Tibeter blicken auf Camp Reinsehlen
Der mögliche Verkauf eines der renommiertesten Gastronomie- und Beherbergungsbetriebs der Heideblütenstadt sorgt seit einiger Zeit für Gesprächsstoff in und um Schneverdingen. Das Tibetische Zentrum strebt den Erwerb des Camp Reinsehlen mit seinen Anlagen an. Einige sprechen sogar schon von einem vollzogenen Eigentümerwechsel und beziehen sich dabei auf den Internetauftritt des Vereins, der diesen Eindruck vermitteln könnte. Erst beim genaueren Lesen wird deutlich, das da noch nichts in trockenen Tüchern ist. Gleichwohl macht Andreas Bründer, der Geschäftsführer des Vereins Tibetisches Zentrum, aus dem Kaufinteresse keinen Hehl. Der Verein, der seinen Sitz im Hamburger Stadtteil Berne hat, betreibt neben mehreren Einrichtungen in der Hansestadt auch das Meditationshaus Semkye Ling in Lünzen. Das platzt nach seiner Darstellung „aus allen Nähten“, biete kaum noch Erweiterungsmöglichkeiten.
„Gesegneter Ort“ seit Dalai-Lama-Besuch
Dass Bründer die im Camp Reinsehlen sieht, ist kein Zufall. „Der Ort ist gesegnet für uns“, sagt er mit etwas Pathos in der Stimme und erinnert an ein historisches Ereignis: den Besuch des Dalai Lama. 1998 war das das geistliche Oberhaupt der Tibeter zu Gast im Camp Reinsehlen, das für einige Tage Zentrum des buddhistischen Kosmos und international bekannt wurde. Die Anwesenheit „Seiner Heiligkeit“ zog Tausende Anhänger dieser Glaubensrichtung aus aller Welt an. Das Camp wurde zu einer riesigen, etwa 25 000 Quadratmeter großen Zeltstadt.
Bei dem Kaufbegehren geht es laut Internetauftritt nicht um das gesamte zwischen der Bundesstraße 3 und der Landesstraße gelegene Areal mit den großen Magerrasenflächen im Norden des Schneverdinger Stadtgebiets, sondern um einen etwa 20 Hektar großen Teilbereich mit 14 Gebäuden – laut Beschreibung in „sehr gutem Zustand, kein Sanierungsstau“ – mit 91 Zimmern, etlichen Seminarräumen unterschiedlicher Größe und weiteren Bauten wie zwei Veranstaltungshallen. Es befindet sich seit 1998 im Eigentum der May & Co Wohnungs- und Gewerbebauten GmbH der Familie May aus Itzehoe in Schleswig-Holstein. Mit der stehe man in Kaufverhandlungen.
Das Tibetische Zentrum ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der in seinem Internetauftritt die Vermittlung des Buddhismus in Theorie und Praxis sowie zur Förderung von Gewaltlosigkeit und Toleranz sowie das Wirken für mehr Gewaltlosigkeit in der Gesellschaft als Ziel nennt. Das Camp Reinsehlen könne die nächste entscheidende Phase sein, diese Mission weiter voranzutreiben. „Deshalb liegen hier unsere aktuellen Bestrebungen, dieses Projekt Realität werden zu lassen.“
Doch vor der Spiritualität gilt es zunächst ein profan-weltliches Problem zu lösen: die Finanzierung. Da wirbt man bei den Mitgliedern und Freunden um Spenden, was wohl auch den teilweise euphorischen Ton erklärt. Etwa die Hälfte des möglichen Kaufpreises, da nennt der Geschäftsführer keine Größenordnung, müsse man finanzieren.
Durch den Hotelbetrieb mit einer gut 50-prozentigen Auslastung bestehe eine solide finanzielle Basis. Diesen Aspekt unterstreicht Bründer auf Nachfrage: „Das kann nur funktionieren, wenn der Hotelbetrieb unverändert weiterläuft“.
Er ist zuversichtlich, dass die Vereinsgremien – Aufsichtsrat und Mitgliederversammlung – noch in diesem Herbst die erforderlichen Beschlüsse für den Erwerb des Camps treffen könnten, vorausgesetzt die Banken spielen mit, und das vor knapp einem halben Jahrhundert gegründete Tibetische Zentrum seinen Zeitplan einhalten könnte: „Mit Blick auf unseren 50. Geburtstag im Jahr 2027 setzen wir uns das ehrgeizige Ziel, alle erforderlichen Einrichtungen und die zugehörigen Programme zu etablieren.“
Nur Gespräche, noch nichts Vertragliches
Nüchterner und zurückhaltend beschreibt Helko Riedinger den aktuellen Stand. Riedinger, der seit genau 14 Jahren als Direktor und Geschäftsführer das über die Woche als Veranstaltungsort für Seminare und Tagungen stark nachgefragte Hotel führt, kennt natürlich die Aussagen und Vermutungen, die in Schneverdingen kursieren und verfolgt sie aufmerksam. Schließlich gehe es um die Belange von 85 Mitarbeitenden, inklusive seiner eigenen. Es sei richtig, dass es ein Kaufinteresse vonseiten des Tibetischen Zentrums und Gespräche mit den Eigentümern gebe. Über deren Verlauf werde er von der Familie May auf dem Laufenden gehalten. Wahr sei: „Es gibt noch nichts Vertragliches oder Vereinbartes.“ Da seien eben auch vielen Spekulationen und Gerüchte im Spiel.