Mit Kronkorken Katzenbabys retten

Halb tot hat die Tiernothilfe Nord diese Katze entdeckt. Foto: at

Ein stählernes Schiebetor, dahinter türmt sich bis zur Decke Futter für Meerschweinchen, Katzen, Hunde, rechts ein mannshoher Schrank mit Fächern und Gittertüren. Davor steht Lea Nowak und wickelt ein Häufchen Elend in ein Handtuch.

Braune Flecken zeichnen sich auf dem hellen Frottee ab. Es ist der Kot inzwischen toter Flöhe. Noch lebend haben sie dem schwarzen Kätzchen beinah das Leben gekostet. „Sie haben sie ausgesaugt. Und die Würmer. Es war völlig dehydriert. Nur noch Haut und Knochen“, erzählt Steffi Klönne, Soltaus mit dem niedersächsischen Tierschutzpreis ausgezeichnete ehrenamtliche Katzenretterin.

Das vielleicht 14 Wochen alte Katzenkind ist eines der letzten Tierrettungen Klönnes in diesen Tagen. Es saß in Herrmannsburg auf dem Parkplatz eines Elektronikhändlers und habe um Hilfe geschrien. Nun sind die Flöhe tot, die Katze beginnt zu fressen, ihr Fell hat ein wenig Glanz zurück. Erschreckend dünn ist sie noch immer.

Katzenschicksale tägliche Routine

Für Klönne und ihre Mitstreiter vom Verein Tiernothilfe Nord, wie ihren Sohn Luca, ihre Nachbarin Lea Nowak und andere Ehrenamtliche, die zu Hause die Fundtiere zunächst in Quarantäne halten und sie aufpäppeln, sind die Katzenschicksale tägliche Routine. Zurzeit häufen sie sich wieder enorm, Kitten, also Katzenjunge, kommen zuhauf auf die Welt.

Einige werden ausgesetzt, andere von wild lebenden Katzen geworfen, wiederum andere werden in Haushalten beschlagnahmt, wo Halter den Überblick über die Tiere verloren haben.

Mit entzündeten Augen und überhaupt vielen Krankheiten kommen die jungen, verwahrlosten Katzen bei der Tiernothilfe an. Foto: at

Die jungen Katzen, die es definitiv geschafft haben, haben in dem ursprünglich nur als Lager gedachten Räumen unweit der Alten Reithalle einen schmalen, gesonderten Raum für sich. Ein schneeweißes Fellknäuel sitzt im Kratzbaum, angeblich ein Fundtier. Klönne bezweifelt das.

Möglicherweise wollte jemand den Nachwuchs loswerden. Weitere Kätzchen schmusen miauend um die Beine. „Die sind sehr dankbar, sehr lieb“, sagt die Tierretterin. Immer wenn die Zweifel an ihr nagen, dann „setze ich mich hier einfach mal eine Stunde davor und weiß wieder, warum ich das mache“.

Beim Kaffeetrinken entschieden

Beim Kaffeetrinken mit einer Freundin hat die gelernte Tierarzthelferin vor Jahren entschieden, eine private Streunergruppe in einen Verein umzuwandeln, das Engagement auf sicherere Beine zu stellen, um Spenden annehmen zu können. Dennoch ist vor allem die Finanzierung zeitlich ähnlich aufwendig wie die Tiernotrettung selbst. 24 Stunden an sieben Tagen die Woche fordere sie der Verein, sagt Klönne. An Urlaub sei nicht zu denken.

Staatliche Zuschüsse bekommt sie nur, wenn sie im Auftrag des Veterinär- oder Ordnungsamtes wirkt, beispielsweise kürzlich für eine Beschlagnahme von insgesamt 30 Katzen in Dorfmark. „Die waren gut versorgt“, aber es sei ein Fall von Animal Hoarding gewesen, übersetzt Tiersammelsucht oder auch Tierhortung. Viele der Tiere wurden vermittelt, andere müssen noch gesund und gezähmt werden.

Ansonsten finanziert sich der Verein rein durch Spenden – und wie jetzt wieder durch die Kronkorken-Aktion. Sechs Tonnen Kronkorken und sonstiger Kleinschrott wurden über einige Wochen gesammelt. „Diesmal war es verdammt viel“, ist Klönne stolz auf die vielen Sammelstellen beispielsweise bei den Tierärzten in Munster oder Schneverdingen.

