Parteienkolumne: Thema sensibilisiert mehr als andere

Spaltet das HKK den Heidekreis?

In der kommenden Woche wird der Kreistag einen Beschluss zum Standort für ein neues zentrales Heidekreis-Klinikum treffen. Nach derzeitigem Stand dürfte es keine breite Mehrheit geben, sondern eine knappe Entscheidung. Denn der von Gutachtern favorisierte Standort für ein zentrales Heidekreis-Klinikum südlich von Bad Fallingbostel ist umstritten. Vor allem aus dem nördlichen Teil des Kreisgebiets gibt es Proteste dagegen, verbunden mit der Forderung, das Klinikum nicht dort, sondern an zentraler Stelle des Landkreises in Dorfmark zu bauen, der von den Einwohnerinnen und Einwohnern des nördlichen Kreisgebiets besser erreicht werden könnte. Je näher die Entscheidung rückt, umso heftiger wird die Auseinandersetzung, die nach regionalen Gesichtspunkten geführt wird. Dazu hat die Böhme-Zeitung für ihre Parteienkolumne Kreisvorsitzende und Sprecher der vom Kreistag vertretenen Parteien und Gruppen befragt und sie um eine Einschätzung gebeten, ob die Auseinandersetzung um das HKK ein Zeichen von immer noch bestehendem, oder wieder aufkommendem Denken in Nord-Süd-Kategorien sein könnte. vo

Gerd Engel (CDU): Zunächst möchte ich feststellen: es gibt keine Nordkreis CDU (vgl. BZ 06.06.2020) und auch keine Südkreis CDU, es gibt die CDU Heidekreis. Unsere CDU Heidekreis hat 12 Stadt- bzw. Gemeindeverbände, die logischerweise über den gesamten Landkreis aufgeteilt sind. Wie in jeder demokratischen Partei gibt es unterschiedliche Interessenvertreter, die auch ihre jeweilige Region repräsentieren sollen. Von daher ist es vor allem in der Politik wichtig, tragfähige Kompromisse zu finden. Bei Entscheidungen kommt es dann zu demokratisch gefassten Beschlüssen, die letztendlich von allen mitgetragen werden, auch wenn es ab und zu schwer fällt. Ob ein Beschluss richtig oder falsch war, zeigt sich manchmal leider erst später.

Meines Erachtens zeichnet sich kein Nord-Süd-Konflikt ab. Wie schon für die Kommunalpolitiker erwähnt, gibt es auch bei den Einwohnerinnen und Einwohnern unterschiedliche Interessen und Meinungen. So sind z.B. durch die Lage unseres Landkreises die Ausrichtungen regional unterschiedlich. Der Heidekreis hat aber auch den Vorteil, durch die Anbindung an die Zentren Hamburg, Hannover und Bremen all deren Vorteile nutzen zu können. Bei der Frage nach dem Standort eines Krankenhauses möchte ich nur darauf hinweisen, dass wir ein modernes, sehr gutes Krankenhaus an einem sinnvollen, vernünftigen und planbaren Standort brauchen. Dieser sollte so weit wie möglich zentral im Landkreis sein. Doch neben dem Standort ist sicher hervorragendes medizinisches Personal, das wir auch in einer neuen Klinik haben müssen, noch wichtiger. Denn Patienten wählen eine Klinik in erster Linie nach den richtigen Ärzten und die Betreuung für sich aus.

Sebastian Zinke (SPD): Das Thema Standortsuche für ein zentrales Heidekreisklinikum bewegt derzeit sehr! Es ist die schwierige Aufgabe des Kreistages und aller Verantwortlichen, den richtigen Standort für dieses wichtige Projekt zu finden. Geplant werden soll nicht nur ein neues modernes Krankenhaus, sondern ein Gesamtkonzept, das die Gesundheitsversorgung im gesamten Landkreis langfristig gewährleistet. Das vom Heidekreis Klinikum vorgestellte Konzept beruht auf den bereits in der Vergangenheit von der SPD Heidekreis geforderten drei Säulen: 1. ein zentrales Krankenhaus mitten im Landkreis, 2. Ausbau der ambulanten Versorgung an den Standorten der heutigen Krankenhäuser und 3. Nachnutzungskonzepte für die heute vorhandenen Gebäude. Zusätzlich ist wichtig, dass die Rettungswachen weiterhin verteilt im Landkreis bleiben.

