Kinderstation gut ausgelastet, Situation an Schulen dramatisch
Maximal belastet sind aktuell die Kinderarztpraxen im Heidekreis. Atemwegsinfekte insbesondere mit dem RS-Virus, Magen-Darm-Erkrankungen, aber auch Corona sprengen zum Teil die Kapazitäten, wie die der Praxis von Dr. Abend im Medizinischen Versorgungszentrum im Heidekreis-Klinikum.
Auch auf Station in der Finkelsteinklinik am Standort Walsrode ist die Belastung hoch, doch abgewiesen wurde noch kein kleiner Patient. Zu Beginn der Woche waren noch vier der insgesamt zwölf Betten frei. An anderen Kliniken in Deutschland ist die Situation dramatischer, wie der Berufsverband der Kinder und Jugendärzte Anfang der Woche alarmiert festgestellt hat. Von 110 Kinderkliniken hatten 43 Einrichtungen kein einziges Bett mehr auf der Normalstation frei.
Der hohe Krankenstand trifft allerdings nicht nur die Kinder. Im Gymnasium Soltau fehlten Ende vergangener Woche 26 Pädagoginnen und Pädagogen – bei einem Kollegium von insgesamt 80. Ein Krankenstand von mehr als 30 Prozent. Ähnlich ist beispielsweise die Situation an der KGS in Schneverdingen, dort fehlte am Dienstag erneut rund 20 Prozent des Personals.
Schulleiter Mani Taghi-Khani: „Das ist ein Ausfall, wie wir ihn noch nie hatten. Im Moment kriegen wir es noch hin, den Unterricht vertreten zu lassen, natürlich auch mit einzelnen Unterrichtsausfällen in den Randstunden, das geht gar nicht anders angesichts der Summe an Kollegen und Kolleginnen, die erkrankt sind. Keine Frage, dass wir sehnsüchtig auf Entspannung hoffen.“
Am Gymnasium Soltau sei die personell angespannte Lage in den vergangenen zwei Wochen durch das Betriebspraktikum der 11. Klassen aufgefangen worden. Vertretungen waren somit möglich. Doch mit Beginn der neuen Woche sind alle Klassen wieder im Haus und so musste Schulleiter Wrigge nun auf den drohenden massiven Unterrichtsausfall reagieren.
Die unvermeidbaren Unterrichtsausfälle habe er über die Jahrgänge verteilt. Wenig Ausfall soll es im Jahrgang 13 geben, um das Abitur gut vorbereiten zu können. Und auch die unteren Jahrgänge sollen gut abgedeckt bleiben. In der fünften Stunde werde durch pädagogische Mitarbeiter eine Hausaufgabenbetreuung eingerichtet, damit kein „Kind zu Hause vor verschlossener Tür stehen muss“, erklärte Wrigge auch in einem Brief an die Elternvertreter.
Die Regelung bedeutete allerdings auch, dass die Schüler insbesondere der oberen Jahrgänge teils am Vormittag erheblichen Ausfall haben, erst zu den Nachmittagsstunden in die Schule mussten.
Trotz der erheblichen Auswirkungen geht das Heidekreis-Klinikum aufgrund seiner Patientenzahlen von einem „normalen Jahr“ aus. Man sehe nicht, dass die Atemwegsinfektionen im Vergleich zu den Vorjahren stark angestiegen seien.
Die Grafik, die HKK-Pressesprecherin Nina Bernard zum Thema schwere akute Atemwegsinfektionen präsentiert, erklärt die Aussage: Im Vergleich zu den Vorjahren bis 2017 gibt es in diesen Wochen keinen besonders starken Anstieg der Fälle.
Auch wenn die Situation beispielsweise in den Kinderarztpraxen oder den Schulen im Heidekreis anderes vermuten lässt: Das Infektionsgeschehen sei wie vor der Coronazeit und damit „nicht ungewöhnlich“, so Bernard. Sie bezieht sich auf eine Statistik, die die Situation an 71 Kliniken in Deutschland erfasst.
Eine weitere hat die Atemwegsinfektionen nach Altersgruppen aufgeschlüsselt. Auch bei den Null- bis Vierjährigen, die am häufigsten vom RS-Virus betroffen sind, sind keine besonderen Ausschläge in diesen Tagen im Vergleich zu den Vorjahren zu sehen.
In der Finkelsteinklinik, der Fachabteilung der Kinder- und Jugendmedizin im Heidekreis-Klinikum lagen Anfang der Woche fünf Kinder mit Atemwegsinfektionen durch das RS-Virus, andere hatten Magen-Darm-Infektionen, einen Fieberkrampf, Unfälle und andere Erkrankungen. Von den zwölf Betten waren vier noch frei.
Bislang musste kein akut erkranktes Kind abgelehnt werden. Allerdings, so Bernard, seien die für diese Woche geplanten drei Mandel-Operationen abgesagt worden, um weiterhin akut erkrankte Kinder aufnehmen zu können.
Das RS-Virus ist die häufigste Ursache für Infektionen der unteren Atemwege bei Kindern, die noch nicht ein Jahr alt sind. Es verursacht Bronchitis und Bronchiolotis, das ist eine Entzündung der kleinsten und tiefsten Atemwege, sowie Lungenentzündung.
Am häufigsten werden Kinder, die am RS-Virus erkrankt sind, eingeliefert, wenn sie unter sechs Monaten alt sind. Sie haben meistens eine beschleunigte und angestrengte Atmung zum Teil mit Pfeifen und Brummen. Aber auch ein hartnäckiger Husten mit oder ohne Fieber kann zu der Erkrankung hinzukommen.
Gerade aber bei den jüngsten Patienten fehlt es an ausreichend Intensivbetten. Das hatte Anfang der Woche bereits der Kinderschutzbund kritisiert und ein Notprogramm für in Deutschland Kinderstationen gefordert. In dem Fall ist allerdings das HKK nicht betroffen – dort gibt es keine Intensivstation für Kinder.
In solchen Fällen müssen die Jüngsten im Heidekreis an andere Kliniken wie an die MHH nach Hannover verlegt werden. Der dortige Oberarzt Dr. Martin Wetzke verweist in einem Interview der Klinik auf eine ungewöhnlich frühe Saison bei RS-Virus-Erkrankungen. Begrenzte Aufnahmemöglichkeiten seien aber nicht nur auf die hohen Fallzahlen, sondern auch auf die fehlenden Kapazitäten in den Kliniken zurückzuführen. Es mangele an Pflegepersonal, sodass nicht alle Betten betrieben werden könnten.
Darauf verweist auch HKK-Sprecherin Bernhard. Fakt sei, dass viele Betten in den Fachabteilungen für Kinderheilkunde deutschlandweit abgebaut worden seien beziehungsweise ganze Abteilungen in den vergangenen Jahren geschlossen wurden. Dadurch seien – bei saisonal bedingten Krankheitswellen – die Betten für Kinder- und Jugendmedizin schnell belegt.
Auch in den anderen HKK-Abteilungen macht sich die aktuelle Infektionswelle bemerkbar. In der Pflege, aber auch bei der Ärzteschaft fielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus. Einige litten noch unter Corona, andere häufig unter grippalen Infekten.
Das trete stations- und häuserübergreifend in Soltau und Walsrode auf. Es gebe also keine Häufung an einem Standort oder auf einer Station. Zum Glück, so Bernhard, habe man „wirklich großartige Kolleginnen und Kollegen, die auf allen Stationen immer einspringen und die pflegerische und medizinische Versorgung aufrecht erhalten“. Das mache es bisher möglich, dass keine Station komplett geschlossen werden müsse.