Jetzt geht’s los: Erster Cannabis-Club im Heidekreis

Kein Fall mehr für den Staatsanwalt: Cannabis-Plantagen dürfen jetzt legal betrieben werden.

Anfang des Monats fiel der Startschuss. Das im April in Kraft getretene Cannabis-Gesetz gestattet seit dem 1. Juli die Gründung sogenannter Anbauvereine. Es ist der erste Schritt in Richtung einer „kontrollierten Abgabe von Genusscannabis an Erwachsene“, wie es im Behördendeutsch heißt. Die Bundesregierung löst damit eines ihrer umstrittensten Wahlversprechen ein. Kiffen tritt endgültig raus aus der Tabuzone. Eigenanbau von Cannabis ist als legale Alternative zum Schwarzmarkt ausdrücklich erwünscht und wird in deutscher Manier, mit viel Liebe zum Detail, geregelt. Schon wird über ein neues „Bürokratiemonster“ geklagt. Das hält viele aber nicht davon ab, die neuen Möglichkeiten für sich zu nutzen – vorne mit dabei: der Heidekreis. In Soltau gründete sich am 29. März ein Cannabis-Social-Club (CSC). Aus ihm heraus soll sich nun eine aktive Anbauvereinigung entwickeln. „Unseren Mitgliedern möchten wir den freien Zugang zu kontrolliert angebautem und qualitativ hochwertigem Cannabis ermöglichen“, heißt es auf der Clubhomepage. Bio-Zertifikate für Cannabisplantagen gibt es noch nicht, aber der CSC Heidekreis betont schon mal, großen Wert auf nachhaltige Anbaumethoden zu legen.

Der beim Amtsgericht Lüneburg eingetragene Verein zählt acht Gründungsmitglieder und ist inzwischen auf rund 40 Mitglieder im Alter zwischen 23 und 62 angewachsen. „Wir wollen autark sein“, erklärt Patrick Dietze. Daher benötige man weitere Mitglieder, um dem Club eine solide finanzielle Basis zu verschaffen. Die Startkosten seien erheblich, es gehe um ein mit Sicherheitstechnik und Aufzuchtlampen ausgestattetes Gewächshaus, ein Vereinsheim und weitere Investitionen. Dietze führt den Verein zusammen mit einem zweiten Vorsitzenden, der seinen Namen aus privaten beruflichen Gründen vorerst nicht presseöffentlich machen möchte. Er arbeite mit Kindern und Jugendlichen, da bleibe Cannabis ein sensibles Thema, erklärt er im Gespräch.

Joints hätten in den Händen von Minderjährigen nichts zu suchen – in dem Punkt zeigen die Vorsitzenden ein gewisses Verständnis für Warnungen vor den Folgen des Cannabiskonsums, die sie ansonsten als weitestgehend unbegründet erachten. Alkohol berge nachweislich viel größere Risiken. „Aber bei Jugendlichen wächst das Gehirn noch“, sagt Dietze. In dieser Entwicklungsphase sei Cannabiskonsum keine gute Idee. Dietze erzählt, selbst schon mit 16 gekifft zu haben und seinem Kurzzeitgedächtnis damit bleibenden Schaden zugefügt zu haben. Der CSC Heidekreis setze sich nachdrücklich für Jugendschutz ein und werde alle gesetzlichen Bestimmungen strikt einhalten.

Ein etwas anderes Hobby

Böse Zungen unterstellen Schützenvereinen oder Fußballfanclubs ja gerne einmal, ihr eigentlicher Vereinszweck sei der Alkoholkonsum. Das ist natürlich üble Nachrede. Bei Cannabis-Social-Clubs (CSC) ist es indes anders, sie existieren tatsächlich ganz offiziell, um ihren Mitgliedern legalen Drogenkonsum zu ermöglichen. Aber nicht nur. „Wir wollen Menschen zusammenbringen“, verweist Clubvorsitzender Dietze auf die soziale Komponente seines Engagements.

