„Immer einen Kracher dabei“

Auf dem Parkplatz des Zollgeländes an der Harburger Straße ziehen Polizeibeamte am Mittwochnachmittag Autofahrer aus dem Verkehr.

„Da haben wir ja ein richtiges Traumwetter erwischt“, stöhnt ein Polizist mit sarkastisch-mattem Unterton. Ununterbrochen ergießt sich der Regenund vergrößert die Pfützen über dem abgewetzten Asphalt der Harburger Straße. Typisch für die Jahreszeit beginnt es am Nachmittag bereits zu dämmern. Zur besten Feierabendverkehrszeit steht an diesem Mittwoch eine Vielzahl an Polizistinnen und Polizisten in neongelb reflektierenden Westen auf dem Parkplatz des Zollgeländes unweit des Soltauer Ortsausgangsschildes. Während der Wind ihnen nasskalt ins Gesicht peitscht, soll über die nächsten fünf Stunden ein Teil der aus Soltau kommenden Autofahrer auf den Parkplatz geleitet und kontrolliert werden.

„Wir überprüfen in erster Linie die Fahrtüchtigkeit der Verkehrsteilnehmer“, erklärt der ebenfalls anwesende Pressesprecher der Polizeiinspektion Heidekreis, Tarek Gibbah, während die ersten Herausgewunkenen größtenteils freundlich und kooperativ Führerschein und Fahrzeugpapiere vorzeigen. „Es wird so schnell dunkel, da sind es Kleinigkeiten, auf die wir die Verkehrsteilnehmer sensibilisieren. Hauptsächlich geht es um defekte Beleuchtungen oder nicht der Witterung angepasste Geschwindigkeiten.“ Neben dem Gebrauch des Handys hinterm Steuer oder nicht angelegten Gurten fischen Gibbah und sein Team an solchen Tagen bisweilen auch Trunkenheitsfahrer aus dem aufgestauten Fluss an Fahrzeugen.

Immer wieder berauscht am Steuer

Gemäß der Jahreszeit von Glühwein und Punsch verzeichnen die Polizisten in den letzten Wochen viele Fälle berauschter Verkehrsteilnehmer. „Fast täglich sehen wir uns mit jemandem unter Alkohol- oder Drogeneinfluss im Straßenverkehr konfrontiert. Dementsprechend haben wir pro Kontrollaktion eigentlich immer mindestens einen Kracher dabei”, konstatiert der Pressesprecher nicht gänzlich ohne Amüsement in der Stimme.

Unlängst gingen den Beamten bei einer Aktion an der B 214 in Schwarmstedt eine 32-Jährige und ihr 35-jähriger Beifahrer ins Netz. Schon beim Öffnen des Fahrzeuges vernahmen die Beamten einen penetranten Marihuana-Geruch. Der Drogentest schlug positiv auf Kokain an. Hohe Mengen Bargeld in szenetypischer Stückelung und ein als Mobiltelefon getarnter Elektroschocker nährten den Verdacht auf einen Drogendealer.

Auch an diesem Mittwoch besteht bei einem 32-jährigen Autofahrer aus Soltau der Verdacht, dass er sein Fahrzeug unter dem Einfluss berauschender Mittel geführt hat. Zur weiteren Aufklärung wird ihm eine Blutprobe entnommen und die Weiterfahrt untersagt. Er ist einer von über 200 Autofahrern, die von einem Polizisten mit Winkerkelle nach einem prüfenden Blick gen Zollparkplatz beordert werden. Primär sind es Fahranfänger, unaufgeräumte Innenräume oder spezielle Fahrzeugtypen, die den Fokus der Gesetzeshüter auf sich ziehen. Auch bei Transportern, die dem Berufsverkehr zuzuordnen sind, gehen die Beamten einigen Verdachtsmomenten nach. „Ohne dass wir Vorurteile bedienen wollen, hat es sich bewährt, auf unseren Erfahrungsschatz zu vertrauen“, berichtet Gibbah.

Ist der Erstkontakt in der Kontrolle geknüpft, achten die Ordnungshüter auf verdächtige Verhaltensweisen. Auf dem Zollgelände ist die Nervosität einigen der Kontrollierten anzumerken. „Manche Menschen werden zum ersten Mal in 30 Jahren kontrolliert und wissen dementsprechend gar nicht, wie sie sich verhalten sollen“, erklärt der Polizist. Nervosität sei daher völlig normal, biete dennoch ein Motiv, genauer hinzusehen.

Autofahrer zeigen meist nach kurzer Zeit Einsicht

Auch wenn in manch einem der Eindruck entsteht, der Willkür der Exekutive anheimzufallen, liegt es Gibbah und seinen Kollegen am Herzen, den Angehaltenen im Gespräch auf Augenhöhe zu begegnen. Ist die Reaktion auf die Kontrolle auch manchmal eine unflätige, zeigen die meisten Autofahrer nach kurzer Zeit Einsicht. „Der wichtigste Teil unseres Berufs ist die Prävention. Sobald man mit den Leuten ins Gespräch kommt, verstehen die meisten, dass wir nur unseren Job machen.“ Wer höflich bleibt, fährt aus finanzieller Sicht definitiv besser: Im Bereich bis zu 60 Euro liegt es im Ermessen der Polizisten, ob sie eine mündliche Verwarnung aussprechen oder bei einer Ordnungswidrigkeit doch zur Kasse bitten. Unkooperatives Verhalten könne somit einer Selbstsabotage gleichen. Trotzdem sei die Direktive der Beamten stets eine deeskalierende.

Auf die abschließende Frage, ob man sich angesichts des moralischen Dilemmas als Gesetzeshüter nun freue, wenn es zu einem Treffer bei einer Verkehrskontrolle kommt, überlegt der Polizeisprecher gemeinsam mit seinen Kollegen. Der Grundtenor dabei: „Wenn man schon mal sowas Großangelegtes veranstaltet und dann ein Fund dabei zutage tritt, ärgert man sich nicht unbedingt.“ Dennoch schließt Gibbah: „Grundsätzlich ist es natürlich schöner, wenn man viele Fahrzeuge herauszieht und nichts Gravierendes vorliegt, weil das auf vernünftige Autofahrer schließen lässt.“ Nichtsdestotrotz wisse man bei der Polizei um die Zahl der Leute, die „Dreck am Stecken“ haben.

Daniel Herzig1 Comment