Inklusion mitten in Soltau
Es ist nicht nur das neue Logo und der neue Name, der Aufbruch signalisiert. Statt Heide-Werkstätten heißen die Betriebe und Einrichtungen des Vereins, der sich seit 50 Jahren um Menschen mit geistiger Behinderung kümmert, sie beruflich fördert, nun verkürzt Heidewerk. Unter dem Namen werden die elf einzelnen Bereiche, die es in Soltau, Munster und Walsrode gibt, zusammengefasst. Der Dachverein hat sich nun ebenfalls umbenannt.
Aufbruch signalisieren aber vor allem die Vorhaben, die das Heidewerk in Soltau plant. In der Innenstadt in der Marktstraße wurde ein altes, marodes Haus abgerissen. Dort soll ein inklusives Gastronomieprojekt entstehen. Die Planungen laufen.
Konkreter ist bereits ein weiteres Projekt. In Soltau am Standort Vor dem Weiherbusch soll für die Aus- und Weiterzubildenden des Heidewerks eine Art kleine Berufsschule entstehen. „Wir wollen dort unsere Ausbildungen zentralisieren“, erklärt Geschäftsführer Bernhard Neuhausen.
Hauswirtschaft mit Gastronomie sind Ausbildungsbereiche, Schwerpunkte ebenso die Metall- und Holzberufe, aber auch gärtnerische und landschaftsbauliche Tätigkeiten werden vermittelt. Mit 50 bis 60 Auszubildenden rechnet der Geschäftsführer an dem Standort.
Bislang, so Neuhausen und Verwaltungs- und Personalleiter Marcus Bleßmann, sei die Berufliche Bildung (BBB) auf Munster, Walsrode und Soltau verteilt. Jetzt wolle man den Standort Vor dem Weiherbusch innerhalb der vorhandenen Räumlichkeiten ausbauen. Dazu sind in diesen Tagen die Tagesförderstätte und kleinere klassische Werkstattbereiche von dort an den Standort Munster umgezogen.
Aktuell starten die Umbauarbeiten. Um später die Auszubildenden aus Walsrode ebenfalls aufnehmen zu können, soll auf dem Nachbargrundstück an- und neugebaut werden. Die Fläche gehört bereits dem Trägerverein.
„Wir wollen eine Art Laborsituation schaffen. An kleineren Maschinen sollen die Auszubildenden zunächst den Umgang damit lernen, um später an den großen Maschinen das Gelernte umzusetzen. Ebenso gibt es Theorieunterricht, insgesamt eine vereinfachte Ausbildung“, erklärt Neuhausen.
Mit der Zentralisierung der Berufsausbildung will das Heidewerk zudem nach außen wirken. Die Theorie- und Praxisbereiche könnten beispielsweise auch die Lebenshilfe oder die Rotenburger Werke nutzen, die ebenso Menschen mit Behinderung betreuen, beschulen und in den Arbeitsmarkt bringen und in Soltau ansässig sind, so Neuhausen.
Gastronomie mit Menschen mit und ohne Behinderung
Die Baulücke ist größer als gedacht, dahinter liegt noch ein Garten. Viel Platz ist also mitten im Zentrum Soltaus für das Neubauprojekt des Heidewerks, bisher der Heide-Werkstätten, das sich insbesondere um Menschen mit geistiger Behinderung und psychischen Einschränkungen kümmert, berufliche Perspektiven eröffnet. Das Heidewerk plant an der Marktstraße ein Gastronomieangebot für 30 Beschäftigte mit Behinderung in Service und Küche sowie zehn weitere Arbeitsplätze.
Bis vor Kurzem stand dort an der Marktstraße 29 ein kleines gedrücktes Haus, der Eine-Welt-Laden war mal Mieter, später der Sportverein MTV. Dietrich Wiedemann, der für die Grünen im Stadtrat sitzt und an Stadtgeschichte interessiert ist, hat die Abbrucharbeiten beobachtet und gesehen, dass in dem nun abgerissenen Gebäude ein noch älteres quasi eingemauert gewesen sei. Vielleicht um 1700 gebaut. Doch zu retten war substanziell nichts, hat er der Aussage von Zimmerermeister Friedhelm Eggers entnommen.
