„Ich bin Realist“

Karsten Brockmann hat am Sonntag vor fast zwei Wochen bei der Bürgermeisterwahl 22 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können. Damit sicherte er sich knapp Platz 2 von sieben Kandidaten und steht am Sonntag in der Stichwahl um den Chefsessel im Rathaus. Daher wollte die Böhme-Zeitung noch einmal genauer von ihm wissen, welche Vorstellungen er für Soltau, für die Amtsführung und von seinem Mitbewerber hat.

Welche Qualität schätzen Sie an Ihrem Kontrahenten Birhat Kaçar? Trauen Sie ihm das Bürgermeisteramt zu?

Karsten Brockmann: Ich will die Soltauer Wähler von meinen Qualitäten überzeugen und damit um ihr Vertrauen und ihre Stimme werben. Die Soltauer können gewiss sein, dass ich ihnen ein guter Bürgermeister sein werde. Es ist aber nicht mein Stil, sich dazu über die Persönlichkeit des Mitbewerbers zu äußern. Egal wie die Wahl ausgehen wird, Birhat Kaçar und ich werden sich im Rat weiter für Soltaus Zukunft engagieren.

Sie halten sich mit Visionen für Soltau zurück, wollen erst abwarten und Gespräche führen. Haben Sie so gar keine eigene Vorstellung, wohin Sie die Stadt führen wollen?

Ich bin Realist. Die Kommunen im Land stehen vor einer immensen Herausforderung. Einerseits sind sie verpflichtet, Vorgaben des Landes umzusetzen, andererseits sind die finanziellen Spielräume geringer denn je. Vor dem Hintergrund der aktuellen und zukünftigen Haushaltslage werden kostenintensive neue Projekte schwer zu verwirklichen sein. Kurzfristig müssen wir uns daher auf die aktuell anstehenden Projekte konzentrieren und diese finanzierbar umsetzen. Daneben können wir bereits bestehende Strukturen ertüchtigen, bürgernäher gestalten und damit nutzbarer machen. Gerade in Hinblick auf die brandaktuellen Entwicklungen in Bezug auf das Heidekreis-Klinikum wird die zukünftige Sicherstellung der medizinischen Versorgung eine weitere Herausforderung sein. Wir müssen neue Konzepte finden und die Niederlassung von Ärzten und die Bildung von medizinischen Versorgungszentren in der Stadt fördern. Dazu habe ich Ideen, zum Beispiel eine zeitlich begrenzte Mietfreiheit bei Existenzgründung. Ich werde mich dafür einsetzen, dass auch weiterhin Baugebiete für den Wohnungs- und Einfamilienhausbau entwickelt und Gewerbegebiete ausgebaut werden. Ausreichend Wohnraum sollte in Soltau erschwinglich und verfügbar werden. Dabei möchte ich den Bau mit nachwachsenden Baustoffen und guter Energiebilanz fördern. Bei der Ansiedelung von Gewerben möchte ich darauf achten, dass möglichst viele interessante Arbeitsplätze entstehen und dabei möglichst wenig Flächen versiegelt werden. Für den Wirtschaftsstandort ist eine gute Verkehrsanbindung unabhängig vom Individualverkehr wichtig. Uns fehlt eine Bahnanbindung nach Lüneburg, gegebenenfalls auch mit einem Haltepunkt am Heidepark, für die ich mich einsetzen werde. Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, wieder ein Kino in Soltau anzusiedeln. Auch dafür habe ich bereits ein Konzept im Kopf und werde mich um die Umsetzung kümmern.

Sie möchten für die Bürger da sein, betonen Ihre Bürgernähe. Wie wollen Sie die Bürger stärker am politischen Prozess teilhaben lassen?

Ich bin in Soltau ausgezeichnet vernetzt und kenne sehr viele Menschen. Dadurch ist die Hemmschwelle, mich persönlich anzusprechen, eher niedrig. Eine regelmäßige Bürgersprechstunde ist für mich unabdingbar. Daneben will ich die Mitbürger in die Planungen der Stadt einbeziehen durch frühzeitige Vorstellung der Projekte und Beteiligungsmöglichkeiten bei deren Umsetzung.

