Förderung ist einmalige Chance
Von Reinhard Vorwerk
Bad Falingbostel. Als Vorsitzender des Kreistages für den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzungen zuständig, hält sich Friedrich-Otto Ripke (CDU) mit eigenen Beiträgen meist zurück. Nur selten gibt er die Regie ab, um sich selbst an der Aussprache zu beteiligen. Am Freitagnachmittag war so ein Moment gekommen. Die Debatte über die Zentralisierung des Heidekreisklinikum war knapp eine Stunde im Gange, da musste Stellvertreterin Franka Strehse (SPD) kurz übernehmen. Einiges von dem, was bisher gesagt wurde, sei beschämend, sprach Ripke von unfairen Vorwürfen, und stellte fest, dass „Ignoranz kein guter Ratgeber“ ist.
Gerichtet waren Ripkes Worte nicht an politische Gegner, sondern an zwei seiner Parteifreunde: die Walsroder CDU-Kreistagsabgeordneten Dr. Hans-Joachim Wangnick und Torsten Söder. Wangnick hatte gegen den HKK-Aufsichtsrat und vor allem gegen Geschäftsführer Dr. Christof Kugler geätzt und dabei einen biblischen Vergleich gewählt. „Als Mann, der übers Wasser schreiten kann“, sei Kugler empfangen worden, konnte die in ihn gesetzten Erwartungen aber nicht erfüllen. Immer wieder habe er vom bevorstehenden Turnaround, der Wende zum Guten, beim HKK gesprochen, doch der sei nicht eingetreten, wofür Kugler immer neue Begründungen gefunden habe. Folge sei ein Defizit von zuletzt zwölf Millionen Euro, das der Landkreis tragen müsse. Auch er sei für eine Zentralisierung des Klinikums, so Wangnick. Die sollte aber nicht mit einem Neubau auf der grünen Wiese realisiert werden, der den Kreis zusätzlich 50 Millionen Euro kosten und an den Rand finanziellen Handlungsunfähigkeit bringen würde, sondern in Walsrode, „einem der modernsten Krankenhäuser Niedersachsens“, wie er meint.
Mit heißer Nadel gestrickt und einseitig sei der Beschlussvorschlag. „Eine Alternativplanung ist nicht vorgesehen“, legte Söder nach. Auch er warf HKK-Aufsichtsrat und dem Geschäftsführer Versagen vor. Ob es die Zurechtweisung durch den Vorsitzenden war, sei dahingestellt. Doch am Ende stimmten auch Wangnick und Söder nicht gegen den Beschlussvorschlag, sondern enthielten sich, wie zwei AfD-Vertreter, so dass es doch zu dem von den Befürwortern erhofften „breiten Zustimmung“ als deutliches Zeichen nach Hannover kam. Chancenlos war Klaus Kunolds Vorschlag, mit dem Antrag an die Landes-Krankenhausplanungskommission noch zu warten und zunächst Details zu einem Klinikneubau zu klären. „Man kann die 200 Millionen Euro nicht reservieren“, hielt Sebastian Zinke (SPD) dem Walsroder WBL-Mann entgegen. Alle übrigen Redner waren sich einig: Die vom Land in Aussicht gestellten Förderung für ein neues Krankenhaus sei eine einmalige Chance, die der Landkreis unbedingt nutzen, es zumindest versuchen müsse, auch wenn das alles sehr kurzfristig sei.
Unterlagen müssen bis April beim Land vorliegen
„Die Zeit drängt“, hatte bereits eingangs der Debatte der Landrat betont. „Wir brauchen heute Klarheit, ob wir Dr. Kugler mit dem Antrag beauftragen sollen“, betonte Manfred Ostermann. Bis April müssen die Unterlagen in Hannover beim Sozialministerium vorliegen. Nur darum gehe es an diesem Tag. Alles weitere, insbesondere eine Standortdiskussion, „wäre zum jetzigen Zeitpunkt Kaffeesatzleserei“. So sieht es auch Hermann Norden: „Es bleiben eine ganze Reihe von Fragen.“ Auch die über einen Standort für einen Klinikneubau müsse zu einem späteren Zeitpunkt rational und planerisch objektiv beantwortet werden, sagte der CDU-Fraktionschef, der auch Chef des HKK-Aufsichtsrats ist. Nach seiner Aussage zeigt die Schwerpunktbildung des Klinikums positive Wirkung. Das würden steigende Leistungszahlen belegen. Doch müsse man angesichts eines Versorgungsgrades unter 50 Prozent konstatieren, dass dem Klinikum die ausreichende Akzeptanz in der Öffentlichkeit fehlt.
