Immer nahbar und authentisch
Nach Orden und Auszeichnungen hat sich Dieter Möhrmann nicht gedrängt, hat auch den einen oder Abschieds-Zinnteller abgelehnt. Jetzt war er aber fällig. Im Auftrag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verlieh Landrat Jens Grote dem 76-Jährigen in einer Feierstunde das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. „Im Rahmen seines langjährigen kommunalpolitischen Engagements hat sich Herr Möhrmann für die Entwicklung der Stadt Schneverdingen und des Landkreises Heidekreises engagiert, wobei er sich insbesondere für die Förderung des Naturschutzes, des Tourismus und der finanziellen Handlungsfähigkeit der Gebietskörperschaften eingesetzt hat“, zitierte Grote aus der im nüchternen Ton gehaltenen Begründung des Bundespräsidialamts.
Diese Zeremonie müsse er jetzt über sich ergehen lassen, stellten wortgleich und zufrieden der SPD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Sebastian Zinke sowie Parteichef Lars Klingbeil anlässlich der Ordensverleihung auf dem Schneverdinger Theeshof in Anwesenheit seiner Familie, Freunde und zahlreichen politischen Wegbegleiter fest.
1971 trat Möhrmann in die SPD ein – „nach der Niederlage der Sozialdemokraten bei der Bremer Bürgerschaftswahl“, wie er für die meisten, auch für Klingbeil, überraschend verriet. Von 1972 bis 2021 saß er durchgehend im Schneverdinger Stadtrat, fünf Jahre davon als ehrenamtlicher Bürgermeister, war Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, Kreis- und Bezirksvorsitzender, von 1981 bis 2013 Kreistagsabgeordneter, dort 32 Jahre lang Fraktionsvorsitzender, ab 1982 mit dreijähriger Unterbrechung bis 2013 Mitglied des niedersächsischen Landtags und von 2008 bis 2013 dessen Vizepräsident.
Den Impuls für die Ehrung hatte Zinke gegeben, „weil wir als Allgemeinheit, Gesellschaft und Staat das Engagement, das Dieter erbracht hat, würdigen müssen“, so der Landtagsabgeordnete. Wie ein roter Faden zog sich durch alle Redebeiträge die Beschreibung eines Mannes, der sich nie in den Vordergrund gedrängt habe, „keinen Wert auf Glamour und Auszeichnungen legt“ (Klingbeil), dazu verlässlich und stets kompromissfähig sei – „Kompromiss ist nicht schlecht, davon lebt die starke Demokratie.“ „Du bist immer bescheiden geblieben, authentisch, freundlich und nahbar“, brachte es Bürgermeisterin Meike Moog-Steffens auf den Punkt.
Klingbeil: "Ohne Dich wäre ich heute nicht hier"
Trotz des Landtagswahlkampfinales in Thüringen und Sachsen, wo am nächsten Tag für die angeschlagene SPD viel auf dem Spiel stand, „ist es total wichtig für mich, hier zu sein“, betonte Parteichef Klingbeil. Schließlich verbinde ihn viel mit Möhrmann: „Ohne dich wäre ich heute nicht hier“, sagte er an diesen gewandt und erinnerte daran, wie er als Elftklässler und Organisator eines Schulstreiks am Gymnasium Munster aus Protest gegen die Bildungspolitik der Landesregierung erstmals dem damaligen Landtagsabgeordneten begegnet und von ihm beeindruckt war, obwohl der nicht das sagte, was Klingbeil und seine damaligen Mitstreiter hören wollte. „Dieter hat nicht nach dem Mund geredet, sondern hat erklärt und ist Menschen respektvoll begegnet.“ Die Menschen und ihre Probleme ernst nehmen, „auch die kleinen Themen vor Ort, sich akribisch bis ins Detail in Themen reinfressen“. Darauf komme es an.
Auch Bürgermeisterin Meike Moog-Steffens stellte das jahrzehntelange außergewöhnliche Engagement Möhrmanns als „ein Zeichen hohen Bürgersinns“ in den Mittelpunkt. „Gut dass es Menschen gibt, die sich kümmern. Das stiftet Vertrauen.“ Davon habe die Stadt „mehr als profitiert“: Als „Türöffner“ habe Möhrmann Anteil daran, dass in dem Grundzentrum Schneverdingen Gewerbeansiedlungen wie Famila und Brümmerhoff möglich waren. „Das wäre heute nicht mehr möglich.“ Sehr am Herzen gelegen habe ihm die Aufarbeitung der Schneverdinger Lokalhistorie zwischen 1930 und 1950 und die Einrichtung der Gedenkstätte am Bahnhof. Weiter nannte die Bürgermeisterin seine hervorgehobene Rolle bei der Bürgerinitiative „Rettet die Heidebahn“ – „ohne Dieter Möhrmann gäbe es die Heidebahn heute nicht mehr“ –, bei die Initiative gegen die militärische Belastung in der Heide, bei „Bunt gegen braun“ und Möhrmanns Engagement für die Bewahrung der plattdeutschen Sprache.
Schnellbeschulung für Moog-Steffens
Auch ihren persönlichen Werdegang habe Möhrmann entscheidend beeinflusst. Ohne vorherige Erfahrung in der Kommunalpolitik habe sie sich dank Möhrmann „Schnellbeschulung“ vor der Bürgermeisterwahl 2011 Basiswissen für die Arbeit als Hauptverwaltungsbeamtin aneignen können. Als Ratsvorsitzender habe er sie dann bei ihrer Arbeit unterstützt und bringe als vierfacher Großvater auch „Opi-Qualitäten“ bei Fragen der Kita-Betreuung ein. 2023 wurde er mit der Schneverdinger Ehrennadel ausgezeichnet. „Schade, dass unsere Lebenswege sich inhaltlich so spät getroffen haben“, stellte Landrat Jens Grote in seiner Rede fest. Kennen und schätzen gelernt habe er Möhrmann aber bereits in dessen Zeit in Landtagsgremien und Ausschüssen: „Du fielst auf, weil Du leiser warst am Mikrofon.“ Jeder habe verstanden, dass er etwas zu sagen hatte. „Danke, was Du für Schneverdingen und den Heidekreis getan hast“, schloss Grote seinen Redebeitrag, um dann zur Ordensverleihung zu schreiten. Anschließend gab es langanhaltenden Beifall für den Geehrten.
Seine mehrfach angesprochene Reserviertheit gegenüber Ehrungen erklärte Möhrmann anschließend damit, dass er die hanseatische Tugend schätze, keine Orden anzunehmen.
Mutter in Dank mit eingeschlossen
Das ihm in den Reden zuteil gewordene Lob gab er weiter an seine Familie und insbesondere Ehefrau Anne sowie die vielen Menschen, die ihn bei seinen Ideen und Vorschlägen unterstützt hätten. In seinen Dank bezog er ausdrücklich auch seine Mutter ein, die seinem Lebensweg eine entscheidende Richtung gegeben hatte: Gegen die Empfehlung des Rektors, ihn eine Maurerausbildung machen zu lassen, habe sie darauf bestanden, ihren Sohn erst einmal die Mittelschule gehen zu lassen, „un denn kiekt wi mal.“ Wie es weiterging, schilderte Möhrmann dann auf Platt: „vun Schausterjungen, Jung vun Fabrikarbeiter an de Uni un vun Juso taun Landtagsvizepräsident un Bürgermeister.