Vier-Tage-Woche ist im Heidekreis längst Realität
Angesichts des Fachkräftemangels müssen sich die Unternehmen viel einfallen lassen, um die eigenen Mitarbeiter bei der Stange und bei guter Laune zu halten. Betriebliche Altersvorsorge ist da schon das Mindeste. Inzwischen sollen das Dienstfahrzeug auch für den Privatgebrauch, Rabatte, E-Bikes und Fitness-Club-Mitgliedschaften zusätzlich neue Mitarbeiter ködern. Doch der größte Coup, so sind sich Forscher der Universität Münster sicher, könnte die Vier-Tage-Woche sein. Das Arbeitszeitmodell wird aktuell bei vielen Firmen diskutiert, rund 50 Unternehmen tasten sich, begleitet von Wissenschaftlern der Universität, an das Modell heran, wobei die Forscher herausfinden wollen, wie genau die Unternehmen das Modell umsetzen und mit welchem Erfolg.
Nach einer Ifo-Randstad-Umfrage haben bereits elf Prozent der Unternehmen die Vier-Tage-Woche im Angebot. Allerdings nehmen dabei 51 Prozent der Beschäftigten Gehaltseinbußen hin. Im Rahmen einer Studie über Wechselbereitschaft von Arbeitnehmern bei Xing gaben 42 Prozent der Befragten an, dass bei gleichbleibender Arbeitszeit die Vier-Tage-Woche den Arbeitgeber attraktiver erscheinen ließen. Der Grund liegt auf der Hand: Das verlängerte Wochenende vermittelt den meisten Beschäftigten das Gefühl einer besseren Ausgewogenheit zwischen Familienleben und Beruf.
Doch was Politik, Wirtschaft und Forschung aktuell noch diskutieren, ist bei dem Sondermaschinenbau-Unternehmen Hollmann in der Soltauer Ortschaft Wolterdingen seit dem 1. Januar längst Realität. Das Unternehmen konstruiert individuelle Maschinen nach dem besonderen Bedarf der Kunden. Die stammen zumeist aus dem Automotive-Sektor. Mit 39 Mitarbeitern noch unterhalb des Mittelstandsniveaus. Ungeachtet der überschaubaren Größe der Firma hatte Unternehmer Frank Hollmann das Thema mit seinen Mitarbeitern erörtert und einen Weg gefunden, das Arbeiten an nur noch vier Tagen in der Woche ohne Gehaltseinbußen zu ermöglichen.
Freiwilligkeit und Evaluierung sind wichtig
Die Kunden bekommen davon nicht viel mit, denn das Büro bleibt auch freitags besetzt, erklärt Hollmann. Und wenn ausgelieferte und montierte Maschinen Probleme machen, wird der Service gewährleistet. Da müssten alle ohne Zwang mitspielen, „alle in eine Richtung laufen“, setzt der Chef auf Freiwilligkeit bei allen. Man müsse das Ganze selbstverständlich noch evaluieren, „aber soweit ich das übersehen kann, klappt das Konzept umfassend“.
38 statt 40 Stunden bei gleichem Lohn
Frank Hollmann hat in seinem Unternehmen die Vier-Tage-Woche eingeführt. „Wir haben statt der üblichen Lohnerhöhung die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 38 Stunden reduziert“, erklärt Hollmann das Konzept. Das entspreche ungefähr der sonst üblichen Lohnerhöhung. An den vier Tagen werde zudem konzentrierter gearbeitet. „Wir beginnen um 6.30 Uhr statt um 7 Uhr und enden um 16.45 Uhr, statt um 16.30 Uhr, außerdem haben wir die Mittagspause von einer Stunde auf 45 Minuten verkürzt“, erklärt der Unternehmer, wie er mit seinen 39 Mitarbeitern jeden Tag eine Stunde gewinnt, um die Kollegen bereits am Donnerstagnachmittag ins Wochenende schicken zu können.
Für Hollmann passt das soziale Arbeitszeitmodell gut ins Konzept. Man mache auf der sozialen Ebene sowieso schon sehr viel. Das muss sein Unternehmen nach Einschätzung Hollmanns aber auch, da der Arbeitsmarkt im Bereich des Maschinenbaus in der Region nicht einfach sei. Allein die Rüstungsindustrie im nahen Umfeld könne aufgrund „gewissermassen unbegrenzter Mittel“ derzeit ganz anders agieren und sei ein attraktiver Arbeitgeber. Doch auch andere Maschinenbau-Unternehmen werben massiv um Fachkräfte.
Hollmann ist im Bereich des Sondermaschinenbaus spezialisiert auf die Herstellung von Spezialmaschinen für die Automobilzulieferindustrie. Ihre Anlagen werden weltweit eingesetzt, um Komponenten für die Automobilproduktion herzustellen. „Das ist schon etwas Besonderes, keine Massenproduktion, wir planen und bauen für den unmittelbaren Bedarf.“ Auf den Produktionsstraßen, die Hollmanns Unternehmen baut, entstehe das, „was man innen im Auto sieht“, also Innenverkleidung von Türen und Ähnliches. Das Unternehmen ist bereits seit 1980 auf dem Markt, seit 2012 hat sich Hollmann aber auf den Automotivesektor ausgerichtet. „Jedes Jahr schaffen wir zwei solcher Anlagen“, erklärt der Unternehmer.
Mit der Vier-Tage-Woche bleibt die Werkstatt jetzt aber freitags geschlossen. „Nur das Büro bleibt besetzt“, erklärt Hollmann, um das Unternehmen für die Kunden erreichbar zu halten. Auch das Homeoffice sei bereits für den Bürobereich möglich.
Die ersten sechs Monate mit der Vier-Tage-Woche sind laut dem Unternehmen positiv verlaufen. Die Mitarbeiter empfinden die Tage als länger und anstrengender, aber sie sähen die Vorteile und seien motiviert, weiterhin daran teilzunehmen. Die Kunden haben ebenfalls keine Probleme mit der geänderten Arbeitszeit, da das Büro freitags geöffnet ist und die Firma weiterhin erreichbar ist.
Die Böhme-Zeitung konnte mit zwei Mitarbeitern sprechen, darunter der zunächst wohl größte Skeptiker unter den Kollegen: Björn Rogge (58). Er war zunächst eher dagegen, „weil es etwas Neues war“, der bisherige Rhythmus des Arbeitsalltags verändert werden musste. „Ich habe mich aber ganz, ganz schnell dran gewöhnt und werde es auch nie wieder hergeben“, lacht Rogge. Er nutzt das verlängerte Wochenende für Hausarbeit, den Garten und fürs Motorradfahren.
Betriebsmeister Tim Crone (53) fand die Idee von Anfang an gut, war aber positiv überrascht, als sein Chef mit der Idee um die Ecke kam. „Ich hatte das schon mal elf Jahre lang bei einer anderen Firma gemacht. Deswegen war ich dazu positiv eingestellt.“ Die Haltung in der Frage stimme bei allen Kollegen.
Insgesamt zieht Frank Hollmann für sein Unternehmen eine positive Bilanz nach den ersten sechs Monaten mit der Vier-Tage-Woche. „Das muss man natürlich noch am Jahresende evaluieren, aber ich sehe keinen Grund, weshalb wir das nicht so beibehalten können.“ Und so plant der Unternehmer, das Konzept dauerhaft beizubehalten. Die Erfahrungen könnten auch für andere Unternehmen interessant sein, insbesondere in Bezug auf die Mitarbeiterzufriedenheit und die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, will Hollmann seine positiven Erfahrungen anderen Unternehmen in der Region vermittelt wissen.