„Biene Maja“ und ihr antisemitischer Vater Waldemar Bonsels
In der Heide hat die Besenheide – wenn man einen genauen Blick auf die Calluna vulgaris wirft – einen ersten zaghaften lila Schimmer angelegt. Bis zur Hauptblütezeit Ende August und zum Heideblütenfest in Schneverdingen ist es aber noch lange hin. Dennoch laufen im Hintergrund die Vorbereitungen für die am Festablauf Beteiligten bereits auf Hochtouren. Sichtbar werden könnte das in den kommenden Wochen gelegentlich an der Freilichtbühne im Höpental, wo traditionell die Heidekönigin gekrönt wird.
Der Krönungsakt selbst bedarf zwar nicht übermäßig umfangreicher Probedurchläufe, aber ein Heideblütenfest kommt üblicherweise nicht ohne Theaterstück aus. Und genau das wird aktuell von der Soltauer Theatergruppe „Die Zeitlosen“ einstudiert. Die Schauspieler wollen schon seit mehr als zehn Jahren „Biene Maja“ aufführen, wie die künstlerische Leiterin Sandra Thürasch im BZ-Gespräch schildert. Jetzt sei es endlich soweit. Der Vorschlag sei auch beim Verein Heideblüte sehr gut angekommen.
ZDF hat Bonsels „Biene Maja“ in den 1970ern gehypt
Dass die Biene Maja in den vergangenen Jahren nicht aufführbar war, hatte vor allem rechtliche Gründe. Das ZDF sicherte sich vor vielen Jahrzehnten die Rechte an der Geschichte des Autors Waldemar Bonsels und ließ fortan keine Adaptionen des Stoffs für die Bühne zu. Wirtschaftlich ging das in den 1970ern auf. Die als ZDF-Zeichentrickfigur von allen Kindern geliebte Biene löste einen regelrechten Hype aus, der auch das Merchandising erfasste. Aufkleber, Sticker, Schulranzen und Co. – Maja und ihre Freunde waren bis in die 1980er-Jahre en vogue.
Der Erfinder der berühmten Biene allerdings, Waldemar Bonsels (1880 bis 1952), war glühender Antisemit, der auch für Reichspropagandaminister Joseph Goebbels direkt publizierte und die „Eindämmung des Judentums“ selbst öffentlich einforderte. Nach dem Krieg rechtfertigte er seinen Antisemitismus als das Formulieren einer kulturellen Notwendigkeit – geläutert klingt anders. Der ein dandyhaftes Leben pflegende Bonsels tat, was Geld brachte. Ungeachtet seiner massiv antisemitischen Einstellung veröffentlichte er in den Weimarer Jahren im eigenen Verlag Werke jüdischer Autoren – das machte ihn zu einem wohlhabenden Mann.
Rassenkampf und „Hunnenrede“ im Kinderbuch von 1912
Seine Protagonistin Biene Maja ist nicht selbst antisemitisch geprägt. In der Erzählung spielt das Thema Rassenkonflikt aber eine Rolle. Das bereits 1911 erfundene und im Jahr darauf veröffentlichte literarische Insekt hat einen militaristisch-wehrhaften Hintergrund. Die berüchtigte Hunnenrede Kaiser Wilhelm II. ging in Teilen wörtlich ins Buch ein. So gibt Bienenkönigin Henriette VIII. gegenüber den Hornissen „kein Pardon“, so wie auch der Kaiser im Juli 1900 angesichts der Strafexpedition gegen die aufständischen Boxer in China unter Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung „kein Pardon“ gewährt wissen wollte.
