Als das Virus den Heidekreis erreichte

Vor genau fünf Jahren, am 13. März 2020, zog die Angst im Heidekreis ein. Corona, vor Kurzem für die meisten Menschen noch kaum mehr als der Name einer mexikanischen Bierspezialität, war angekommen. Ein neues Virus aus China, das im schlimmsten Fall tödlich verlaufende Atemwegserkrankungen auslöst. So lauteten die ersten, noch vagen Informationen in den Nachrichten. Schüler der KGS Schwarmstedt hatten Symptome gezeigt, die Schule wurde daraufhin geschlossen. Ein drastischer Schritt, so schien es. Im Rückblick war es nur der laue Auftakt zu weit gravierenderen Einschnitten bis hin zu den harten Lockdowns in den Wintermonaten, in denen das ganze Land, ja die Welt zum Stillstand kam.

Der damalige Landrat Manfred Ostermann rief die Heidjer angesichts der Schließung von Schulen und Kitas zur Besonnenheit auf. Doch Ruhe zu bewahren fiel schwer, nicht nur wegen der weltweiten Panik vor einer Pandemie mit unabsehbaren Folgen. Auch im Kreisgebiet ging es ab dem 13. März 2020 Schlag auf Schlag. Schon einen Tag später berichtete die Böhme-Zeitung, dass das Virus das nördliche Kreisgebiet erreicht hatte. In Schneverdingen gab es einen ersten bestätigten Corona-Fall. Ein Heimkehrer aus dem Österreich-Urlaub hatte das Virus offenbar als ungewolltes Souvenir eingeschleppt. Das war kein Einzelfall: Das Tiroler Wintersportgebiet Ischgl hatte sich zum Corona-Hotspot entwickelt, die dortigen politischen Verantwortlichen gerieten angesichts laxer Partyregeln massiv unter Druck. Denn ausgelassenes Feiern war auf einmal gesundheitsgefährdend, körperliche Nähe ein Risiko. Im Heidekreis-Klinikum (HKK) gab es jetzt ein Besuchsverbot, das gesamte gesellschaftliche Leben wurde „gedimmt“, wie es in der BZ hieß. Deutschland schloss seine Grenzen, zugleich wurde das ganze Land und auch der Heidekreis von einer Welle der Solidarität und des gesellschaftlichen Zusammenhalts erfasst. „Immer mehr Menschen wollen Nachbarschaftshilfe leisten“, titelte die BZ am 19. März 2020.

Bekanntlich blieb es nicht dabei, die Pandemiepolitik sorgte am Ende für große gesellschaftliche Verwerfungen, deren Auswirkungen teils bis heute fortwirken. Auch seien die Langzeitfolgen von Schulschließungen und sozialer Isolierung für die Entwicklung junger Menschen unterschätzt oder ignoriert worden, kritisieren manche Erziehungswissenschaftler. Blickt man auf die ersten Wochen der Pandemie, lässt sich rückblickend bereits der Keim mancher später aufgebrochener Konflikte erkennen. So wurde schnell der Vorwurf unsolidarischen Verhaltens erhoben, etwa gegenüber Angehörigen von Altenheimbewohnern, die sich außerhalb der für Besucher geschlossenen Einrichtungen mit ihren pflegebedürftigen Liebsten trafen, oder gegen Jugendliche, die untereinander verbotene, aber gerade in dieser Lebensphase besonders wichtige soziale Kontakte pflegten – was in der Presse schnell zur „Corona-Party“ wurde. Als „leichtsinnig“ und „unvernünftig“ beschrieb die BZ solche auch in Soltau zu beobachtenden Verhaltensweisen.

„Was war gelungen, was nicht?“

Viele Experten bewerten einzelne gesetzlich vorgeschriebene Schutzmaßnahmen, vor allem die langen Schulschließungen und die harten Isolierungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, im Rückblick als überzogen. Eine wirkliche Aufarbeitung der Coronazeit und ihrer Folgen fand indes nie statt, auch weil nach dem Ende der Pandemie der Krieg in der Ukraine sofort ein nächstes globales Krisenszenario heraufbeschwor und alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Eine neue Bundesregierung müsse die Aufarbeitung nachholen, fordert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eindringlich. Für morgen lädt das Staatsoberhaupt dazu ins Schloss Bellevue ein, um mit Vertretern aus der Intensiv- und Altenpflege, aus Medizin, Schule und Kita, Wirtschaft, Kultur und Vereinswesen, digitaler Vernetzung und Kommunalverwaltung eine breite Diskussion anzustoßen. „Die Veranstaltung soll fünf Jahre nach Beginn der Pandemie Fragen nachgehen, die viele Menschen immer noch umtreiben“, heißt es aus dem Bundespräsidialamt. „Was war gelungen, was nicht? Was wirkt nach? Was haben wir gelernt?“

Die Böhme-Zeitung wird im Rahmen einer kleinen Serie in loser Folge nach verbliebenen Spuren der Pandemie im Heidekreis suchen und mit Menschen sprechen, die mit der Bewältigung der Pandemie zu tun gehabt hatten beziehungsweise immer noch mit deren Folgen zu tun haben.

Andre RicciKommentieren