„Absolut gut“ findet es Dr. Hans-Peter Ludewig, dass die Bevölkerung früh in die Überlegungen eingebunden wurde. Er empfahl die Emotionalität aus der Diskussion zu nehmen und „heute erstmal Ja zu sagen“. „Es geht nicht um die Menschen in Walsrode oder Soltau, sondern um die Menschen im gesamten Heidekreis“, machte Sebastian Zinke deutlich, dass jetzt nicht der Zeitpunkt für die Standortdiskussionen sei. Auch der stellvertretende HKK-Aufsichtsratsvorsitzende sprach von Fortschritten durch die Zusammenlegung von Abteilungen. Aber: „Die Menschen im Landkreis akzeptieren die beiden Einrichtungen nicht“. Nur die Zusammenfassung unter einem Dach könne die Wende bringen, ist er überzeugt: „Ein Versorgungsgrad von 65 Prozent wäre ausreichend.“
Er sei mit der Hoffnung auf eine einmütigen Beschluss in die Sitzung gekommen, so Fritz-Ulrich Kasch (FDP), der mit einem nicht ganz ernstgemeinten Beitrag zur Standortdebatte etwas Heiterkeit in die ansonsten engagiert geführte Debatte brachte: Er schlug das Gelände der ehemaligen Endo-Klinik Wintermoor vor. Die AfD-Fraktion werde den Antrag mehrheitlich unterstützen, aber nicht einstimmig, kündigte ihr Sprecher Bernhard Schielke an. Er persönlich sei dafür, denn: „Wer nichts riskiert kann auch nichts gewinnen.“ Klaus Grimkowski-Seiler (BU) dankte dem HKK-Aufsichtsrat und -Geschäftsführung sowie der Kreisverwaltung für die „schnelle Info“ nach Bekanntwerden einer Neubauoption.
Fehlende Sachkenntnis hielt Gudrun Pieper (CDU) den Kritikern der Neubauplanung entgegen. Werner Schoppan (BBB) möchte lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende: ein neues, wettbewerbsfähiges Krankenhaus statt dauerhaft hohe Defizitzahlungen des Landkreises. Für Tanja Kühne (FDP) ist die Situation von Déjà vu. Als sie vor zehn Jahren in die Kommunalpolitik eingetreten sei, war die Krankenhausfrage ein beherrschendes Thema im Heidekreis, „und bis heute hat sich daran nichts geändert“. Er habe den Eindruck „im Himmel ist Jahrmarkt“, brachte SPD-Fraktionschef Dieter Möhrmann seine Einschätzung zu einigen Aussagen in der Diskussion auf den Punkt und stellte klar: „Ohne weitere Zentralisierung werden wir den Einwohnern des Heidekreises kein adäquates Krankenhausangebot machen können.“ Dafür brauche es ein breites Votum, „möglichst eine einmütige Entscheidung des Kreistages für den Antrag“.
Das Schlusswort war Silke Thorey-Elbers (CDU) vorbehalten. „Wir tragen die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung aller Bürger des Heidekreises“, forderte die Soltauerin die Kollegen auf, „Einmütigkeit zu zeigen, um dem Heidekreis eine einmalige Chance offenzuhalten und die Grundlagen zu schaffen für die Beantwortung aller Fragen.“
Infobox: Zentraler Neubau
Bei vier Enthaltungen hat der Kreistag am Freitagaben den ersten Schritt für eine Zentralisierung des Heidekreis-Klinikums gemacht: Danach soll die Geschäftsführung beim Land eine Förderung von bis 200 Millionen Euro beantragen, um die Klinik an zentraler Stelle nahe der Autobahn neu zu bauen, die beiden bisherigen Krankenhäuser Soltau und Walsrode sollen dann zum 1. Januar 2023 aufgegeben werden. Ob das Geld fließt, entscheidet der Krankenhausplanungsausschuss im Juni. Wenn er zustimmt, soll die genaue Planungsphase, auch mit Standortsuche, beginnen. Der Neubau soll dem kreiseigenen Unternehmen aus der finanziellen Misere helfen. bz