Mitten im Sommer wird geschnieft und gehustet

Ausgerechnet in der Ferienzeit schwappt eine ungewöhnlich heftige Erkältungswelle durchs Land.

Erkältung kommt von Kälte, das Wort scheint nicht zum Hochsommer zu passen, auch wenn dieser bislang hinter den Erwartungen sonnenhungriger Freibadfans zurückbleibt. Tatsächlich ist Kälte aber nicht der entscheidende Faktor für die Ausbreitung grippaler Infekte. Wichtiger ist, wie gut Krankheitserreger, hauptsächlich Viren, sich über Nasen- und Rachenschleimhäute verbreiten können. Man kennt es aus der Corona-Zeit: Bremsen lassen sich die Erreger am effektivsten durch die Vermeidung von Sozialkontakten.

Sommergrippen klingen oft nach wenigen Tagen ab, gegebenenfalls unterstützt durch Medikamente. Volkswirtschaftlich entstehen aber spürbare Schäden, wenn sehr viele Menschen gleichzeitig erkranken – so wie derzeit. Denn der subjektive Eindruck, den viele Menschen auch im Heidekreis haben, ist wissenschaftlich belegt: Mitten im Sommer wird überall gehustet und geschnieft. Die Zahl Erkrankter hat für den Monat Juli einen Rekordwert erreicht.

Seit Monatsanfang steigt die Zahl der Infektionen stark, lässt sich den Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) entnehmen. In der 27. Kalenderwoche (1. bis 7. Juli) betrug die sogenannte ARE-Inzidenz (Aktivität akuter Atemwegserkrankungen) 6000 pro 100.000 Einwohner, was gut fünf Millionen Krankheitsfällen entspricht. In der Vorwoche lag der Wert noch bei 4900. Der starke Anstieg sei „möglicherweise mit beeinflusst durch eine höhere Kontakthäufigkeit während der Fußball-Europameisterschaft“, mutmaßt das RKI.

Auch manche Arztpraxen haben Probleme mit erkranktem Personal. Hinzu kommt die Urlaubszeit, in der viele ohnehin eine Pause machen und auf Partnerpraxen verweisen. „Wir vertreten aktuell vier Arztpraxen“, heißt es etwa in der Soltauer Praxis von Internistin Dr. Sabine Lober-Hagelstein.

Neue Omikron-Untervarianten

Wer keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung benötigt, behilft sich oft selbst. Etwa mit Nasensprays und Schmerzmitteln, wie Doris Seelig berichtet. „Auffällig ist auch, dass wieder stärker nach Corona-Tests verlangt wird und Kunden häufiger medizinische Gesichtsmasken tragen“, so die Inhaberin der Alten Stadtapotheke in Soltau. Aktuell breiten sich unter der Sammelbezeichnung „Flirt“ neue hochansteckende Omikron-Untervarianten aus. Laut Landesgesundheitsamt sind sie in Niedersachsen nachgewiesen. Die aktuelle Krankheitswelle beruhe aber vor allem auf Rhino- und Enteroviren, so das RKI.

Seelig kann nicht einschätzen, wie oft die verstärkt nachgefragten Corona-Selbsttests positiv ausfallen. Dass Menschen sich testen, auch wieder häufiger Schutzmasken tragen, seien jedenfalls positive Effekte der Pandemie-Erfahrung. „Menschen haben gelernt, wie man sich und andere schützen kann. Dieses Wissen hat man jetzt.“

„Sommergrippe“ ist Umgangssprache und beschreibt das Phänomen, dass eigentlich eher dem Winter und Herbst zugeschriebene grippale Infekte sich auch in warmen Monaten sprunghaft ausbreiten können. Mit der akuten Influenza, einer potenziell lebensbedrohlichen Atemwegserkrankung, hat die „Sommergrippe“ nicht viel gemein. Sie ist vor allem gefürchtet, weil sie die für viele Menschen schönste Zeit des Jahres vermiesen kann und gerne im Urlaub auftritt. Typische Symptome sind Halsschmerzen, Husten und erhöhte Körpertemperatur. Halten Beschwerden länger als einige Tage an oder tritt hohes Fieber auf, wird ein Arztbesuch empfohlen.