Zu viel Regen bringt auch keinen Segen

Landwirtschaft ist kein Thema fürs Büro, sie findet draußen statt: Kreislandwirt Jochen Oestmann (von links), Kreislandvolk-Geschäftsführer Henning Jensen, Kreislandvolk-Vorsitzender Henrik Rump und Landwirt Hauke Johannmeyer im Maisfeld. Foto: ari

„Mairegen bringt Segen“, lautet eine Bauernregel. „Gibt’s im März zu vielen Regen, bringt die Ernte wenig Segen“, eine andere. Ohne Wasser keine Landwirtschaft, kein Leben – doch es kommt auch aufs Timing und die Mengen an. „Eigentlich ist Regen immer ein Segen“, sagt Kreislandwirt Jochen Oestmann – mit Betonung auf „eigentlich“, denn: „Irgendwann ist auch einmal eine Sättigung erreicht.“ Dass das Wetter der vergangenen Monate einige Überraschungen bereithielt, dürfte auch den meisten Nichtlandwirten nicht entgangen sein. Der Winter zu warm und zu nass. Der Frühling und bisherige Sommer zu kühl, vor allem aber sehr nass. „Ein etwas ungewöhnliches Jahr“, so Landvolk-Kreisvorsitzender Henrik Rump.

Oestmann und Rump luden gemeinsam mit Kreislandvolk-Geschäftsführer Henning Jensen und dem Düshorner Landwirt Hauke Johannmeyer zum Vor-Erntegespräch ein, und das Thema Regen zog sich wie ein roter nasser Faden durch die Redebeiträge. Die vergangenen Jahre waren im Schnitt zu trocken, bei Gesprächen über die Ernte ging es um Feldberegnung, sinkende Grundwasserspiegel und Wasserknappheit. In diesem Sommer ist alles anders. „Das Wasser drückt von unten hoch“, berichtet Rump. Durchnässte Böden verzögerten die Düngung zahlreicher Felder vor allem im südlichen Heidekreis. Flächen waren unbefahrbar. „Natürlich hat man es trotzdem versucht“, gibt Rump zu. Mit dem Ergebnis von Strukturschäden auf den Feldern.

„Enorme Ertragsspreizung“ im Heidekreis

Kurioserweise pendeln sich Ernte und Ernteerwartungen trotz ungewöhnlicher Rahmenbedingungen so ein, dass die Zahlen für den Heidekreis insgesamt ein durchschnittliches Bild ergeben. Das liegt zum einen daran, dass das langgezogene Kreisgebiet sehr heterogen ist. Die größten Problemzonen des Jahres lagen im Südkreis mit seinen Überflutungsgebieten. Die jüngsten Feldrundfahrten im nördlichen Heidekreis erbrachten dagegen das Bild einer ausgeglichenen Feldmark. Probleme mit der Befahrbarkeit durchnässter Flächen gab es nördlich von Dorfmark kaum, Starkregenereignisse wirkten sich nur punktuell negativ aus. Oestmann spricht von einer „enormen Ertragsspreizung“ im Heidekreis. Immerhin: Von Starkhagel blieb der Kreis anders als viele andere Regionen komplett verschont.

Ein weiter Grund für eine insgesamt zumindest durchschnittliche Ernte ist, dass viele Landwirte kurzfristig auf die Wetterkapriolen reagiert haben, Winterkulturen vielfach zugunsten von Sommerkulturen zurückfuhren. Die Agrarstatistik für den Heidekreis verzeichnet für dieses Jahr im Vergleich zu 2023 die größten Flächenrückgänge bei Wintertriticale (minus 60 Prozent), Winterweichweizen (minus 40) und Winterroggen (minus 18). Dem steht ein Zuwachs um 54 Prozent beim Sommergetreide gegenüber.

Rein in die Kartoffeln

Keine andere Nutzpflanze wird so stark mit Deutschland assoziiert wie die Kartoffel. Der Anbau der nahrhaften Knollen hat auch im Heidekreis eine besonders lange Tradition. Und er boomt gerade. Die Anbaufläche im Heidekreis vergrößerte sich in diesem Jahr im Vergleich zu 2023 um 10 Prozent auf 4141 Hektar.

Die Weltmarktpreise steigen, beim Vor-Erntegespräch des Kreislandvolks ist von einem „ungebremsten Wachstum“ die Rede, das selbst Experten erstaunen würde. Die Produktionsmengen steigen, aber bislang wirke sich das nicht bremsend auf die Preisentwicklung aus. In diesem verregneten Erntejahr mit Einbrüchen bei den Winterkulturen suchten viele Landwirte nach ertragreichen Alternativen und wendeten sich dabei nicht zuletzt den Kartoffeln und Zwiebeln zu. Letztere repräsentieren mit einer Anbaufläche von 132 Hektar in absoluten Zahlen ein sehr kleines Segment. Mit einem Plus von 79 Prozent verzeichnen Zwiebeln jedoch den größten prozentualen Flächenzuwachs aller in der Agrarstatistik des Heidekreises gesondert aufgelisteten Kulturen.

Indessen bereitet das nasse Wetter der vergangenen Monate auch Kartoffelbauern Probleme. „Kraut- und Knäuelfäule ist ein Riesenproblem für die“, gibt Landwirt Johannmeyer zu bedenken. Er selbst betreibt in Düshorn auf rund 200 Hektar Acker- und Futterbau sowie eine Bullenmast und berichtet vom gestiegenen Pilzdruck auf den Feldern. Der zu warme und regenreiche Winter hat Felder durchnässt, ohne Frost zu bringen – ein Wachstumsprogramm für Rostpilze und eine Quelle für gesteigerte Infektionsrisiken. Verbunden mit der schlechten Befahrbarkeit der Felder und den daraus resultierenden Einschränkungen beim Spritzen-Pflanzenschutz ergeben sich für einzelne Standorte vor allem im südlichen Heidekreis erhebliche Ertragseinbußen.

Schwierig bleibt die Lage bei den Sonderkulturen. Die Spargelanbaufläche im Heidekreis reduzierte sich in den vergangenen vier Jahren um ein Viertel, von 213 auf aktuell nur noch 164 Hektar. Der bei Verbrauchern hoch im Kurs stehende deutsche Spargel wird als besonderes Saisongemüse seinen Platz behalten, bei verschiedenen Beeren-Sonderkulturen sehe es dagegen angesichts der preiswerteren Konkurrenz aus dem Ausland schlecht aus. „Nischenbetriebe werden wir verlieren“, fürchtet Landvolk-Kreisvorsitzender Rump mit Blick auf absehbare weitere Erhöhungen beim Mindestlohn. Einerseits werde es trotz Mindestlohn immer schwieriger, im Ausland noch genügend Saisonkräfte anzuwerben. Andererseits seien deutsche Verbraucher und der Handel preissensibel.

Flächen-Primus im Heidekreis bleibt der Mais mit einer Anbaufläche von 18479 Hektar. Das ist ein Prozent mehr als im vergangenen Jahr, aber weniger als 2021, als die Maisanbaufläche die Schwelle von 19000 Hektar geringfügig überstieg.

Prognosen, wie die Ernte 2024 im Heidekreis am Ende ausfallen wird, sind beim Landvolk an diesem Tag nicht zu bekommen. Zu groß die Unwägbarkeiten, zu unberechenbar das Wetter, zu launisch die Natur.