Strom statt Kartoffeln
Ausgedehnte Solarparks an Autobahnen sind in manchen Regionen Deutschlands schon heute ein gewohntes Bild. Foto: Adobe Stock
Bei einer Gegenstimme aus den Reihen der CDU (Stefan Martin) empfiehlt der Bauausschuss der Gemeinde Bispingen unter dem Vorsitz von Ingo Lunau (CDU), das Beteiligungsverfahren zur Flächennutzungsplanänderung „Sondergebiet Freiflächen-Photovoltaikanlagen“ einzuleiten. Überraschend kam das schon deshalb nicht, weil der Spielraum der Gemeinde angesichts der Vorgaben des Landkreises und der Gesetzgebung klein ist.
Allenfalls für einen anderen Standort innerhalb des Gemeindegebiets und gegebenenfalls eine kleinere Fläche hätte die Kommune sich entscheiden können. Doch die Errichtung des Solarparks auf ökonomisch wie ökologisch minderwertigen Ackerflächen entlang der Autobahn entspricht den von der Gemeinde aufgestellten Standortkriterien und erscheint vergleichsweise konfliktarm durchsetzbar. Im Fachausschuss stellte Dirk Ausmeister vom Soltauer Projektentwickler H&P Ingenieure die Vorteile des Standorts dar.
Ein wesentlicher Aspekt ist die erhebliche Vorbelastung des Areals durch die sechsspurige Autobahn, die den Naturraum zerschneidet und Emissionen ausstößt. Die Bündelung belastender Infrastruktur spielte bereits bei den vorerst gescheiterten Plänen einer neuen ICE-Trasse eine Rolle. Ausmeister betonte die Abstände zur Wohnbebauung (mindestens 200 Meter) und zu naturschutzrechtlich geschützten Flächen, verwies auf freizulassende Wild-Korridore zwischen den Modultischen sowie darauf, dass das Projekt keine klimaschädliche Flächenversiegelung mit sich bringe. „Nirgends kommt Beton zum Einsatz“, versicherte der Fachmann. Trafostationen und Zwischenspeicher werden auf Schotter errichtet, nicht auf versiegeltem Fundament. Auf eine Umzäunung könne zugunsten einer Randbegrünung weitgehend verzichtet werden, was sich sowohl optisch als auch für Wildtiere vorteilhaft auswirke. Ein Vertreter des Investors Faber Solartechnik ergänzte, dass vorgesehen sei, „so viel produzierten Strom wie möglich“ lokal ansässigen Unternehmen anzubieten.
In der Diskussion zwischen den Mandatsträgern und auch den Wortbeiträgen von Einwohnern wurde deutlich, dass vor allem ein Aspekt unterschiedlich bewertet wird: Wie wesentlich ist der Eindruck, der beim Blick auf den Solarpark von der Autobahn aus entsteht? Unstrittig ist, dass die Photovoltaikanlagen aus dieser Perspektive optisch dominant sein werden. Schon weil die Autobahn abschnittsweise höher als der Planungsraum liege und die Flächenausdehnung bei geringem Abstand zur Fahrbahn so groß sei, heißt es in der Auswertung des Projektentwicklers. Für Kraftfahrer ergebe sich daraus „eine vergleichsweise hohe visuelle Wirksamkeit, die auch durch Randbepflanzung kaum gemindert werden kann“. Hat das eine Bedeutung?
Pufferflächen für Heide-Urlauber
Aus Sicht der Gemeinde ist zumindest klar, „dass sich aus der Nutzung einer Bundesautobahn heraus an sich kaum Ansprüche auf unberührte angrenzende Landschaftsflächen und damit ein entsprechendes ‚Fahrerlebnis‘“ ableiten lassen. „Wohl aber gilt es zu berücksichtigen, dass Bispingen als touristische Hochburg in der Lüneburger Heide grundsätzlich auf ‚Landschaftserlebnisse‘ angewiesen ist.“ Konkret bedeutet das, dass an der Anschlussstelle Bispingen abfahrende Urlauber auf ihrem Weg entlang der Landstraße 211 in Richtung des Naturschutzgebiets von „visuellen Auswirkungen“ des Solarparks möglichst verschont bleiben sollten. Dem versucht die Raumplanung durch Abstands- und Pufferflächen sowie Maßnahmen zur Eingrünung Rechnung zu tragen. Entsprechende Rücksichtnahmen sind auch gegenüber der Ortslage Behringen vorgesehen.
Bispingens Ortsvorsteher Stephan Müller reicht das nicht, wie er im Rathaus unter Verweis auf die große Ausdehnung des Solarparks einmal mehr deutlich machte. Dagegen warnte Ausschussmitglied Stefanie Büttner (Grüne) vor einer Überdramatisierung. Der Anblick des Solarparks werde nicht so störend sein, wie manche sich das heute ausmalen. „Das wird man bei der Visualisierung erkennen.“ Diese ist für ein späteres Planungsstadium vorgesehen und soll dann einen sinnlicheren Eindruck vom entstehenden Solarpark ermöglichen.
Ratsherr Martin begründete seine ablehnende Haltung mit grundsätzlichen Bedenken. Der CDU-Mann räumte ein, dass die Gemeinde Bispingen wenig Spielraum habe, insistierte aber, dass „Solaranlagen nicht auf Freiflächen und Windräder nicht in den Wald“ gehörten. Der Verlust von Flächen, die bislang der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, sei inakzeptabel. Dafür gab es Applaus von einigen Zuhörern, aber auch eine prompte Replik von Christian Hanstein (Bürgerliste). Dieser setzte den Energiemais-Anbau im Gemeindegebiet in Bezug zu den geplanten Solarflächen. „Wir haben in Bispingen das Zehnfache an Maisflächen aus der Lebensmittelproduktion herausgenommen“, erinnerte er seinen Ausschusskollegen.