„Wir beschäftigen Menschen aus 30 Nationen“
Volker Meyer ist Präsident des Arbeitgeberverbandes Lüneburg- Nordostniedersachsen.
Über ein Mangel an Herausforderungen muss sich die Wirtschaft derzeit nicht beklagen. Volker Meyer, Chef des Traditionsunternehmens Heinrich-Meyer-Werke in Breloh und Präsident des Arbeitgeberverbandes Lüneburg-Nordostniedersachsen, hat in seinem Betrieb frühzeitig auf die Integration von Geflüchteten und Arbeitskräften aus dem Ausland gesetzt. Im BZ-Gespräch berichtet er von den Herausforderungen und Erfolgen bei der Beschäftigung von Menschen aus 30 Nationen und schildert, wie es durch gezielte Unterstützung und Netzwerke gelungen ist, Fachkräfte auch außerhalb Europas zu gewinnen. Meyer hebt hervor, dass Sprachbarrieren und Bürokratie überwunden werden können, wenn Betriebe frühzeitig in die Integration investieren und eine offene Unternehmenskultur pflegen. Gleichzeitig plädiert er für mehr Unterstützung kleinerer Betriebe durch Arbeitgeberorganisationen und den Staat, um dem Fachkräftemangel wirksam zu begegnen.
Geflüchtete in Arbeit zu bekommen, scheint weiterhin eine große Herausforderung zu sein. Immer noch lernen die Menschen nicht schnell genug die deutsche Sprache oder es hakt an anderer Stelle. Wie sind denn Ihre Erfahrungen in Ihrem Unternehmen?
Volker Meyer: Sie haben genau das Thema angesprochen: Dieser Staat, das ist eigentlich die Hürde. Wir haben damals begonnen mit den ersten Immigranten. Da hat sich herausgestellt, dass nicht nur die Sprache eine Hürde ist, sondern auch die Bürokratie mit den ganzen Folgen. Aber wir haben es geschafft, heute im Betrieb Menschen aus 30 Nationen zu beschäftigen.
Wirklich aus 30 Nationen?
Ja. Für uns ist es heute die Selbstverständlichkeit. Und das bedeutet auch, wenn wir heute jemanden mit den üblichen Sprachen dazu bekommen, dann wird dieser von Mitarbeitern unterstützt, die seine Landessprache sprechen. Und somit sind die eben nicht Fremde in dem Betrieb, sondern schließen schnell Kontakte.
Brauchen sie dann kein Deutsch?
Bei uns im Betrieb wird Deutsch gesprochen. Das ist klar, das ist die Hauptbetriebssprache. Aber sie können angelernt werden in einer anderen Sprache, sie lernen dadurch zudem schneller Deutsch. Leute, die bei uns integriert werden, sprechen schneller und besser unsere Sprache. Natürlich ist das auch von jedem einzelnen abhängig, ob er introvertiert ist oder extrovertiert. Aber wir kommen eigentlich nach kurzer Zeit gut mit diesen Personen zurecht.
Also hat es sich eigentlich gelohnt, früh anzufangen, Geflüchtete einzubinden und früh auch Erfahrungen zu machen?
Das hat sich sicher gelohnt. Allerdings haben wir jetzt eine Phase im Bau, wo kein neues Personal benötigt wird, aber davor war eben absolut der Wachstumbereich.
In dem Sie keinen Fachkräftemangel beklagten?
Wir kriegen im Wesentlichen Mitarbeiter durch Mund-zu-Mund-Propaganda.
Wie das denn in unserer Region?
Wir können sagen, wir bekommen, auch wenn es jetzt ein bisschen übertrieben klingt, weltweit über Mund-zu-Mund-Propaganda Personal. Wenn wir neues Personal suchen, sprechen wir unsere Mitarbeiter an, aber nicht nur die aus der Region, sondern aus anderen Ländern wie Albanien oder Polen und fragen, gibt es nicht jemanden in deiner Verwandtschaft, gibt es nicht einen Bekanntenkreis, die haben ja ihre Familien da, gibt es da nicht Personen, die interessiert sind, die bei uns arbeiten wollen. So war es auch mit Menschen aus der Türkei. Wir haben ein oder zwei Türken beschäftigt, die waren zu Hause in dem Erdbebengebiet und haben uns angesprochen, ob wir Mitarbeiter benötigen. Bei ihnen sei alles schwer geworden, die Betriebe sind betroffen, dort gibt es keine Arbeit. So haben wir alles vorbereitet, dass die hier in Deutschland arbeiten können. Und so sind diese Kontakte da, so hat man das Netzwerk. Deshalb ist das ein Riesenunterschied zu einem Unternehmen, das erst anfängt, Menschen aus anderen Ländern zu beschäftigen. Bei uns ist es schon eine Selbstverständlichkeit.
