„Nun ist es an uns, Verantwortung zu übernehmen“
80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 herrscht Schweigen auf den Zuschauerrängen der Aula des Gymnasiums Soltau. Sie ist bis fast auf den letzten Platz besetzt mit Jugendlichen der Jahrgänge 9 bis 13.
Auf der Bühne flackern Teelichter, die den Flügel und die Pianistin einrahmen. Dahinter im Dunkeln sechs Schülerinnen und Schüler in dunkler Kleidung, die Rücken dem Publikum zugewandt, kauern sie auf dem Boden. Die Konzentration liegt einzig auf ihren Worten, die aus dem Dunkeln der Vergangenheit zu kommen scheinen – und der bittersüßen Klaviermusik.
Wie nun schon seit einigen Jahren erinnern die Schüler der Patronus-AG mit einer kurzen, eindrücklichen Veranstaltung an die Zeit des Nationalsozialismus und die grausamen Folgen. Die gute halbe Stunde zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust steht deutlich im Kontrast zu einer aktuellen Studie, die aufzeigt, dass junge Menschen nur wenig über den Holocaust und die Schrecken des Zweiten Weltkriegs wissen. 1000 junge Menschen aus acht Ländern haben an der Studie teilgenommen. 40 Prozent der Deutschen gaben darin an, nicht zu wissen, dass sechs Millionen Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden. Die Kultusministerkonferenz rief daher die Schulen dazu auf, sich tiefer gehend mit den Themen Holocaust, Nationalsozialismus, Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie Erinnerungskultur zu beschäftigen.
Auch an der KGS Schneverdingen setzt man sich mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte auseinander. Dazu gehören Besuche von Neuntklässlern in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme sowie die gestrige Feierstunde an der Gedenkstätte für die Opfer der KZ-Züge.
„Als Brücke in die Zukunft“, bezeichnet Bürgermeisterin Meike Moog-Steffens den erstmals 1996 auf Anregung des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog begangenen Gedenktag – „kein Feiertag im üblichen Sinne sei, sondern ein Denktag“. „Auschwitz steht für die schlimmsten Verbrechen der Menschheit“, beschreibt der stellvertretende KGS-Leiter Oliver Ippich die Dimension des Grauens.
Wie wichtig das Erinnern ist, erklärt der Soltauer Politiklehrer Michael Brammer in der Aula des Gymnasiums. Kaum noch Zeitzeugen gebe es, daher sei es nun „an uns, Verantwortung zu übernehmen und das Wissen zu bewahren“. In Soltau geschieht das am Montag anhand des autobiografischen Buches „Die Nacht zu begraben, Elischa“ des Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel, der seine komplette Familie im Holocaust verlor.
„Ende und Anfang"
Das Gymnasium Soltau zeigt seit einigen Jahren im Rahmen der eigenen Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag passend dazu Ausstellungen im Foyer der Aula. Die diesjährige Ausstellung der Friedensbibliothek-Antikriegsmuseum der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg ist ab dem morgigen Mittwoch bis Montag, 10. Februar, zu sehen. Unter der Überschrift „Ende und Anfang – Verweigerung und Widerstand“ erinnert die Ausstellung mit Zitaten und Fotos an die Zeit vom Frühjahr 1945 bis zum Jahr 1949. Sie dokumentiert die Unmenschlichkeit des NS-Regimes, die Leiden der Zivilbevölkerung, das Kriegsende und den beschwerlichen Neubeginn nach dem 8. Mai 1945 ebenso wie den Beginn des totalen Vergessens. Und in der Ausstellung wird auch Ellie Wiesel zitiert: „…wenn überhaupt irgendetwas dazu fähig ist, ist es die Erinnerung, die die Menschheit retten wird.“ Wiesel erhielt 1986 für seine Vorbildfunktion im Kampf gegen Gewalt, Unterdrückung und Rassismus den Friedensnobelpreis.