„Ich nehme meine Finanzen selbst in die Hand“

Orientierung im Finanzdschungel soll der Finanzführerschein bieten. Am Gymnasium Soltau ist das Projekt Teil mehrerer Projekte zur Zukunftsorientierung.

Mathe, Latein, Deutsch, Sport und Geschichte. Der Stundenplan von Schülerinnen und Schülern ist voll. Nicht alles, was sie später gut gebrauchen können, passt da rein. Im Bereich Finanzbildung hat sich die Volkshochschule Heidekreis zusammen mit den beiden Kreissparkassen aufgemacht, die Schulen zu unterstützen. Und dafür im vergangenen Jahr einen Finanzführerschein entwickelt.

Das Workshop-Angebot richtet sich an die allgemeinbildenden Schulen im Landkreis. Hauptzielgruppe sind Schülerinnen und Schüler der neunten bis elften Klasse. Die Projekttage beinhalten die Themenfelder: Umgang mit Geld, Grundlagen der Geldanlage, Kryptowährungen und Altersvorsorge, Versicherungen und Kredite. Finanziell unterstützt wird der Finanzführerschein durch die beiden Sparkassenstiftungen Soltau und Walsrode.

In den vergangenen Wochen haben die elften Klassen des Gymnasiums Soltau das Programm durchlaufen. Der Finanzführerschein ist hier Teil des Vorhabens, Projekte in den Schulalltag aufzunehmen, die den Schülern neben den schulischen Inhalten einen weiteren Mehrwert für ihre Zukunftsorientierung bieten. Das kommt bei den Schülern an. „Ich finde die Idee des Finanzführerscheins gut, weil Finanzen ein wichtiges Thema im Leben sind“, sagt Elftklässler Anton. Der Finanzführerschein soll für die Jugendlichen ein erster Einstieg in die oft als unübersichtlich und kompliziert empfundene Finanzwelt sein. Das hat aus Sicht der Schüler geklappt. „Frau Meyland hat alles so erklärt, dass es jeder verstanden hat“, sagt Paul.

Die Dozentin Gesa Meyland arbeitet an der Volkshochschule und findet vor allem das Thema Schuldenprävention wichtig. Die Schüler selbst interessierten sich häufig besonders für die Frage, wie man Geld anlegen könne. Gleichzeitig seien oft die Grundbegriffe noch nicht bekannt. Darum, was sich genau hinter der Börse verbirgt, was eigentlich Aktien sind und was Dax 40 bedeutet, geht es deshalb beim Finanzführerschein auch. Das von Schülerinnen und Schülern oft gewünschte Thema Steuern sei schwer in einem Workshop zu vermitteln, sagt Gesa Meyland: „Das ist ein total individuelles Thema und deshalb schwer zu verallgemeinern.“

Grundbegriffe der Finanzwelt werden geklärt

Auch Nele hat beim Stichwort Finanzführerschein erst einmal an Steuern gedacht. Dass es dann aber um andere Themen ging, hat die Schülerin nicht abgeschreckt. „Ich habe mich gefreut, dass wir uns mit diesen Themen in der Schule befassen“, sagt sie. Für Finja war es der erste Kontakt mit der Finanzwelt: „Ich finde es super, dass wir die Begriffe wie Aktien oder ETFs besprochen haben.“

Investments und Kryptowährungen haben ihren Mitschüler Anton am meisten interessiert. „Ich fand es spannend, dass Kryptowährungen noch keine echten Währungen sind.“ Für Paul war es überraschend, dass auch Versicherungen Thema beim Finanzführerschein sind. Wie wichtig das Thema aber ist, zeigt eine Frage von VHS-Geschäftsführerin Dr. Katharina Rogge-Balke an die Schüler. Sie interessiert, ob die Jugendlichen schon vor dem Projekt wussten, wie bedeutend eine private Haftpflichtversicherung ist. Paul, Anton, Nele und Finja verneinen, das sei etwas, was sie erst beim Finanzführerschein gelernt hätten. Für Rogge-Balke auch Bestätigung, dass das Finanzbildungsangebot der VHS gebraucht wird: „Toll, dass dieses Wissen so in der Schule einen Ort findet.“