Geschafft. Diese junge Katze ist gesund und kann nun vermittelt werden. Foto: at

Selbst aus Bayern erreichen sie Pakete mit Kronkorken. Es ist eine Aktion, die mittlerweile weit über das eigentliche Einsatzgebiet des Vereins strahlt und auch das reicht längst über den Heidekreis hinaus. 1200 Euro hat die Sammelaktion vom Schrotthändler gebracht. Das klingt viel, aber wegen der Kittenschwemme und enorm gestiegener Tierarzt-, Kastrations-, Futter- und Spritkosten gebe es kaum Reserven. Der Krieg in der Ukraine und die Folgen spürt auch Klönne in der Vereinskasse.

Enorm gestiegene Tierarztkosten

Kostete eine Kastration vor Monaten 120 Euro, muss sie jetzt bis zu 200 Euro berappen. Gut findet sie die Kastrationsaktion des Landes, die gerade wieder startet. Mit 400000 Euro können über Vereine wie die Nottierhilfe bis zu 3500 Straßenkatzen kastriert werden.

Lieber aber wäre Klönne die Aktion im Frühjahr gewesen, und noch besser fände sie eine rigorose Kastrationspflicht nicht nur für Straßen-, sondern auch für Freigängerkatzen, um dem Elend Herr zu werden. „Da muss etwas passieren, auch mit Strafen, wenn jemand sein Tier nicht kastriert. Die Natur“, so sagt die Tierschützerin, „regelt gar nichts, das muss kontrolliert werden“.

Laut Landesregierung leben aktuell 200000 Hauskatzen im Verborgenen und unter zum Großteil elendigen Bedingungen und vermehren sich unkontrolliert. Die Tiere sind verwahrlost, leiden an Hunger, Krankheiten, Parasiten wie Magen-Darm-Würmern, Milben, Flöhen und Infektionskrankheiten wie Katzenschnupfen und -leukose. Krankheiten, die Klönne bei ihrer Arbeit täglich vor Augen hat, wenn sie Tiere halb tot einsammelt und mühevoll aufpäppelt. „Gut ist, dass ich selbst Tierarzthelferin bin und vieles selbst machen kann. Das spart dann wieder viel Geld.“

Geld, das auch für einen weiteren Vereinszweck, notwendig ist. Klönne und ihre Mitstreiter versorgen die Haustiere von rund 100 bedürftigen Menschen in Schneverdingen, Soltau und Munster mit Futter oder Einstreu. „Es ist ein bisschen wie eine Tier-Tafel“, erklärt Klönne das System.

Casey scheint etwas einsam in ihrem Käfig. Sie ist wohl die einzige Katze in den Vereinsräumen, die weder jung, noch krank, noch unterernährt kam. Im Gegenteil, sie ist viel zu fett und muss abspecken. Ihre Besitzerin ist verstorben, Casey muss nun den Kontakt zur Außenwelt erst lernen und braucht dann ein neues Zuhause.

Gemeinsam für Katzenrettung machen sich Luca (von links) und Steffi Klönne sowie Lea Nowak stark.

Verein mit mehr als 100 Mitgliedern

Der eingetragene Verein „Tiernothilfe Nord – Wenn alle wegschauen, schauen wir hin“ hat seinen Sitz in Soltau. Die mehr als 100 Mitglieder, davon viele aktiv, kümmern sich in erster Linie um streunende und verwilderte Hauskatzen.

Diese werden kastriert und tierärztlich versorgt. Zudem ziehen sie jedes Jahr hunderte wilder Kitten auf, zämen sie und machen alles, damit sie einen guten Start in ihr neues Leben haben.

Ein weiteres Standbein ist die Futterausgabe für die Tiere von bedürftigen Menschen. Zudem gehöre die normale Tierschutzarbeit zur Aufgabe des Vereins. 2023 erhielt der Verein den Niedersächsischen Tierschutzpreis.

Die Kronkorken, mit deren Einnahmen ein Teil der Arbeit finanziert wird, können bei der Vereinsvorsitzenden Steffi Klönne, Windiger Weg 19 in Soltau abgegeben werden. Weitere Informationen unter www.tiernothilfe-nord-ev.com. bz

Casey muss noch abspecken. Foto: at