Klinik rechnet mit sinkenden Einnahmen
wu Soltau. Für die Krankenkassen ist die Sache klar: Angesichts eines Milliardendefizits wollen sie sparen, und zwar bei den Ärzten und den Kliniken. „Wir brauchen eine deutliche Senkung der Krankenhausausgaben“, hat Dr. Doris Pfeiffer, Chefin des Spitzenverbands der gesetzlichen Kassen, jetzt am Rande des Ärztetags in Dresden gefordert. Davon betroffen wäre auch das Heidekreis-Klinikum mit seinen Standorten Soltau und Walsrode. Mit den beiden Geschäftsführern Norbert Jurczyk und Peter Lehmann sprach BZ-Redaktionsmitglied Andres Wulfes über die Situation.
BZ: Die Krankenkassen fordern eine Senkung der Krankenhausausgaben. Was halten Sie davon?
Jurczyk: Wir sind froh, dass das nicht die Krankenkassen bestimmen, sondern der Gesetzgeber.
BZ:Warum?
Jurczyk: Weil der keine Senkung der Krankenhauskosten für 2010 beschlossen hat.
Lehmann: Wir sind bereits durch die Änderung des Krankenhausreformfinanzierungsgesetzes betroffen. Damit sind seit Beginn des Jahres die gesamten Morbiditätsrisiken, die Erhöhung des Schweregrads der Krankheiten, von den Krankenkassen auf die Krankenhäuser übertragen worden. Und das bedeutet ja schon ganz erhebliche Einsparungen für die Krankenkassen.
BZ:Was bedeutet das konkret für Sie?
Lehmann: Das können wir in diesem Jahr noch gar nicht abschließend feststellen, das regelt sich über den landesweiten Basisfallwert. Das Morbiditätsrisiko und Mehrleistungen dieses Jahres fließen in die Berechnung des Landesbasisfallwerts im nächsten Jahr ein. Unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Leistungen werden wir wahrscheinlich einen niedrigeren Landesbasisfallwert erhalten.
BZ: Macht Ihnen diese Entwicklung Sorgen?
Lehmann: Ja, das macht es. Wir befürchten, dass wir über genau diese Regelung zum Morbiditätsrisiko im nächsten Jahr mit einem niedrigeren Landesbasisfallwert rechnen müssen.
BZ: Das heißt, es kommt weniger Geld rein.
Lehmann: Genau.
BZ: 2008 haben sie erstmalig einen Jahresabschluss mit roten Zahlen vorgelegt. Wie sieht es aktuell aus – und gibt es angesichts der Finanzsituation auf Dauer Existenzprobleme?
Jurczyk: Existenzprobleme sehen wir dadurch nicht. Das Minusergebnis war erstmalig – und wir gehen davon aus, auch einmalig. Natürlich wurde ein ganzer Maßnahmenkatalog umgesetzt, um gegenzusteuern. Schwerpunkt war insbesondere die Leistungsausweitung. Die Prozesskosten zu optimieren, war der zweite Bereich, aber Erlösausweitung war der Hauptfaktor. Wir denken, dass wir damit 2009 erfolgreich gestaltet und mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen haben – also erst einmal wieder stabil dastehen.
BZ: Und für die Zukunft?
Jurczyk: Ich denke, 2010 ist für uns vor dem jetzigen Hintergrund der gesetzlichen Lage auch beherrschbar, und länger kann man im Gesundheitswesen sowieso nie planen. Die vergangenen 20 Jahre haben gezeigt, dass man allerhöchstens eine Planungssicherheit für ein, zwei Jahre hatte, und dann kam entweder wieder eine neue Hiobsbotschaft, die ein Umdenken erforderlich gemacht hat, oder es kam weniger dramatisch.
BZ: Wie sollte denn die Finanzierung in Zukunft aussehen, damit Sie Planungssicherheit haben?
Jurczyk: Wir finden beide, dass das fallbezogene Preissystem richtig ist, besser als der alte Pflegesatz. Durch dieses Preissystem haben wir auch mehr Transparenz im Leistungsgeschehen und damit mehr Akzeptanz. Vorher wurde alles einheitlich unter einer Übernachtung abgebildet, so wie im Hotel. Heute sieht man, dass Krankenhäuser etwas leisten, nämlich ganz differenzierte Leistungsbilder, von der normalen Geburt bis hin zum Schlaganfall oder der Hüft-Endoprothese. Was wir nicht unterstützen können, ist, dass das Morbiditätsrisiko auf uns abgeladen wird. Denn wir haben künftig auch in unserem Kreis das Risiko, dass die Gesellschaft durch die demografische Entwicklung älter wird, und je mehr alte Menschen es gibt, desto mehr Krankenhausfälle wird es geben. Jeder normale Unternehmer freut sich, dass hier ein zukünftiger Umsatzzuwachs kommt, über den man eben sein Unternehmen sichern kann. Aber bei uns reagiert der Gesetzgeber sofort, dieser Umsatzzuwachs wird beschnitten, und wir müssen dieses Risiko tragen. Wir können uns dagegen nicht wehren, aber unfair ist es schon.
Lehmann: Was wir brauchen, ist eine verlässliche Krankenhausfinanzierung, nicht nur eine, die alle zwei Jahre und öfter geändert wird, denn damit können Krankenhäuser einfach nicht planen. Die Finanzierung sollte ganz klar leistungsbezogen sein. Natürlich müssen wir auch Überdeckungen erwirtschaften können. Wir haben eine gute Ausstattung, aber für Investitionen wird es künftig immer weniger Fördermittel geben. Für diesen Bereich müssen wir Geld ansparen und reinvestieren.
BZ: Nun rechnet sich ja nicht unbedingt jede Leistung auch. Ist daher unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch mit der Einschränkung bei einigen Krankenhausleistungen zu rechnen?
Jurczyk: Gerade ein Regionalversorger wie wir muss aus dem Leistungsmix heraus leben. Ich würde es fatal finden, wenn man rein nach Kostengesichtspunkten Leistungen der Grund- und Regelversorgung, die hier vor Ort notwendig sind, unter dem materiell kostenrechnenden Aspekt rausschmeißt, und sagt, dafür geh mal woanders hin – und als Klinik nur von den Leistungen lebt, die kostendeckend sind oder sogar Überschüsse erbringen. Hier muss man als Versorger vor Ort einkalkulieren, dass man einen vernünftigen Mix an Leistungen hat und nicht nur Rosinenpickerei betreibt.