Soltaus kleinster Abi-Jahrgang seit 1942

Historischer Jahrgang: Annika Mayer und Philipp Thorey (2. von rechts) mit ihren Abiturzeugnissen. Schulleiter Volker Wrigge verabschiedete zudem Jonas Oehmen (rechts), der wie auch Assala Aloqlah (nicht im Bild) das sogenannte Fach-Abi abgelegt hat…

Historischer Jahrgang: Annika Mayer und Philipp Thorey (2. von rechts) mit ihren Abiturzeugnissen. Schulleiter Volker Wrigge verabschiedete zudem Jonas Oehmen (rechts), der wie auch Assala Aloqlah (nicht im Bild) das sogenannte Fach-Abi abgelegt hatte. Foto: grö

VON STEFAN GRÖNEFELD

Soltau. Das Schuljahr, das morgen zu Ende geht, war sicherlich das ungewöhnlichste in der Geschichte des Heidekreises. Dass am Gymnasium Soltau der kleinste Abitur-Jahrgang seit knapp 80 Jahren verabschiedet wurde, während zeitgleich auch an der KGS Schneverdingen ein ganz besonderer Jahrgang sein Reifezeugnis erhielt, hat allerdings nichts mit der Coronapandemie zu tun, die das Schuljahr ansonsten so einschneidend prägte. Sondern mit der Rücknahme einer umstrittenen Schulreform.

Annika Mayer und Philipp Thorey heißen die beiden Schüler, die den kompletten Soltauer Abi-Jahrgang 2020 bilden. Kleiner war die Anzahl der Abiturienten nur im Kriegsjahr 1942, als 13 männliche Schüler an die Front geschickt worden waren und die verbliebene Mitschülerin als einzige die Prüfungen ablegen konnte. Die heutigen Hintergründe für den Mini-Jahrgang sind wesentlich undramatischer. Die Rückkehr von G8 zu G9 hatte eine Nebenwirkung, die zwar nur wenige Schüler betraf, diese dafür umso heftiger: Die Verlängerung der Schulzeit um ein Jahr hatte zur Folge, dass es zwischen dem letzten G8-Jahrgang (Abi 2019) und dem ersten G9-Jahrgang (Abi 2021) keinen regulären Abi-Jahrgang gibt. Das betraf Schüler wie Annika Mayer, die nach einem Jahr in den USA das erste Oberstufenjahr wiederholte. Besonders kurios war die Situation bei Philipp Thorey, der im Sommer 2018 aus Argentinien zurückkehrte, als die letzten G8-Abiturienten ihr erstes Qualifikationsjahr bereits hinter sich hatten, der nächste reguläre Abi-Jahrgang allerdings erst vor seiner Einführungsphase (Klasse 11) stand, sodass der Soltauer ein Jahr verloren hätte. Individuelle Ausgangslagen, für die individuelle Lösungen gefunden werden mussten und nach anfänglichem Widerstand aus dem Kultusministerium auch durften.

Auch für die ehemaligen Realschüler, die 2017 ihren erweiterten Sek-I-Abschluss gemacht hatten und anschließend das Abitur in Angriff nehmen wollten, musste ebenfalls eine Lösung her. Normalerweise wären sie in die Einführungsphase des betreffenden Gymnasium-Jahrgangs integriert worden. Da es diesen aber 2017 nicht gab, bemühte sich die KGS früh um die Einrichtung eines sogenannten Lückenjahrgangs und konnte als einzige Schule im Heidekreis einen solchen anbieten. 29 Schülerinnen und Schüler erhielten jetzt dieses Jahrgangs ihre Reifezeugnisse. „Diesen Kraftakt in diesem besonderen Jahrgang schaffen nur besondere Menschen“, sagte Oberstufenkoordinator Uwe Herrmann, der gemeinsam mit seiner Kollegin Bettina Baalmann die Abitur-Entlassung moderierte.

Für Familie und Freude aufgezeichnet

Die Abitur-Entlassungen 2020 waren aufgrund der besonderen Jahrgänge bemerkenswert, aufgrund der Coronapandemie fanden sie zudem unter sehr speziellen Bedingungen statt. Am Gymnasium Soltau durften Familienangehörige die nur zwei Abiturienten begleiten, an der KGS Schneverdingen war das wegen der 29 Absolventen nicht möglich. Hier saßen die Schüler in Abständen und mit Masken im Foyer. Damit Familie und Freunde der Feier nachträglich beiwohnen können, wurde sie komplett aufgezeichnet. Neben den Abiturienten waren nur wenige Lehrer zugelassen, viele andere wandten sich wie auch Schneverdingens Bürgermeisterin Meike Mogg-Steffens per Videogruß an die Schüler.