Die Motivation zur Clubgründung liegt tatsächlich nicht so offenkundig auf der Hand, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Schließlich kostet die Vereinsarbeit Zeit, und Cannabis lässt sich auch über andere Kanäle beziehen. Die lange Kriminalisierung hat nicht verhindert, dass die Zahl der Konsumenten steigt. Der Schwarzmarkt bot und bietet ein ausreichend großes Angebot. Besondere kriminelle Energie brauchten Konsumenten auch bislang nicht an den Tag zu legen, um sich zu versorgen. Nun erlaubt die Rechtslage auch den Eigenbau auf dem heimischen Balkon oder der Terrasse, drei Cannabis-Pflanzen pro Person, dazu muss niemand einem Verein beitreten.

Doch es gehe auch darum, Stigmatisierung zu überwinden und sichtbarer zu werden, erläutern die Clubvorsitzenden im Gespräch. „Wir sind Pioniere“, sagt einer der beiden und verweist darauf, dass das Thema Cannabiskonsum gerade im ländlichen Raum nach wie vor oft tabuisiert werde, ganz im Gegensatz zum Tabak und vor allem zum Alkohol. „Da wird mit zweierlei Maß gemessen“, ärgert er sich angesichts der großen gesellschaftlichen Schäden durch seit jeher legale Drogen, „60000 Alkoholtote pro Jahr in Deutschland“. Auch die jetzt erreichte Teil-Legalisierung beende die rechtliche Ungleichbehandlung nicht, reduziere sie aber wenigstens. Die nun entstehenden Cannabis-Vereine könnten eine Entwicklung anstoßen, an deren Ende lizenzierte Geschäfte stehen, in denen die Droge legal verkauft wird. Solange die Politik dazu nicht bereit sei, werde es nicht gelingen, den Schwarzmarkt auszutrocknen. Von diesem distanzieren sich die Clubvorsitzenden. Unter anderem deshalb, weil Cannabis erst durch kriminelle Dealer zu einer Art Einstiegsdroge gemacht werde. „Die haben auch härtere Sachen im Angebot und bieten das dann gerne mal zum Probieren an“, sagt Dietze. Cannabis gerate dadurch in ein falsches Licht, werde in der öffentlichen Wahrnehmung ständig mit Kokain, Heroin und anderen Rauschmitteln verglichen. „Cannabis ist ein Genussmittel wie Tabak und Alkohol“, halten die Vorsitzenden dagegen. Die Verbotspolitik habe das Image der krautigen Pflanzen und ihrer Blüten beschädigt, sie in einen falschen Kontext gestellt.

„Jeder ist willkommen“

„Jeder ist im Verein willkommen, außer Menschen mit krimineller Ader“, sagt Dietze. Social-Clubs sind potenziell auch für Leute interessant, die das dort angebaute Cannabis draußen verticken wollen oder andere Tricksereien im Schilde führen. Damit will der Soltauer Club nichts zu tun haben. Anbauvereine dürfen keine Gewinne erzielen und keine kommerziellen Interessen verfolgen. Kriminelle Machenschaften und windige Mitglieder können die Lizenz in Gefahr bringen. Das nehme man sehr ernst, heißt es in Soltau. „Unsere Mitglieder sind alle seriöse Personen, die arbeiten und ihre Steuern zahlen“, sagt der zweite Vorsitzende.

Redet er über den anstehenden Cannabis-Anbau, klingt er ein bisschen wie ein Kleingärtner oder Oldtimerfan. Da geht es um Fragen der Bewässerung und verschiedene Cannabis-Sorten, um Elektrik und die richtige Temperatur für optimales Pflanzenwachstum. Man kann sich die Vereinsmitglieder beim Fachsimpeln vorstellen. Es geht nicht nur um den Rausch. „Es ist definitiv auch ein Hobby“, sagt der Clubchef.