Neues Standbein: Landwirt aus Gröps setzt auf Hanf

Jan Winkelmann untersucht die Blüte einer Hanfflanze, an der die dunkle Färbung bereits langsam einsetzt. Foto: vo

Wer in den vergangenen Wochen auf der Kreisstraße 33 zwischen Schneverdingen und Wolterdingen unterwegs war, hat sich vielleicht beim Blick auf die Felder über eine hier bisher kaum zu sehende Pflanze gewundert. Manch einer könnte sie aufgrund der markanten Form der Blätter auch erkannt, aber nicht unbedingt im freien Anbau auf diesem Acker vermutet haben: Es ist Hanf, den Junglandwirt Jan Winkelmann als Zwischenfrucht nach der Getreideernte eingesät hat. Mit dem Anbau und der Vermarktung des Fasergewächses möchte der 32-Jährige ein neues wirtschaftliches Standbein für den Betrieb in der kleinen Ortschaft Gröps entwickeln. Obwohl Hanf als Kulturpflanze eine lange Tradition hat, ist da vieles noch im Erprobungsstadium, müssen Erfahrungswerte gesammelt werden.

Hanf war im 17. und 18. Jahrhundert ein wichtiger Rohstoff auf dem Weltmarkt, geriet aber immer weiter ins Abseits, auch wegen eines Inhaltsstoffs. Man unterscheidet zwischen Nutzhanf sowie Hanf, dessen weibliche Pflanzen insbesondere in den Blüten größere Mengen des berauschenden Inhaltsstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, bekannter als Cannabis. Nutzhanf hat nur sehr geringe Gehalte an THC. Dennoch unterliegt generell der Anbau von Hanf in vielen Ländern einer strengen staatlichen Kontrolle. Seit 1929 war Cannabis in Deutschland verboten, von 1982 an auch der Anbau von Faserhanf. Nach der umstrittenen Freigabe durch die Bundesregierung darf Cannabis in kleinen Mengen legal angebaut werden – „für den Eigenverbrauch“, wie es heißt, maximal drei weibliche Pflanzen pro erwachsener Person.

Damit hat Winkelmann nichts am Hut. Gemeinsam mit einem Wolterdinger Berufskollegen baut er in diesem Jahr erstmals Nutzhanf, Cannabis Sativa, an – als Vertragspartner eines Unternehmens aus den Niederlanden, das nach eigenen Angaben elementare Textilfasern aus Bastfaserpflanzen wie Leinen, Brennnesseln und eben auch Hanf produziert.

Die beiden Landwirte haben sich zusammengetan, weil mindestens 15 Hektar zusammenkommen müssen, damit der Lohnunternehmer aus Wittingen nach dem Jahreswechsel mit seiner Erntemaschine anrückt. Mit einem Maishäcksler-Vorsatz werden die faserigen Stängel geerntet, im Schwad abgelegt und gehen durch eine Presse. Etwa acht bis 10 Großballen kommen je Hektar zusammen. Die werden in einer Scheune gelagert und im Mai per Lkw zur Verarbeitung nach Holland gebracht.

Das Wetter müsse mitspielen, nennt der Landwirt eine Voraussetzung für die Ernte von Winterhanf: „Da muss einmal richtig Frost durch“, damit die Pflanzen eine schwarze Färbung bekommen. Fachleute sprechen von der Röste. Sonst wird es schwierig, sie zu ernten. Die Stängel der zwischen drei, manchmal auch vier Meter hohen Pflanzen sind sehr robust.

Bis zur Ernte im Winter gibt es also noch einige Unbekannte. Eines kann der 32-Jährige aber bereits sagen: Es ist eine klassische Zweitfrucht, die organischen Dünger gut aufnimmt. „Sie hat ein super Wurzelwerk und man kommt komplett ohne Pflanzenschutz aus.“ Und man kann sie förmlich wachsen sehen: „Nach zehn Tagen war alles grün“, ist Winkelmann vom schnellen Wachstum beeindruckt.

