Vom Pusten und Pinkeln

Auf dem Parkplatz Osterheide an der L171 werden mehrere Autofahrer auf ihre Verkehrstüchtigkeit getestet.

Donnerstagvormittag, 10.30 Uhr, Parkplatz Osterheide an der L171. Mit einer Winkerkelle leiten zwei Polizisten den passierenden Straßenverkehr in die Haltebucht an einer längst verblühten Heidefläche. Ununterbrochen ergießt sich Schauer um Schauer auf den matschigen Grund, während der Wind nasskalt ins Gesicht der Beamten peitscht. Führerschein- und Fahrzeugpapierkontrolle, ein musternder Blick und erste Körpertests: „Heute überprüfen wir hier die Fahrtüchtigkeit der Verkehrsteilnehmer“, erklärt der Tarek Gibbah, Pressesprecher der Polizeiinspektion Heidekreis. Derweil kooperieren die ersten Herausgewunkenen bereits mit einem der 20 Polizisten, die unter Kommissar und Kontrollleiter Simon Janz im Einsatz sind.

Die siebenstündige Aktion ist als Schulung zur Drogenerkennung im Straßenverkehr angedacht – mit besonderem Augenmerk auf Betäubungsmittel und Medikamente. „Auf den ersten Blick sind diese Stoffe schwieriger zu erkennen als die klassische Alkoholfahrt. In ein Röhrchen zu pusten, ist etwas anderes, als eine Urinprobe abzugeben. Auch deswegen sind solche Schulungen wichtig“, präzisiert Gibbah. Seine Kollegen sollen Praxiserfahrungen in der Anwendung von Körpertestverfahren und Befragungstechniken sammeln.

Dunkelziffer liegt wohl deutlich höher

„Schon die Antwort, wenn man einfach mal fragt, ob jemand etwas zu sich genommen hat, kann ein erster Hinweis sein“, verrät der Pressesprecher. Primär sind es unaufgeräumte Innenräume oder spezielle Fahrzeugtypen, die die Aufmerksamkeit der Gesetzeshüter auf sich ziehen. Auch bei Transportern, die dem Berufsverkehr zuzuordnen sind, gehen die Beamten Verdachtsmomenten nach. „Ohne dass wir Vorurteile bedienen wollen“, erläutert Gibbah, „hat es sich bewährt, auf unseren Erfahrungsschatz zu vertrauen.“ Ist der Erstkontakt geknüpft, achten die Polizisten auf verdächtige Verhaltensweisen. Es folgt ein Check der Pupillen und auf zittrige Hände. Auch auf Gleichgewichtstests oder die Aufforderung stumm bis 20 zu zählen, um das Zeitgefühl zu prüfen, kann zurückgegriffen werden.

Auf dem Parkplatz ist die Nervosität manchem Kontrollierten anzumerken. „Wir wissen natürlich, dass der ein oder andere zum ersten Mal kontrolliert wird und sich dementsprechend komisch verhält“, erklärt Gibbah. Nervosität sei daher völlig normal, biete dennoch ein Motiv, genauer hinzusehen. Bei Besonderheiten und offenkundigen Ausfallerscheinungen wird zum Atem- oder Urintest gebeten. Zunächst auf freiwilliger Basis. „Wenn ein Atemalkohol- oder Drogenvortest verweigert wird, muss man abwägen, ob man zur Blutprobe unter Zwang übergeht“, so der Polizist. Bei positivem Test ist die Blutabgabe ohnehin obligatorisch.

Etwa einen Treffer verbuchen die Ordnungshüter pro Tag. Gibbah zufolge liegt die Quote (mit und ohne Verkehrsunfälle) im Vergleich zu 2023 in einem ähnlichen Bereich. Dass die Dunkelziffer im Zeichen der Jahreszeit von Glühwein und Weihnachtsfeiern wesentlich höher liegen muss, suggeriert allein der Donnerstagvormittag: Halbstündlich gehen den Polizisten zu Beginn der Kontrolle die Delikte ins Netz. Es ist gerade einmal 12 Uhr, als sich Janz und sein Team trotz widriger Wetterbedingungen in der Maßnahme bestätigt sehen. Drei Urintests schlagen auf Cannabis an und ein alkoholisierter Maler ohne Fahrerlaubnis wird von den Polizisten mit 1,26 Promille herausgewunken.

Trotz Legalisierung: Keine Häufung von THC im Verkehr

Die Bilanz von etwa 90 kontrollierten Fahrzeugen am Ende des Tages: sechs Fahrer unter Einfluss von Betäubungsmitteln, eine Trunkenheitsfahrt, eine Fahrt ohne Fahrerlaubnis, ein Verstoß gegen das Waffengesetz sowie diverse weitere Ordnungswidrigkeiten. Der Blick in die Statistik verrät: Mit mehr als 90 Prozent sind es vor allem Männer, die unter Alkohol- und/oder dem Einfluss von Betäubungsmitteln (ohne Unfall) fahren. Knapp die Hälfte der Fahrerinnen und Fahrer, die unter Einfluss fuhren, waren im Alter zwischen 25 und 44 Jahren alt.

Dass ihnen seit der Cannabis-Legalisierung vom 1. April reihenweise Konsumenten ins Netz gehen, können weder Janz noch Gibbah feststellen. „Im Straßenverkehr liegen uns keine Zahlen vor, die belegen, dass wir ein erhöhtes Aufkommen seit der Legalisierung haben. Die Personen, die vorsätzlich unter Einfluss fahren, haben es sicherlich auch schon vorher gemacht“, vermutet der Pressesprecher.

Dennoch ist ihnen wichtig, die Bürger in den Kontrollen zu sensibilisieren. „Grundsätzlich ist es immer gefährlich, alkoholisiert am Straßenverkehr teilzunehmen“, mahnt Janz. Trotzdem liege der Fokus darauf, die schwarzen Schafe zu erwischen. „Wir wünschen uns natürlich, dass die Menschen etwas aus ihrem Fehlverhalten lernen, aber in erster Linie ist es wichtig, den restlichen Verkehr zu schützen.“

Daniel HerzigKommentieren