Schlafsäcke als entscheidende Helfer

Eine Illustration des HKK zum Thema fasst die wichtigsten Präventionsmaßnahmen zusammen. Grafik: HKK

Schlafsäcke können Leben retten. Zumindest, wenn es um den Plötzlichen Kindstod oder SIDS (Sudden Infant Death Syndrom) geht. Von ihm spricht man, wenn gesunde Kinder im ersten Lebensjahr unerwartet versterben, ohne das eine andere Ursache erkennbar wäre.

2020 verstarben in Deutschland 84 Kinder am Plötzlichen Kindstod, 1991 waren es 1285. Besonders betroffen sind Kinder im 2. bis zum 5. Lebensmonat. Der enorme Rückgang von 93 Prozent zeigt die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen, die in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt wurden.  

Dazu gehört, dass Säuglinge nicht mit Decke im Bett schlafen sollten, sondern im Schlafsack. Diese Maßnahme wirkt auf zwei Wegen, erklärt Inga Diers, stellvertretende pflegerische Leitung der Geburtshilfe im Heidekreis-Klinikum (HKK). Zum einen verhindert ein Schlafsack, dass sich die Babys in die für sie gefährliche Bauchlage drehen können. Zum anderen kann es bei einem Schlafsack nicht passieren, dass die Atemwege der Kinder verdeckt werden, anders als wenn sie sich zum Beispiel unter einer Decke bewegen.

Dass die Atmung des Babys erschwert wird, ist einer der großen Risikofaktoren, deshalb sollten sich auch keine Kuscheltiere oder Schlafunterlagen wie Schaffelle im Bett befinden. Der zweite große Risikofaktor ist die Überwärmung des Kindes. „Die Umgebungstemperatur der Kinder sollte beim Schlafen nicht mehr als 16 bis 18 Grad betragen“, erklärt Diers. Auf Mützchen sollte beim Schlafen deshalb verzichtet werden, um eine Überwärmung des Kopfes zu verhindern.

Auch wenn heute Risikofaktoren bekannt sind, ist nach wie vor nicht klar, was den SIDS verursacht. Hypothesen gibt es aber einige. Australische Forschende haben 2022 ein Enzym als mögliche Ursache ausgemacht: Butyrylcholinesterase. Das Enzym spielt eine wichtige Rolle bei der Kommunikation im Gehirn. Das Team konnte bei Kindern, die am Plötzlichen Kindstod verstorben waren, eine deutlich geringere Aktivität des Enzyms nachweisen als bei lebenden Babys oder bei Kleinkindern, die aus anderen Gründen verstorben waren.

US-amerikanische Forschende fanden 2023 bei Kindern, die am Plötzlichen Kindstod verstorben waren, Veränderungen in einem Rezeptor, der für die Regulierung der Atmung im Schlaf eine wichtige Rolle spielt. Mehr als das ihre Ergebnisse mögliche Ursachen aufzeigten, konnten die Forscherteams aber nicht zeigen.

Unabhängig von den Forschungen zum SIDS bleibt die Prävention unverändert wichtig. Im HKK werden Eltern von Neugeborenen bei der U2-Untersuchung, die frühestens 48 Stunden nach Geburt des Kindes erfolgen kann, von den Kinderärzten über die Präventionsmaßnahmen aufgeklärt. Für ihr Neugeborenes bekommen sie vom Krankenhaus zudem einen Schlafsack mit nach Hause (siehe Infobox), dem ein Flyer mit den wichtigsten Präventionsmaßnahmen beigelegt ist.

Zu denen gehört, dass Kinder in einer rauchfreien Umgebung aufwachsen. „Rauchen ist ein ganz großes Thema“, sagt Diers. „Die Prävention fängt in der Schwangerschaft an, wenn die Kinder über die Plazenta direkt mit den Giftstoffen in Kontakt kommen würden.“ Aber auch nach der Geburt bleibe eine rauchfreie Umgebung wichtig.

Empfohlen wird außerdem, die Kinder im Elternschlafzimmer, aber in einem eigenen Bett schlafen zu lassen, zum Beispiel in einem Beistellbett. „Man kann sich vorstellen, der eine dreht sich um, der andere schnarcht – das heißt, es ist immer irgendwie Bewegung und Geräuschkulisse im Raum, und dadurch wird das Kind rhythmisch stimuliert“, erklärt Diers.

Von der Angst von Eltern vor dem Plötzlichen Kindstod profitieren Unternehmen, die zum Beispiel Sensormatten oder Matratzen verkaufen, die die Atmung des Kindes überwachen sollen. „Es gibt keine Evidenz, dass diese Produkte einen Plötzlichen Kindstod verhindern können“, betont Diers. Eltern sollten sich nicht verrückt machen: „Das Risiko ist extrem gering – und die Präventionsmaßnahmen wirken, das sieht man an den Zahlen.“ Ihr ist wichtig, dass es beim Plötzlichen Kindstod nie um die Frage der Schuld geht. „Es ist ein multifaktorielles Geschehen, bis heute weiß niemand abschließend, was den Tod der Kinder verursacht. Niemand ist daran schuld, wenn es passiert.“

Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin für sicheren Schlaf im Überblick:

  • Kinder zum Schlafen immer auf den Rücken legen

  • Babys in einem passenden Schlafsack schlafen lassen

  • Kinder im Elternschlafzimmer, aber im eigenen Bett schlafen lassen

  • Zigarettenrauch von Kindern fernhalten, besonders schädlich ist das aktive und passive Rauchen der Mutter in der Schwangerschaft, aber auch nach der Geburt bleibt eine rauchfreie Umgebung wichtig

  • wenn möglich, mindestens vier bis sechs Monate stillen

  • alle Regelimpfungen für Säuglinge wahrnehmen.

Stefan Grönefeld