Das bestätigt auch Heidewerk-Geschäftsführer Bernhard Neuhausen. Die Soltauer Familie Thiel hatte das Gebäude 2021 dem Trägerverein Heidewerk verkauft. „Das Haus war in einem schwierigen Zustand, da war nichts sanierungswürdig“, erklärt auch der für die Umsetzung des Projektes verantwortliche Marcus Bleßmann. Unter Denkmalschutz stand das Haus nicht und auch eine archäologische Untersuchung habe keine Ergebnisse geliefert. Letzteres sei eine Vorgabe der Stadt Soltau für den Abriss gewesen.
Am Bauzaun ist großflächig auf Plakaten bereits zu lesen, was an der Stelle entstehen soll: „Ein inklusiver Gastronomiebetrieb.“ Viele Erfahrungen mit solch einem Projekt hat das Heidewerk bereits in Walsrode gesammelt. Dort gibt es das Café mit hauseigener Kaffeerösterei Moccamoor und das Bistro 37 an der Moorstraße.
Jetzt sollen die Erkenntnisse in das Soltauer Projekt einfließen. Zudem sei es der Wunsch der Beschäftigten gewesen, ein ähnliches Angebot in Soltau aufzubauen, so Neuhausen. „Wir wollen nach außen sichtbar sein, persönlich wahrgenommen werden. Das ist für die Menschen, die bei uns arbeiten, toll“, sagt Neuhausen. Und für den Gast könnte es ebenfalls ein schönes Erlebnis werden. Das Projekt helfe insgesamt in der Gesellschaft, Inklusion als Normalität wahrzunehmen.
Das Heidewerk stellt sich an der Marktstraße ein Ort für Begegnungen und Aktivitäten mit inklusive Charakter auch für Vereine, Verbände, Bürgerinitiativen oder soziale Einrichtungen vor. Und der Verein will einen Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsfähigen und lebendigen Innenstadt leisten, zur Resilienz Soltaus beitragen.
Allerdings: Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen – zumindest in Sachen Bauausführung. Es hängt in diesen Zeiten an hohen Bau- und Energiekosten und mangelnden Fachkräften im Handwerk. Einen Zeitplan für die Umsetzung kann Neuhausen daher noch nicht präsentieren, hofft auf das 2023 oder 2024. Möglich sei es, das Grundstück zu 80 Prozent zu bebauen, und natürlich gebe es Pläne, die jetzt vom Architekten verfeinert und auch mit der Stadt Soltau abgestimmt werden müssen.
650 Beschäftigte im Heidekreis
Die Mitglieder des Vereins Heide-Werkstätten haben auf ihrer Hauptversammlung beschlossen, den Vereinsnamen nach 50 Jahren zu modernisieren. Wie Vereinsvorsitzende Thomas Lasthaus erklärte, stelle der neue Name Heidewerk e.V. zum einen den Gleichklang zu der bereits Anfang September erfolgten Änderung des Markennamens her und unterstreiche zum anderen die Emanzipation von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt.
Zum neuen Namen gehören auch das neue Logo und der Leitspruch „Miteinander erfolgreich“. Das Heidewerk gibt mehr als 650 Menschen mit Beeinträchtigung einen Arbeitsplatz. Im Mittelpunkt der Arbeit stehe der Mensch mit seinem Recht auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
Dazu erhielten die Beschäftigten von den 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Heidewerks ein vielfältiges Förderangebot zur Stärkung beruflicher, sozialer und persönlicher Kompetenzen. Arbeitsbereiche sind unter anderem die Metall- und Holzwerkstätten, die Hauswirtschaft, der Gartenservice, Montage und Verpacken sowie die gastronomischen Angebote und der Bereich Minerva in Soltau.
Zudem gelinge es immer wieder, Menschen mit Behinderungen auch in den regulären Arbeitsmarkt zu vermitteln, so in Restaurants, Handwerksbetriebe, Supermärkte oder Logistikbetriebe.