Forderung der SPD war es auch, dass der Prozess transparent durchgeführt wird und die Öffentlichkeit zu jedem Schritt zu informieren. Leider erschwert das Corona-Virus diesen Plan. Große Diskussionsveranstaltungen sind derzeit nicht möglich. Gleichzeitig muss aber zeitnah eine Entscheidung über das Grundstück gefällt werden, auf dem Architekten ein neues Krankenhaus planen können. Trotz einer ersten Festlegung für erste Planungen müssen weiterhin Gespräche mit den Eigentümern der alternativen Standorte geführt werden. Maßgeblich sind objektive Kriterien zu berücksichtigen, die eine bestmögliche Versorgung und Erreichbarkeit im gesamten Heidekreis ermöglichen. Subjektive Betrachtungen sind sicherlich ein weiterer Aspekt in der Entscheidungsfindung. Aber auch das Bauchgefühl bedarf einem Quäntchen Ehrlichkeit, damit keine einseitigen Verzerrungen erzeugt und unsichtbare Grenzen wieder zu tiefen Gräben werden. Dies könnte dann unweigerlich zum Scheitern einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung führen – der gesamte Heidekreis hätte verloren.

Ellen Gause (Die Grünen): Bei dem „Nord-Süd-Konflikt“ geht es nach unserer Auffassung nicht um Nord-Süd und auch nicht um einen Konflikt. Es geht um den Anspruch aller BürgerInnen auf gleichwertige Lebensverhältnisse und dabei spielt die medizinische Versorgung eine zentrale Rolle. Jede/jeder BürgerIn wünscht sich im Krankheitsfall eine schnelle, wohnortnahe und hochwertige medizinische Versorgung (ambulant wie auch stationär). Dabei ist neben der Qualität die Erreichbarkeit eines Krankenhauses ein wesentlicher Faktor. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass bei einer so wichtigen Entscheidung wie dem Standort für ein mögliches neues Krankenhaus intensiv diskutiert wird, welche Variante für möglichst viele BürgerInnen am besten ist. Aber egal, für welchen Standort sich der Kreistag entscheidet, auf Grund der Ausdehnung dieses Kreises werden gerade BürgerInnen aus den Randgemeinden im Norden und Süden eine etwas längere Anfahrt haben. Auch deshalb benötigen wir unbedingt ergänzende wohnortnahe Notfallzentren und eine gute ambulante Versorgung.

Die kritische Auseinandersetzung mit den Planungen bedeutet aber nicht, dass die BürgerInnen noch immer in den in alten Kategorien von Nord-und Südkreis denken – schließlich ist der Heidekreis bereits mehr als 40 Jahre alt, viele Menschen kennen die frühere Struktur und die alten Konflikte nicht mehr. Allerdings erschwert die räumliche Ausdehnung des Kreises die Entwicklung einer gemeinsamen Identität und das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Viele Menschen fühlen sich deshalb eher ihrem Wohnort und der näheren Umgebung zugehörig und nicht in erster Linie dem Kreis.

Bernhard Schielke (AfD): Ja, es gibt ihn. 1977 wurden zwei historisch gewachsenen Landkreise unter großem Protest gerade aus Soltau zusammengelegt. Beide Altkreise haben ihr altes Zentrum, im Norden Soltau und im Süden Walsrode, bewahrt. Ihre umliegenden Dörfer und das Selbstverständnis ihrer Bewohner bezieht sich nach wie vor auf ihre alten Zentren. Das wird verstärkt durch den ungünstigen Zuschnitt mit zwei Halbkreisen und einer schwachen Mitte, an der die Kreise wie künstlich zusammengeflickt sind. Sogar die Landschaften sind anders, der Norden definiert sich als „Herz der Heide“, der Süden wird stark charakterisiert durch die großen Flüsse Aller und Leine. Normalerweise tritt deswegen kein großer Konflikt zutage und die Bewohner haben keine Schwierigkeiten miteinander. Aber kommt es zum Interessensgegensatz, tritt der alte Konflikt wieder auf, wie jetzt überdeutlich beim Filetstück Krankenhaus. Vorbereitet wurden die deutlich erkennbaren Ziele des Südkreises mit der Schließung unserer besten Soltauer Abteilungen und deren teilweiser Verlegung nach Walsrode, mit dem Ziel, das ehemals erfolgreichere Krankenhaus in Soltau langfristig zu schließen.