Also hatten Sie überhaupt keine Probleme, Fachkräfte zu bekommen, als Sie sie benötigten?
Zum Ende, in der Phase, wo wir nur noch wenige neue Mitarbeiter brauchten, hatten wir in der Regel 30, 40 Initiativbewerber für verschiedenste Bereiche.
Das klingt nach einem guten Konzept?
Natürlich spielt auch eine Rolle, dass wir tariflich gebunden sind und eben auch einen fairen Lohn bezahlen, somit sind wir auch daher nicht uninteressant. Aber im Wesentlichen haben wir Erfolg dadurch, dass wir die Kontakte haben und wir eben auch durch solche Themen, wie ich es geschildert habe, in die Zukunft denken. Das ist natürlich für einen Mitarbeiter auch spannender, als wenn eine Firma eher traditionell aufgestellt ist.
Aber gerade für kleine Handwerksbetriebe, die Mitarbeiter suchen, für die ist natürlich aller Anfang dann doppelt schwer, oder?
Bedingt durch meine öffentliche Aufgabe habe ich natürlich auch mit solchen Betrieben Kontakt und erfahre, welche Schwierigkeiten sie haben, welche Furcht, auch vor den Behördengängen. Und teilweise blocken sie dann auch das Thema ab, weil es nicht so einfach ist. Man muss einfach wissen, wie es geht.
Wie geht’s?
Es geht eigentlich fast alles über Vorrangberufe, die es in Deutschland gibt, und wenn man die im Betrieb hat, kann man eben über diese Möglichkeit auch im außereuropäischen Ausland Mitarbeiter gewinnen.
Haben Sie gehört, dass die Diskussion über Migranten, wie sie in Deutschland geführt wird, vielleicht auch viele daran zweifeln lässt, hierher zu kommen, weil sie sich sorgen, vielleicht nicht so freundlich empfangen zu werden, wie man sich das vorstellt?
Die AfD ist natürlich sehr negativ für Deutschland, außer Frage, gerade für dieses Potenzial, das wir dringend brauchen. Da sind wir eben gut beraten, dass wir viel aufklären und erklären zum Fachkräftebedarf.
Also Sie haben davon gehört, dass es tatsächlich Menschen abhält, nach Deutschland zu kommen, sie vielleicht doch ein anderes Land bevorzugen?
Ja, zumindest in den Gegenden, wo die AfD schon sehr stark ist und ihre Positionen publiziert.
Also man versucht zu vermeiden, in die ostdeutschen Bundesländer zu kommen, zum Beispiel?
Also hier in Niedersachsen ist mir das nicht bekannt. Mir ist auch nicht bekannt, dass unsere Mitarbeiter, die auch verschiedene Hautfarben haben, dass sie irgendwo Nachteile haben. Klar ist es so, dass da mehrere aus den Familien hier sind, dass sie eben unter sich sind. Privat kenne ich da jetzt nicht genau die Hintergründe, aber meines Wissens sind eben keine Sorgen da oder keine Probleme da, innerbetrieblich und so nicht. Auch die Dinge zwischen Ukraine und Russland. Wir haben Ukrainer und Russen. Man diskutiert mal darüber, aber das ist dann eben maximal eine unterschiedliche Meinung.
Fehlt trotzdem noch mehr Unterstützung vom Bund, Land oder sogar vom Landkreis?
Ganz klar bei den kleineren Firmen, da bedarf es Unterstützung, da braucht es Hilfeleistung, aber auch durch Arbeitgeberorganisationen, da ist eben auch der Arbeitgeberverband zuständig. Wir haben dafür eine Person eingestellt. Sie soll unsere Mitglieder darüber informieren, unterstützen, wie sie gerade in diesem Bereich rund um Fachkräfte aus dem Ausland aktiv werden können.
Wie hoch ist denn aus Ihrer Sicht der Bedarf an neuen Mitarbeitern im Heidekreis?
Das weiß ich nicht. Wichtig aber ist, dass es einer Gemeinschaft bedarf, auch unter Unternehmen, die sich austauschen, ein gemeinsames Konzept entwickeln, die vorangehen in Zusammenarbeit mit Berufsverbänden oder Arbeitgeberverbänden. Bei kleineren Betrieben muss es die Gemeinschaft sein, größere Betrieben, die den Mut haben, Fachkräfte aus dem Ausland einzustellen, müssen den ersten Schritt machen, beim zehnten ist es gar nicht mehr so schwer.
Haben Sie in Ihrer Firma jemanden, der speziell dafür zuständig ist, oder ist das einfach jetzt ein Selbstläufer?
Die Abwicklung macht meine Schwester und da ist eben die totale Routine schon eingekehrt.