Markante Hanfpflanzen finden Aufmerksamkeit

Dass seine neue Ackerkultur auch bei nicht landwirtschaftsaffinen Zeitgenossen Neugier weckt, hat Jan Winkelmann bereits erlebt. Mehrfach hat er an einigen Ecken seines mit Nutzhanf für die Fasergewinnung bestellten Ackers an der Kreisstraße 33 bei Gröps einzelne Personen und auch Gruppen beobachtet, die sich das Gewächs mit der markanten Blattform genauer anschauen. Auch regelrechte Trampelpfade gebe es an schwer einsehbaren Ecken. Zuerst habe er an Tiere, Wildschweine oder Rehe gedacht, sagt der passionierte Jäger, der im Frühjahr mit seiner Drohne zur Ortung von versteckten Rehkitzen bei der Grasmahd im Einsatz ist. Doch dann entdeckte er kleine Haufen mit herausgerissenen Hanfpflanzen. Seine Vermutung: „Die wollten wohl testen, ob von ihnen eine berauschende Wirkung ausgeht.“

THC-Gehalt darf nicht über 0,3 Prozent liegen

Doch die lässt sich mit seinen Pflanzen nicht erzielen. Es dürfen nur Sorten aus dem gemeinsamen Sortenkatalog der Europäischen Union angebaut werden, deren THC-Gehalt unter 0,3 Prozent liegt. Sorte und Menge müssen gemeldet werden und auch für die Ernte wird eine offizielle Freigabe der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) benötigt. BLE-Prüfer waren kürzlich auf Winkelmann Betrieb zu Besuch und nahmen Proben, um die THC-Werte zu ermitteln. Das Laborergebnis steht noch aus.

Die flächenmäßige Ausdehnung des Hanfanbaus in den vergangenen Jahren beruht auf den vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten fast aller Pflanzenteile. Aus Hanfsamen lässt sich zum Beispiel Hanföl herstellen, das für die menschliche Ernährung geeignet ist, aber auch als Bestandteil hautschonender Kosmetika oder für medizinische Zwecke. Zudem gilt Hanf als „Superfood“, weil die Körner reich an Proteinen, Vitaminen und ungesättigten Fettsäuern sind. Eine Nutzungsart, die für Flächenzuwachs sorgen dürfte, nennt das Informationszentrum der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung : „Durch die Legalisierung von THC-haltigem Cannabis könnte es künftig zu einer Ausdehnung des Hanfanbaus in Deutschland kommen.“

Besonders interessant sind die Hanfstängel, die aus Fasern und einem holzigen Innenkern bestehen, den sogenannten Schäben. Die darin enthaltene Zellulose eigne sich sehr gut für eine umweltfreundliche Papierherstellung. Dennoch überwiegt aktuell noch die Herstellung aus Holz, da weltweit zu wenig Hanf angebaut wird.

Auch für die Textilherstellung sei Hanf als Rohstoff eine nachhaltige Lösung. Die Fasern sind dafür ebenso gut geeignet wie Baumwolle und lassen sich problemlos mit anderen Naturfasern mischen. Im Gegensatz zu Baumwolle werde beim Herstellungsprozess nur ein Bruchteil oder gar keine Chemikalien benötigt. Dennoch basiert die weltweite Textilproduktion derzeit zu 85 Prozent auf Baumwolle. Hanf kommt lediglich zu 0,5 Prozent zum Einsatz, weil die Kosten für die Herstellungstechnik bei Hanf höher liegen.

Weiteres Potenzial ergibt sich für Hanf als klimaschonendes Baumaterial. Hanffasern und Schäben sind sehr leicht, haben eine enorme Zugfestigkeit und sehr gute Isoliereigenschaften.

Als Nischenprodukt bezeichnet auch Manfred Dannenfeld von der Landberatung die Pflanze. Um sie ein wenig aus der Nische zu holen, wolle man die Landwirte über ihre Möglichkeiten informieren. Diesen Part soll Berater Sören Thölke übernehmen.

Reinhard Vorwerk