 Quadratmetern rund 3500 Quadratmeter Nutzfläche und ist seit September in Betrieb. Im Oktober sind die meisten Ärzte eingezogen. Jetzt wurde die feierliche Einweihung nachgeholt, inklusive Segnung durch die Militärseelsorge. Stabsärztin Dr. Myriam Harf, Leiterin des Hauses, begrüßte dazu zahlreiche geladene Gäste, darunter Landrat Jens Grote, Munsters Bürgermeister Ulf-Marcus Grube und Generalarzt Dr. Matthias Grüne.

Fachärzte hinter dem Militärzaun

„Es ist schon eine Welt für sich“, sagt Presseoffizier Hauptmann Felix Tielmann beim Gang durch das großzügige neue Sanitätsunterstützungszentrum in der Örtzetal-Kaserne in Munster. Mitten in der strukturschwachen Stadt, die unter dem Wegbrechen der medizinischen Versorgung leidet, ist eine Art medizinisches Versorgungszentrum entstanden, besetzt mit jungen Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen, von der Orthopädie bis Dermatologie, von der Inneren Medizin bis zur Augenheilkunde. Zwar sind nicht alle auf Hinweisschildern genannten ärztlichen Disziplinen tatsächlich bereits im Haus angesiedelt – die Psychiatrie bleibt vorerst unbesetzt, die Radiologie ist technisch noch nicht ausgestattet. Für die unter Ärztemangel leidenden Munsteraner ohne Uniform dürfte das großzügige Backsteingebäude, das von seiner Gestaltung und Anmutung her fast wie ein Krankenhaus wirkt, gleichwohl ein Sehnsuchtsort sein, unerreichbar hinter einem hohen Militärzaun gelegen.

Munsters Bürgermeister Grube zollt der Bundeswehr in seiner Ansprache Respekt dafür, es geschafft zu haben, genügend Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen. Vielen Kommunen im ländlichen Raum falle das schließlich immer schwerer. Gerade erst hat der Rat Munster beschlossen, dass die Stadt auf ihrer Internetseite aktiv um die Ansiedlung von Fachärzten werben soll – eine Maßnahme ohne große Erfolgsaussicht, aber dennoch einen Versuch wert, so der Tenor unter den Mandatsträgern. Vielleicht werde das Sanitätsunterstützungszentrum künftig ja nicht komplett ausgelastet sein und die Bundeswehr könne den Kreis der Nutznießer vergrößern, zum Beispiel um Angehörige von Bundeswehrsoldaten, äußert Grube am Rande der Einweihung des Gebäudes eine ebenfalls vage Hoffnung. „Alles hilft“, sagt der Verwaltungschef.

Von den Vorteilen, die Bundeswehr in der Nähe zu haben, sprach auch Landrat Grote. Er hatte dabei die Überflutungsgebiete im Heidekreis im Blick. Man habe die Notlage 2023 am Ende ohne Katastrophenhilfe durch die Bundeswehr bewältigt, hob er hervor und betonte, dass die Kreisverwaltung wisse, dass bei der Bundeswehr angesichts der angespannten Weltlage derzeit andere Dinge als Nothilfe bei Naturkatastrophen im Fokus stünden. Doch im Falle des Falles könne man sich aufeinander verlassen, so Grote. Auch der Landkreis sei vorbereitet, im militärischen Verteidigungsfall seine Aufgaben zu übernehmen.

„Parkkrallen lösen für Kriegstüchtigkeit“

Generalarzt Dr. Matthias Grüne blieb es vorbehalten, das in diesen Zeiten bei feierlichen Bundeswehranlässen unvermeidbare Wort von der Kriegstüchtigkeit einzuwerfen – er tat es auf eine originelle, etwas verschlungene Weise, unter Verweis auf Johann Wolfgang Goethe. „Auch aus Steinen, die einen in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen“, soll der Dichterfürst einst gesagt haben. Das passte zum Bundeswehr-Neubau, der natürlich nicht gänzlich ohne bürokratische Hemmnisse und Verzögerungen fertiggestellt werden konnte.

Aber Grüne beließ es nicht bei diesem sich aufdrängenden Sprachbild, er grub eine alte verkehrspolitische Bundestagsdebatte „vom 27. Februar 1986“ aus, in der es um die Einführung der Parkkralle in Deutschland gegangen sei und der FDP-Abgeordnete Horst Beckmann das Goethe-Zitat ebenfalls bemüht habe. „Ich wünsche mir und uns“, schlug Grüne den Bogen, „dass wir es mit Pragmatismus und entschlossener Veränderungsbereitschaft gemeinsam hinbekommen, die Parkkrallen bei der Herbeiführung der Kriegstüchtigkeit zu entfernen.“ Das war vielleicht eine rhetorische Wendung zu viel. Aber nach Lilli Marleen, vorgetragen vom verkleinerten Heeresmusikkorps Hannover, waren die Reden des Nachmittags ohnehin vergessen, und die Gäste ließen sich neugierig durch das Innere des Gebäudes mit seinen medizinischen Abteilungen führen.