Statt Hausbesuch: Der Arzt kommt künftig per Videoanruf

Am Wochenende krank und nicht mobil: Ab 1. Juli soll die Reform des Bereitschaftsdienstes in Niedersachsen greifen. Statt persönlich kommt der Arzt per Video oder Telefon ins Haus. Foto: AdobeStock

Niedersachsen soll ab 1. Juli deutschlandweit bei der Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes Vorreiter werden. Insbesondere geht es um den Fahrdienst für Hausbesuche an Wochenenden und Feiertagen außerhalb der Praxiszeiten – vorausgesetzt, dass es sich nicht um eine lebensbedrohliche Lage handelt. Video- oder Telefonsprechstunden sollen die Hausbesuche ersetzen. Falls dennoch ein Arzt zum Patienten oder zur Patientin nach Hause kommen muss, bleibt aber auch das sichergestellt.

Für Dr. Ralf Klask, Vorsitzender des Ärztevereins Soltau und Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KV)N für den Altkreis, ist die Reform für die ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten zwingend notwendig. Die aktuelle Struktur habe sich auch angesichts des Ärztemangels überholt. Zudem sei es nicht attraktiv, quasi rund um die Uhr dienstbereit sein zu müssen.

Vor Ort sichert der kassenärztliche Bereitschaftsdienst die Versorgung außerhalb der normalen Praxissprechzeiten – und will das für den Norden des Heidekreises weiter tun (BZ vom 19. März: „Bereitschaftsdienst bleibt zunächst in Soltau“). Zusätzlich gibt es noch den Fahrdienst, der sonnabends, sonntags und feiertags unterwegs ist. Manchmal, so erklärt Klask, fahre er nachts für zwei Hausbesuche drei Stunden durch den Altkreis Soltau und müsse morgens um 7 Uhr die eigene Praxis wieder öffnen. Hinzu komme, dass man nicht immer wisse, zu wem nach Hause man gerufen werde. Gerade seine Kolleginnen, aber auch ihn selbst begleite ein mulmiges Gefühl, wenn man allein unterwegs sei, zumal man vor Ort häufig feststelle, dass der Besuch nicht erforderlich gewesen wäre.

Wie schon jetzt soll mit der Reform der Kontakt der Patientinnen und Patienten zum ärztlichen Bereitschaftsdienst weiter über die Servicenummer 116117 erfolgen. Zu Beginn des Telefonates werden die wichtigsten Parameter abgefragt. Bei der Ersteinschätzung der Erkrankung unterstützt eine künstliche Intelligenz. Wird deutlich, dass der Anrufer zu Bereitschaftsdienstzeiten nicht in die jeweilige Praxis kommen kann, folgt nicht mehr automatisch ein Hausbesuch, sondern ein telemedizinischer Arztkontakt.

Der Ablauf ist konkret so: Die Patienten geben bei ihrem Anruf bei der 116117 ihre Handynummer an. Innerhalb von 30 Minuten werden sie daraufhin eine SMS mit einem Link erhalten. Über den sofortigen Aufruf des Links kommen sie unmittelbar mit dem telemedizinischen Arzt in Videokontakt. Sollte kein Smartphone vorhanden sein, läuft der weitere Kontakt über die Festnetznummer. Für die telefonische Beratung soll der Arzt ebenfalls innerhalb der nächsten 30 Minuten zurückrufen.

„So wird sogar ein schnellerer Arzt-Patienten-Kontakt möglich“, betont KVN-Sprecher Detlef Haffke. Der Arzt könne zudem elektronische Rezepte ausstellen. Und auch bei den weiterhin möglichen Hausbesuchen durch einen Arzt oder entsprechend ausgebildetes nicht-ärztliches Personal sieht Haffke mit der Reform deutliche Verbesserungen.

Bereitschaftsdienst und Termine

Die Telefonnummer 116117 ist bundesweit für gesetzlich versicherte Patienten für den Anruf beim ärztlichen Bereitschaftsdienst geschaltet. Sie ist rund um die Uhr erreichbar und kostenlos. Über die Nummer kann man aber auch Termine bei Ärzten und Psychotherapiepraxen vereinbaren – oder zunächst Ansprechpartner suchen. Nicht gedacht ist die Telefonnummer für lebensbedrohliche Fälle. Dafür wählt man die 112. Auch Zahnarzttermine können darüber nicht vereinbart oder entsprechende Notdienste erreicht werden.