Es liegt zwar auch in der Natur der Biene, den eigenen Stock gegen Eindringlinge zu verteidigen, aber die in den Maja-Abenteuern angreifenden Hornissen und die Haltung Majas dazu treffen den Ton der Vorkriegsjahre. „Und nun, da die kleine Biene an die Kraft und die Stärke der Ihren dachte, an ihre Todesbereitschaft und ihre Treue gegen die Königin, überkam sie ein hoher Zorn gegen die Feinde und zugleich ein beseligter Opferwille und ein beglückender Mut ihrer begeisterten Liebe“, so Bonsels selbst. Zu den Dreharbeiten zum ersten Naturfilm auf Grundlage der Maja-Geschichte, gedreht in den 1920ern in einem Berliner Dachgarten, sagte Bonsels, die biologischen Abläufe (Bienen gegen Hornissen) missdeutend: „Ergreifend war es nun, den Rassenhass in der Natur zu beobachten.“
Antisemit Bonsels wurde wegen „Biene Maja“ von SA angefeindet
Doch wer die Liebe Majas zur Insekten-Vielfalt auf der Blumenwiese im Sinne eines Gesellschaftsfriedens interpretiert, wird auch gegen den ursprünglichen Gedankenansatz des Autors seine Freude haben. Diese Zweideutigkeit der Biene-Maja-Erzählung stieß übrigens auch einigen Nationalsozialisten übel auf. So wurde Bonsels seitens der SA durchaus auch angefeindet für die ihm fälschlicherweise unterstellte Juden-Freundlichkeit.
Majas muntere Abenteuer lassen dessen gedanklichen Hintergrund kaum erkennen. Zu schön sind die vermeintlich unschuldigen Naturgeschichten auf Majas Wildblumenwiese. Eine Kindergeschichte halt. Und so dürfen sich die Schneverdinger und die Touristen in der Heideblütenstadt Ende August auf ein Märchen freuen, dass die Kinder erfreut und die Erwachsenen vielleicht auch ein wenig nachdenklich stimmt.
„Kein Pardon!“ Kaiser Wilhelms II. „Hunnenrede“ auf Majas Blumenwiese
Das erst 2023 uraufgeführte Bühnenstück von Cornelius Demming, das die Zeitlosen aufführen werden, weicht allerdings auch radikal von Bonsels Buchvorlage ab. Die Hornissen, die einen Bienenjungen entführt haben, sind nämlich gar nicht so böse, sie stehen nur unter dem schädlichen Einfluss von Pflanzenschutzmitteln der Menschen. Und natürlich wird Pardon gewährt. Am Ende wird es für alle gut ausgehen – soviel sei vorweggeschickt.
Dass der Aufwand zum Bühnenstück enorm ist, und man so einiges erwarten darf, macht Thürasch deutlich. „Mit 50 Rollen, die von 26 Darstellerin übernommen werden, ist es in jedem Fall das größte Stück, das wir bislang aufgeführt haben.“ Die Darsteller setzen sich aus ganzen Familien im Alter zwischen 5 und 70 zusammen. Der Aufwand für die Aufführungen zum Heideblütenfest ist generell so groß, dass die Zeitlosen, ähnlich wie es auch schon Christian Wildtraut von der Schneverdinger Calluna-Bühne formuliert hat, nur im Wechsel mit anderen Theatergruppen das Höpental zum Fest bespielen möchten. „Wir wollen auch andere abendfüllende Stücke, darunter Musicals, in der Soltauer Aula aufführen können“, erklärt Thürasch. Da sei vielleicht sogar noch Platz für eine dritte Theatergruppe.
Wer übrigens darauf hofft, dass die faule Biene Willi und der unruhige, aber hilfreiche Grashüpfer Flip auftreten, obwohl sie im Original-Buch von Bonsels gar nicht vorkommen, der wird zwar nicht enttäuscht – nur dass beide aufgrund einer urheberrechtlichen Vorgabe so nicht heißen dürfen, wie Thürasch erläutert. „Das werden dann halt einfach ein Bienenjunge und der Grashüpfer sein.“ Das ZDF hatte die beiden Figuren in die Zeichentrickserie eingefügt. Die Urheberrechte daran sind noch immer geschützt.