Ein etwas anderes Hobby

Kein Fall mehr für den Staatsanwalt: Cannabis-Plantagen dürfen jetzt legal betrieben werden.

Böse Zungen unterstellen Schützenvereinen oder Fußballfanclubs ja gerne einmal, ihr eigentlicher Vereinszweck sei der Alkoholkonsum. Das ist natürlich üble Nachrede. Bei Cannabis-Social-Clubs (CSC) ist es indes anders, sie existieren tatsächlich ganz offiziell, um ihren Mitgliedern legalen Drogenkonsum zu ermöglichen. Aber nicht nur. „Wir wollen Menschen zusammenbringen“, verweist Patrick Dietze, einer der beiden Vorsitzenden des CSC Heidekreis, auf die soziale Komponente seines Engagements.

Die Motivation zur Clubgründung liegt tatsächlich nicht so offenkundig auf der Hand, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Schließlich kostet die Vereinsarbeit Zeit, und Cannabis lässt sich auch über andere Kanäle beziehen. Die lange Kriminalisierung hat nicht verhindert, dass die Zahl der Konsumenten steigt. Der Schwarzmarkt bot und bietet ein ausreichend großes Angebot. Besondere kriminelle Energie brauchten Konsumenten auch bislang nicht an den Tag zu legen, um sich zu versorgen. Nun erlaubt die Rechtslage auch den Eigenbau auf dem heimischen Balkon oder der Terrasse, drei Cannabis-Pflanzen pro Person, dazu muss niemand einem Verein beitreten.

Doch es gehe auch darum, Stigmatisierung zu überwinden und sichtbar zu werden, erläutern die Clubvorsitzenden im Gespräch. „Wir sind Pioniere“, sagt einer der beiden und verweist darauf, dass das Thema Cannabiskonsum gerade im ländlichen Raum nach wie vor oft tabuisiert werde, ganz im Gegensatz zum Tabak und vor allem zum Alkohol. „Da wird mit zweierlei Maß gemessen“, ärgert er sich angesichts der großen gesellschaftlichen Schäden durch seit jeher legale Drogen, „60000 Alkoholtote pro Jahr in Deutschland“. Auch die jetzt erreichte Teil-Legalisierung beende die rechtliche Ungleichbehandlung nicht, reduziere sie aber wenigstens. Die nun entstehenden Cannabis-Vereine könnten eine Entwicklung anstoßen, an deren Ende lizenzierte Geschäfte stehen, in denen die Droge legal verkauft wird. Solange die Politik dazu nicht bereit sei, werde es nicht gelingen, den Schwarzmarkt auszutrocknen. Von diesem distanzieren sich die Clubvorsitzenden. Unter anderem deshalb, weil Cannabis erst durch kriminelle Dealer zu einer Art Einstiegsdroge gemacht werde. „Die haben auch härtere Sachen im Angebot und bieten das dann gerne mal zum Probieren an“, sagt Dietze. Cannabis gerate dadurch in ein falsches Licht, werde in der öffentlichen Wahrnehmung ständig mit Kokain, Heroin und anderen Rauschmitteln verglichen. „Cannabis ist ein Genussmittel wie Tabak und Alkohol“, halten die Vorsitzenden dagegen. Die Verbotspolitik habe das Image der krautigen Pflanzen und ihrer Blüten beschädigt, sie in einen falschen Kontext gestellt.

„Jeder ist im Verein willkommen, außer Menschen mit krimineller Ader“, sagt Dietze. Social-Clubs sind potenziell auch für Leute interessant, die das dort angebaute Cannabis draußen verticken wollen oder andere Tricksereien im Schilde führen. Damit will der Soltauer Club nichts zu tun haben. Anbauvereine dürfen keine Gewinne erzielen und keine kommerziellen Interessen verfolgen. Kriminelle Machenschaften und windige Mitglieder können die Lizenz in Gefahr bringen. Das nehme man sehr ernst, heißt es in Soltau. „Unsere Mitglieder sind alle seriöse Personen, die arbeiten und ihre Steuern zahlen“, sagt der zweite Vorsitzende.

Redet er über den anstehenden Cannabis-Anbau, klingt er ein bisschen wie ein Kleingärtner oder Oldtimerfan. Da geht es um Fragen der Bewässerung und verschiedene Cannabis-Sorten, um Elektrik und die richtige Temperatur für optimales Pflanzenwachstum. Man kann sich die Vereinsmitglieder beim Fachsimpeln vorstellen. Es geht nicht nur um den Rausch. „Es ist definitiv auch ein Hobby“, sagt der Clubchef.

Augenblick mal: Wenn auch die Amateure kiffen

Harald Juhnke bemerkte einmal, Silvester zu hassen. „Da saufen auch die Amateure“, lautete seine Begründung. Bei der Beschäftigung mit dem Thema Cannabis-Legalisierung musste ich an diesen schönen, trotzig-zeitlosen Satz des alkoholkranken Entertainers denken. Auch wegen solcher Sprüche wurde er zur Legende.

Vielleicht war es nur ein Gag des professionellen Spaßmachers, mehr nicht. Einen Nerv hat er aber getroffen, sonst würden sich nicht so viele Menschen auch fast 20 Jahre nach dem Tod des Berliners noch an dessen Bonmot erinnern. Für mich beschreibt der Satz das wohlige Gefühl von Exklusivität. Gehegt von Eliten, wirkt sowas schnell unsympathisch. Beim sündenstolzen Trinker, der sich von vernünftigen, einmal im Jahr geplant über sie Stränge schlagenden Möchtegerntrinkern abgrenzt, liegt der Fall ein bisschen anders. Wir würden ihm kein Geld leihen, lieben ihn aber irgendwie trotzdem.

Auch Kiffen büßt durch die Legalisierung gewissermaßen an „Exklusivität“ ein. Man holt sich sein Gras im Vereinsheim, dessen Adresse im Internet steht, statt beim Dealer, den man nur beim Vornamen kennt und mit dem man sich in 007-Tarnsprache „auf einen Kaffee“ verabredet, wenn man was braucht. Gut, dass die Kriminalisierung endlich ein Ende hat, könnte man sagen. Auch gut, könnte man rational fortfahren, dass Cannabis den Reiz des Verbotenen verliert und Jugendliche sich mit einem Joint in der Hand nicht mehr so verdammt cool fühlen. Jede Gegenrede wäre wohl reines Sentiment.

Andre Ricci