Dieses Ziel werden sie jetzt wahrscheinlich erreichen. Der Südkreis fällt nicht nur mit einer wesentlich entschlosseneren Ausdrucksweise auf, sondern er versteckt sich jetzt auch noch hinter einem in seinem Sinne verfassten Gutachten. Die Region wird mit dem neuen Krankenhaus zur herausragenden Glanzregion des gesamten Heidekreises, mitbezahlt durch das Steuergeld der abgehängten Nordkreisbewohner. Schnell könnten auch weitere öffentliche Einrichtungen dem Beispiel folgen. Auch die Ablehnungen unserer Anträge zur Wiedereinführung der alten Kfz-Kennzeichen SOL/FAL sind ein weiterer Hinweis darauf, dass man diesem Konflikt aus dem Weg gehen möchte.

Tanja Kühne (FDP): Als vor 15 Jahren Hinzugezogene gibt es für mich persönlich kein "Nord-Süd“ im Kreis. Zumal ich als Kreisvorsitzende und auch als Gruppenvorsitzende FDP/BürgerUnion immer Ausgleich und Wahrung aller Interessen im Blick habe. Ich bin im gesamten Kreis unterwegs. Als wir 2018 das Annemarie Thomae Jahr zur Ehrung unserer mittlerweile über 90 jährigen ehemaligen Landtagsabgeordneten ausriefen, schlugen mir aus Soltau, auch innerhalb unserer Partei, negative Wellen entgegen, die ihren Ursprung tatsächlich in den 70er Jahren haben. Es ist den vergangenen Verantwortlichen nie gelungen, alte Wunden um die Lage des Sitzes des Landkreis zu heilen. Wir sind zwar ein Kreis, halten aber viele Institutionen mit zwei Häusern vor: Kreissitz in Fallingbostel, Neubau Kreissitz in Soltau, BBS in Walsrode, BBS in Soltau (oder heißt es BBS in Soltau und BBS in Walsrode?). Geht es um Ausbau der Schulen, wird mit Argusaugen beobachtet, dass auch überall gleiche Summen investiert werden, alle Schulen gleiches Ausbaupotential bekommen.

Ja, es gibt einen Nord-Süd-Konflikt. Früher wurden Pfründe mit Schwert und Schild verteidigt und erobert, heute mit Geldfluss aus der Kreiskasse und dem scharfen Schwert des Wortes. Als heilender Verband dieser uralten Wundstelle ist nun der Neubau des Krankenhauses der Hoffnungsträger. Ein spezialisiertes Strategiebüro wird mit der Expedition beauftragt, DEN zentralen Standort im Kreis zu erforschen. Die nördliche Bevölkerung weiß es längst: Dorfmark ist es. Bis zum Empfehlungsbeschlusses des Aufsichtsrats wusste es auch die südliche Bevölkerung: Dorfmark. Erreichbarkeit ja, optimal wirtschaftlich nein. Ja und nun?

Thorsten Schröder (BU): Die Ziele für einen Krankenhaus-Neubau sind die Reduzierung der erheblichen Defizite, insbesondere jedoch die schnelle Erreichbarkeit für alle Bürger unseres Heidekreises. Was ist übrig geblieben von den Lippenbekenntnissen einiger verantwortlicher Kreistagsabgeordneter und Aufsichtsratsmitglieder? Man kann sich auf Gutachten berufen, jedoch müssen die beschlossenen Vorgaben Berücksichtigung finden. Warum haben sich dieselben Personen im Zuge der 2011 erfolgten Umstrukturierungen nicht an die gutachterlichen Empfehlungen gehalten? Da die finanziellen Mittel durch die Kommunen zur Verfügung gestellt werden, müssen auch alle Bürger die Möglichkeit haben „unser“ Kreiskrankenhaus schnell zu erreichen. Es ist nicht akzeptabel, dass viele Bürger aus den Städten und Gemeinden des Nordkreises hier einfach „abgehängt“ werden. Als Standort kann daher nur eine zentrale geografische Lage in Frage kommen. Somit muss der Standort nach unserer Überzeugung Dorfmark sein. Dies ist der Mittelpunkt des Kreises und für die meisten Bürger innerhalb der vorgegebenen 30 Minuten zu erreichen.

Vor der Entscheidung über einen Neubau und den Standort müssen jedoch alle Zahlen, Daten und Fakten auf den Tisch. Denn Transparenz und vollständige Informationen sind die Grundlage für kluge Entscheidungen. Leider gibt es hier noch Nachholbedarf und greifbare Aussagen, insbesondere zu den Kosten. Wir hoffen, dass insbesondere die Südkreispolitiker noch zur Vernunft kommen und die folgerichtige Entscheidung pro Dorfmark mittragen. Denn eines ist klar: Das neue Krankenhaus kann nur dann erfolgreich sein, wenn es die Akzeptanz aller Bürger im Heidekreis findet.

Foto Schild HKK.jpg
Reinhard Vorwerk