Fragwürdiger Schneespaß im Hochsommer
Das Horstfeld in Bispingen ist eigentlich eine Erfolgsgeschichte. Doch seit Planungen der Bahn bekannt sind, die den Bau einer ICE-Schnellbahntrasse mitten durch dieses Gewerbegebiet vorsehen, herrscht Unruhe unter den dort ansässigen Geschäftsleuten. Unterstützt vom örtlichen SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Klingbeil warnen sie davor, das boomende Areal direkt an der A7 zu zerstören. Und weil Klingbeil auch SPD-Vorsitzender ist, wurde dessen Solidarität mit dem Horstfeld nicht nur regional zur Kenntnis genommen. Fraglich ist, ob sich die ungewohnte nationale Aufmerksamkeit für die örtlichen Betriebe auszahlt oder zum Eigentor wird.
„Der Spiegel" jedenfalls sieht im Horstfeld mit seiner Autobahnanbindung, den großen Gewerbehallen und asphaltierten Parkplätzen sowie einer knatternden Kartbahn eine „Hommage an das fossile Zeitalter“. In Zeiten des drohenden Klima-Kollapses klingt das nicht gerade nach Zukunft. Die Klimajugend arbeitet sich seit dem Klingbeil-Besuch im Horstfeld mit wachsender Schärfe an dem Bundespolitiker ab. Dessen „Blockadehaltung“ gegen die Bahn sei „Paradebeispiel eines destruktiven Transformationsverständnisses“, heißt es nach einem wütenden offen Brief und zwei Klima-Demos gegen Klingbeils Kurs nun in der jüngsten gemeinsamen Erklärung von Fridays for Future Niedersachsen und Hamburg. Und als sei das alles nicht genug, geriet vergangene Woche auch noch das ansässige touristische Aushängeschild als besonders großer Klimasünder in die Schlagzeilen: der Snow-Dome.
Erlebnis-Touristen in die Lüneburger Heide locken
Die von der Autobahn kaum zu übersehende wuchtige Indoor-Skihalle zieht seit ihrer Eröffnung im Oktober 2006, ähnlich wie der nahe Heide Park, zuverlässig jüngere Erlebnis-Touristen in den Heidekreis. Eine konsumfreudige Klientel, die allein mit Heidschnucken, gepflegten Wanderwegen und stiller Natur nicht zu gewinnen ist. Doch ist Ski-Fahren in der Lüneburger Heide bei hochsommerlichen Außentemperaturen wirklich notwendig oder wenigstens legitim? Für die Grünen im Niedersächsischen Landtag und die Umweltschützer von Greenpeace eher nicht. „Wenn wir die Klimakrise eindämmen wollen, können wir uns keine Energieverschwendung leisten und müssen jede Möglichkeit zur Einsparung nutzen“, erklärte Greenpeace-Energieexpertin Mira Jäger Anfang in der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). „Luxusverbrauch“ von Energie zum puren Vergnügen sei nicht mehr drin. Wer Abkühlung suche, solle lieber den erfrischenden Badesee als die frostig heruntergekühlte Ski-Halle aufsuchen.
„Es geht uns nicht darum, unternehmerische Freiheiten einzuschränken“
Der jährliche Energieverbrauch des Bispinger Snow-Domes entspreche dem von „weit mehr als 500 Vier-Personen-Haushalten“, rechnen die niedersächsischen Grünen vor. „Wer sich das vor Augen führt, der kann an Wintersport im Hochsommer unserer Ansicht nach nur erheblich eingeschränkt Spaß empfinden“, erklärte Marie Kollenrott, Sprecherin der grünen Landtagsfraktion für Energie und Klimaschutz, ebenfalls gegenüber der NOZ.
Für die Grünen sind solche Äußerungen heikel, schnell werden sie als moralinsaure Spaßbremsen und Verbotspartei wahrgenommen. Kollenrott versuchte vorzubauen. „Es geht uns nicht darum, unternehmerische Freiheiten einzuschränken“, schob sie hinterher. Es gehe allein um die Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger. Aber die Vorlage war für den Boulevard wohl unwiderstehlich. „Grüne wollen uns den Ski-Spaß vermiesen!“, polterte die Bild-Zeitung in gewohnter Manier und dicken Lettern.
Und der Snow-Dome selbst? Hüllt sich in Schweigen. Auf eine Anfrage der Böhme-Zeitung reagierte das Unternehmen nicht. Vor ein paar Jahren gab man sich noch bissiger und präsentierte Kritikern eine etwas süffisante Gegenrechnung. Der Energieverbrauch für die Indoor-Halle entspreche der Hälfte dessen, was das Berliner Luxushotel Adlon verbrauche, hieß es damals laut NDR.