Heidekreis mit doppelter Kraft im neuen Bundestag
Wie alles begann: Im September 2024 setzte sich Vivian Tauschwitz bei einer CDU-Mitgliederversammlung in Krelingen klar gegen ihren Mitbewerber Christoph Bohnsack durch und wurde in der Folge von ihrer Partei für den Bundestag nominiert. Foto: vo
Den Wahlkreis Flensburg-Schleswig an der dänischen Grenze hat es erwischt, ebenso Trier und Lörrach an den Grenzen von Luxemburg und der Schweiz. Insgesamt 23 Erststimmensieger aus Wahlkreisen in der ganzen Republik werden die konstituierende Sitzung des 21. Deutschen Bundestages heute nur im TV verfolgen können. Sie sind der neuen Obergrenze für Abgeordnete zum Opfer gefallen, die die weitere Aufblähung des Parlaments verhindern soll. Mit 736 Volksvertretern galt der Bundestag zuletzt als das größte frei gewählte Parlament der Welt. Damit ist nun Schluss.
Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass der Heidekreis gleich zwei Abgeordnete nach Berlin schickt: Wahlkreissieger Lars Klingbeil (SPD) aus Munster und Vivian Tauschwitz aus Bispingen, die über die CDU-Landesliste einzieht. Das letzte Mal, dass der Wahlkreis 35 Rotenburg I-Heidekreis doppelt in Berlin vertreten war, liegt fast zehn Jahre zurück. Damals kam aber nur einer der beiden aus dem Heidekreis. CDU-Mann Reinhard Grindel, bis zu seinem Ausscheiden 2016 direkt gewählter Wahlkreisabgeordneter, ist Rotenburger. Klingbeil zog in dieser Zeit über die Landesliste ein. Das Szenario wiederholt sich nun mit umgekehrten Vorzeichen.
Neuling Tauschwitz muss sich als Verliererin im Kampf ums Direktmandat gegen einen SPD-Mann profilieren, der ein bundespolitisches Schwergewicht ist. Sie werde ihre „Punkte setzen“, kündigt sie im Gespräch selbstbewusst an. „Wenn man eine Aufgabe übernimmt, gibt es immer Herausforderungen.“
Der Frauenanteil im Bundestag ist weiter gesunken, von 35,6 auf 32,4 Prozent. 204 Frauen sitzen 426 Männern gegenüber. In der CDU-Fraktion liegt der Frauenanteil bei 22,6 Prozent. Tauschwitz ist 30 Jahre alt und repräsentiert als junge Frau eine in ihrer Partei unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppe. Im Trend liegt sie dagegen mit ihrem beruflichen Werdegang. Laut Auswertung der Stiftung Familienunternehmen und Politik ist die Zahl der Abgeordneten mit unternehmerischem Hintergrund abgefallen, nur noch 37 wüssten aus eigener Erfahrung, wie man ein Unternehmen führt. Soldatin Tauschwitz passt insoweit gut ins Bild. Ihr einziger Gegenkandidat in der Partei war ebenfalls Soldat, und bei der vergangenen Bundestagswahl schickte die CDU im Wahlkreis einen Polizeibeamten ins Rennen.
Die Eingewöhnung in ihr neues Dasein als Berufspolitikerin fällt Tauschwitz aufgrund ihrer staatsnahen vorherigen Tätigkeit wohl leichter, als es bei jemanden aus der freien Wirtschaft der Fall gewesen wäre. In den ersten Wochen nach der Bundestagswahl habe sie im Berliner Politikbetrieb manches an die Bundeswehr erinnert, erzählt sie im BZ-Interview.
Parlament mit Deckel
Wenn sich heute der 21. Deutsche Bundestag konstituiert, haben die Abgeordneten im Plenarsaal mehr Platz als ihre Vorgänger. Hintergrund ist das von der alten Ampelregierung verabschiedete neue Wahlrecht, das die Zahl der gewählten Volksvertreter deckelt. Die eigentliche Sollgröße des Parlaments, 630 Abgeordnete, wurde wegen notwendiger Ausgleichsmandate in der Vergangenheit stets und mit steigender Tendenz übertroffen. Nun ist sie gesetzlich garantiert. Als Folge der umstrittenen Reform können insgesamt 23 Wahlkreisgewinner ihr eigentlich errungenes Mandat nicht ausüben. Wahlkreise in Niedersachsen sind nicht betroffen, wohl aber ein Wahlkreis im Land Bremen. ari