Stichter See trocknet aus
VON REINHARD VORWERK
Neuenkirchen. Für seine Untiefen ist der Stichter See nicht unbedingt bekannt. Im Gegenteil. Gerade einmal hüfthoch, je nach Körpergröße etwas höher oder tiefer, reicht sein Wasser dem Badenden. Um das zu erreichen, muss man schon ziemlich weit hineingehen – in normalen Jahren. Doch normal ist dort zurzeit nichts. Wie alle Gewässer in der Region sind dem gut einen Kilometer südlich von Neuenkirchen gelegenen See, der die historische Bezeichnung der ihn umgebenden Region im Namen trägt, die Folgen der seit über einem Jahr vorherrschenden Witterung anzusehen: geringe Niederschlagsmengen, die die Verdunstung nicht annähernd ausgleichen, bei teilweise extrem hohen Temperaturen. Die setzen Gewässern dieser Art besonders zu. Als regionstypisches Flatt, das keine Grundwasserzuführung hat, sondern nur aus Oberflächenwasser gespeist wird, ist der See nämlich ausschließlich auf Zuläufe aus dem umliegenden Grabensystem angewiesen. Doch da kommt schon lange nichts mehr. Die Folge: Der See, bei der geringen Tiefe könnte man schon von einem Tümpel sprechen, verschwindet. „Noch ein paar Tage, dann ist er komplett leer“, fürchtet Oliver Lüdemann. Zum Beweis zieht er die Gummistiefel an und marschiert an die tiefste Stelle. Viel höher als bis zu den Knöcheln reicht das Wasser nicht, „höchstens 15 Zentimeter“, schätzt Lüdemann. Sein Arbeitgeber ist die Neuenkirchener Eigentümerfamilie Wilkens. Ihr gehört mit 1,6 Hektar der größere Teil der bis vor Kurzem noch 2,5 Hektar bedeckenden Wasserfläche, wo ein riesiger Stein den „Grenzverlauf“ kennzeichnet. Auch der Findling liegt schon vollständig auf dem Trockenen. Zu Lüdemanns Aufgaben gehört neben der Arbeit auf dem Anwesen Wilkens auch, regelmäßig nachzuschauen, ob rund um den See alles in Ordnung ist. Da ist einiges zu tun. Bereits seit Langem als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen, ist das Gewässer mit seiner dreieckigen Grundfläche und dem etwa 140 Hektar großen FFH-Gebiet Riensheide seit 2013 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Gleichzeitig ist es ein beliebtes Naherholungsziel, dessen Besucher sich nicht immer an die Vorgaben halten. Doch weniger die Nichtbeachtung der Regeln als das Verschwinden des Gewässers beunruhigt ihn gerade. Als mögliche Ursache scheidet aus Sicht des Landkreises, der Unteren Wasserbehörde, die Grundwasserentnahme für die Feldberegnung aus, weil eine meterdicke Wasser undurchlässige Schicht zwischen dem aus Oberflächenwasser gespeisten See und den in einiger Entfernung dazu gelegenen Entnahmebrunnen in 65 bis 70 Metern Tiefe liegt. So könnten nur ergiebige Niederschläge Abhilfe schaffen und verhindern, dass ein für seine Umgebung wichtiges Biotop verschwindet. Doch danach sieht es angesichts der Wetterprognosen nicht aus.