Beim Finanzführerschein der VHS werden die Themen auf die jeweilige Schule und Altersstufe der Schüler abgestimmt. Am Gymnasium Soltau standen die Themen Investments, Versicherungen und Kredite im Fokus. Wie Dozentin Meyland ist auch Politiklehrerin Michelle Simper das Thema Schuldenprävention besonders wichtig. „Viele unserer Schülerinnen und Schüler wollen nach dem Abitur studieren und ein Studium kostet nun mal viel.“ Wer sich das aktuell voll mit einem KfW-Studienkredit finanziere, könne leicht in eine Schuldenfalle geraten. Dieses Wissen frühzeitig ihren Schülern zu vermitteln, ist der Lehrerin wichtig. Für Zusatzthemen Zeit im Lehrplan zu finden sei aber schwierig. „Die Zeit in einem Schuljahr ist knapp und die Lehrpläne voll.“

Die Kritik, dass in der Schule Lebenspraktische Inhalte zu knapp kommen, gibt es immer wieder. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hat für eine Studie gefragt, welche Inhalte nach Meinung der Befragten in der Schule gelehrt werden sollten. Über die Hälfte antwortete, dass Benehmen ein Pflichtfach werden sollte. Fast jeder Zweite, 49 Prozent, würde demnach das Fach Berufs- und Studienorientierung verpflichtend einführen wollen und für 48 Prozent sollte Wirtschaft künftig allgemeingültig unterrichtet werden. Die Mehrheit der Befragten fände außerdem Fächer wie Gesundheitskunde, Programmieren und Suchtprävention sinnvoll. Ein Drittel der Befragten findet außerdem, dass Medienkunde an den Schulen unterrichtet werden sollte. Jeder Fünfte nannte bei der Studie die Fächer Kochen und Geldanlage.

Einige Schulen entscheiden sich dafür, für diese Themen eigene Fächer einzuführen. Die Taunusschule in Bad Camberg in Hessen bietet zum Beispiel das Schulfach „Fit for life“ an. Steuern, Finanzen, Kochen und Putzen stehen hier auf dem Lehrplan. Bundesweit aktiv ist eine Initiative, die Finanzbildung an Jugendliche bringen will. Beim Zukunftstag dreht sich alles um Themen wie Steuern, Finanzen, Miete und Krankenversicherungen. Ganz ähnlich zum Finanzführerschein der Volkshochschule.

Ein solches Angebot hätte sich die Politiklehrerin früher selbst gewünscht. „Es kann ganz schön anstrengend sein, sich alleine durch diesen Dschungel an Informationen zu kämpfen. Sich da schon einen Überblick in der Schule verschafft zu haben, hilft im Erwachsenenalter“, sagt Simper.

Sie hat beim Thema Finanzbildung außerdem gerade die Schülerinnen im Blick. „Noch immer spielen Klischees da eine große Rolle, egal, ob es darum geht, in diesem Bereich zu arbeiten oder sich überhaupt mit Finanzthemen auseinanderzusetzen“, sagt Simper. Gerade für die Mädchen wünsche sie sich deshalb, dass die sich nach dem Projekt trauen zu sagen: „Ich nehme meine Finanzen selbst in die Hand.“

Drei Viertel wünschen sich Wirtschaft in der Schule

30 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 14 und 24 Jahren sagen, dass sie an ihrer Schule so gut wie nichts über Wirtschaft und Finanzen gelernt haben. 38 Prozent sagen, dass sie „nicht so viel“ zu diesen Themen gelernt haben. 32 Prozent geben an, sie hätten in ihrer Schule viel zu Wirtschaft und Finanzen gelernt. Das sind einige der Ergebnisse der Jugendstudie 2021 des Bankenverbands. 76 Prozent der 14- bis 24-Jährigen wünschen sich außerdem, dass die Vermittlung von wirtschaftlichen Zusammenhängen in der Schule einen höheren Stellenwert hat. Drei Viertel plädieren für die Einführung eines eigenen Schulfachs „Wirtschaft“ in allen Bundesländern. 18 Prozent sind dagegen und 5 Prozent der Befragten haben oder hatten das Fach in der Schule. Themen, die sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen für den Unterricht wünschen, sind unter anderem der Umgang mit Geld (87 Prozent), Möglichkeiten der Altersvorsorge (81 Prozent) und das Wirtschaftssystem und die Rolle der Unternehmen (76 Prozent).

Janika Schönbach