Therapieplätze: Rein rechnerisch ist der Heidekreis überversorgt
„Die Versorgung mit Psychotherapieplätzen ist in Großstädten und Ballungsgebieten viel besser als in ländlichen Regionen“, berichtet Detlef Haffke, Sprecher der KVN. Dies liege allein an der Anzahl der Psychotherapiepraxen. Foto: Vadim Guzhva/Adobe Stock
Die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen ist in den vergangenen Jahren bundesweit stark angestiegen. Zugleich lassen immer mehr Betroffene ihre Erkrankung gar nicht behandeln oder versuchen, diese selbst zu behandeln, so eines der Ergebnisse des Mental-Health-Reports von 2024. Während die Nachfrage nach psychotherapeutischer Unterstützung steigt, könnte die bislang weiter ungeklärte Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung die Lage in den nächsten Jahren verschärfen. Wie ist die Situation in der Region und besonders im Heidekreis?
In Niedersachsen warten Patientinnen und Patienten im Schnitt fünf bis sechs Monate auf einen Therapieplatz, berichten Detlef Haffke, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) und Gina Briehl, Sprecherin der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen. Die Wartezeit auf ein Erstgespräch sei kürzer. Hier liege der Durchschnitt bei vier bis fünf Wochen. „Selten finden Betroffene unmittelbar einen Therapieplatz, da es meist überall lange Wartelisten gibt“, so Briehl. Teilweise dauern die Wartezeiten bis zu zwei Jahre, wie der NDR berichtete.
„Die Wartezeiten sind regional unterschiedlich“, führt Haffke aus. „Die Versorgung mit Psychotherapieplätzen ist in Großstädten und Ballungsgebieten viel besser als in ländlichen Regionen“. Dies liege allein an der Anzahl der Psychotherapiepraxen, die in Städten höher ist als auf dem Land. Daten zu Wartezeiten im Heidekreis liegen der KVN nicht vor. Insgesamt kommen 28,5 niedergelassene Psychotherapeuten im Landkreis auf 143.220 Einwohner.
Mit einem Versorgungsgrad von 116 Prozent sei der Heidekreis rein rechnerisch überversorgt, so Haffke. Laut der gesetzlich vorgegebenen Bedarfsplanung soll ein Psychotherapeut/Psychologe 5828 Bürger versorgen. Über eine Quote können sich noch zusätzlich 1,5 ärztliche Psychotherapeuten niederlassen. „Der Bedarf hat mit den Bedürfnissen in der Bevölkerung wenig zu tun“, findet Haffke. „Die Bedarfsplanung wurde nie anhand der Häufigkeit von behandlungsbedürftigen Menschen mit psychischen Erkrankungen ermittelt“, erklärt Briehl. Sie müsse dahingehend reformiert werden, um auch regional beurteilen zu können, ob mehr oder weniger psychotherapeutische Praxen notwendig seien.
„Die ambulant tätigen Psychotherapeuten sind ungleich verteilt“, so Haffke. Es gebe durchaus Versorgungslücken in ländlichen Regionen. Diese Lücken müssten auch in der Fläche geschlossen werden, sonst laufe das Land Gefahr, aufgrund der demografischen Entwicklung der Ärzte und Psychotherapeuten im Durchschnittsalter von rund 53 Jahren in eine Mangelversorgung bei der Psychotherapie zu geraten. „Die Entwicklung der Nachwuchskräfte könnte besser sein, wenn die Finanzierung der Weiterbildung, wie in anderen ärztlichen Bereichen, gesetzlich geregelt worden wäre.“