Sie betonen gerne Ihre wirtschaftliche Erfahrung und eben Ihre Vernetzung. Priorisieren Sie die Wirtschaft auf Kosten der sozialen Themen?

Ganz und gar nicht. Wirtschaft und Soziales sind aber nun einmal miteinander verzahnt. Nur durch wirtschaftliche Attraktivität werden wir uns die notwendigen sozialen Ausgaben auch leisten können. In einer Welt der Globalisierung, Digitalisierung und des internationalen Wandels ist sozialer Kontakt und Zusammenhalt immens wichtig. Daher möchte ich das Ehrenamt stärken und Eigeninitiativen der Bürger unterstützen.

Sie sind ein erfahrener Ratspolitiker der Bürgerunion. Als Bürgermeister bräuchten Sie allerdings breite Unterstützung. Wie wollen Sie mit anderen Parteien zusammenarbeiten?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es in der Politik auf kommunaler Ebene weniger um das Parteibuch und viel mehr um die Sachorientierung geht. Das war bisher bei allen Bürgermeistern der Fall, und so werde ich es auch weiter fortsetzen. Demokratische Prozesse sind immer Kommunikation, und ich kann gut mit Menschen ins Gespräch kommen und in den sachlichen Diskurs eintreten. Dieses werde ich parteiübergreifend tun. Außerdem kann ich gut deeskalieren. Diese Fähigkeiten werden mir helfen, im Stadtrat Mehrheiten zu gewinnen, um Projekte voranzubringen.

Haben Sie die Möglichkeit genutzt, sich mit Olaf Klang über den Tagesablauf und die praktischen Anforderungen des Amts zu sprechen? Falls ja, was hat er Ihnen mitgeben können. Falls nicht, warum nicht?

Ich treffe Herrn Klang gelegentlich, habe aber keine intensiven Gespräche zum Tagesablauf geführt. Das wäre auch zu früh gewesen, denn vorher waren andere Schritte zu gehen und Hürden zu nehmen. Natürlich werde ich etwas Zeit brauchen, um mich in das Amt einzufinden. Aber ich freue mich sehr auf diese neue Aufgabe und die Begegnungen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Anders als Ihr Mitbewerber haben Sie keine Unterstützung aus der Bundes- und Landespolitik erhalten. Sind Sie überhaupt gut genug vernetzt für das Amt, um Soltau voranzubringen?

Es war für mich ein großer Anreiz, unabhängig von den großen Parteien zu kandidieren und hoffentlich gewählt zu werden. Ich bin in Soltau ausgezeichnet vernetzt und werde mich ohne parteipolitische Zwänge für unsere Stadt einsetzen können. Die die Regierung tragenden Parteien werden mit einem unabhängigen Bürgermeister anders in Kommunikation treten müssen, da sie auf Parteiebene keine Weisungsmöglichkeiten an mich haben. Das ist ein großer Vorteil.

Sie waren anfangs einer von sieben Männern, die sich für das Amt beworben haben. Welche Veränderungen sind Ihrer Meinung nach in Soltau nötig, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass bei der nächsten Wahl sich eine Frau für das Amt der Bürgermeisterin bewirbt?

Die Bürgermeisterwahl ist ein geschlechterunabhängiger Prozess. Wir hatten mit Frau Erden bereits lange Jahre eine Frau im Amt. Auch in Schneverdingen ist Frau Moog- Steffens schon seit Jahren präsent und erfolgreich. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist in unserer Gesellschaft verankert, und ich sehe es als meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es auch so bleibt.

Wie wollen Sie die mehr als 70 Prozent der Wählerinnen und Wähler überzeugen, die Sie am 23. Februar nicht gewählt haben?

Diejenigen Soltauer, die sich am 23. Februar für einen der Kandidaten entschieden haben, die nicht in die Stichwahl gekommen sind, können nun erneut ihr Votum abgeben. Viele Menschen kennen mich, meine Tatkraft, meine Fähigkeit, Projekte umzusetzen, Menschen zusammen zu bringen, ins Gespräch zu kommen, abzuwägen. Darauf vertraue ich und die Soltauer dürfen mir vertrauen.