Erst zu nass, dann zu trocken
Die brandgefährlichen Tage sind zwar vorbei. Doch Knut Sierk ist wenig optimistisch, dass das so bleibt. Der Waldbrandschutzbeauftragte der Landesforsten Niedersachsen rechnet damit, dass die sogenannte 30/30/30-Regel auch in diesem Sommer häufig greifen wird. Bei um die 30 Grad Lufttemperatur, Windgeschwindigkeiten von 30 Stundenkilometern und einer Luftfeuchtigkeit von unter 30 Prozent gilt zwangsläufig die höchste Waldbrandstufe.
Trotz des feuchten Frühjahrs ist es aufgrund dieser Voraussetzungen für Förster Sierk wenig verwunderlich, dass vor Pfingsten die Waldbrandstufen wieder rasant angestiegen sind. In der Lüneburger Heide meldeten vier von fünf Wetterstationen in sechs Landkreisen die Waldbrandstufe 5.
Und auch am gestrigen Dienstag war trotz des Regens vom Pfingstwochenende noch keine Entwarnung angesagt: Sierk ließ die Waldbrandzentrale in Lüneburg, deren Leiter er ist, weiterhin besetzt.
„Ja, die Bodenwasserspeicher sind gut gefüllt“, ist nach den Dürren der Jahre 2018 bis Mitte 2023 wieder etwas Entspannung eingetreten. Doch der starke, föhnartige Ostwind der letzten Woche und die geringe Luftfeuchtigkeit hätten – obwohl es nicht ganz so warm war – zu einem schlagartigen Austrocknen der Oberfläche in den Wäldern gesorgt.
Hinzu kam, dass die trockene Vegetation des vergangenen Jahres noch vorhanden ist, in den Nadelwäldern viel dürres Gras und abgestorbener Reisig liegt – und überhaupt auf den sandigen Böden brandfördernde, weil harzhaltige Kiefern wachsen. Daher gilt die Region Lüneburger Heide als Hochrisikogebiet. „Das zieht sich dann über Lüchow-Dannenberg weiter über Brandenburg bis nach Berlin."
Lange Trockenphasen
Die Erfahrungen der letzten Jahre lassen Sierk pessimistisch in die Zukunft schauen. Die Statistik weise zwar häufig am Jahresende ähnliche Niederschlagsmengen wie in den Vorjahren aus. Doch gebe es inzwischen viel längere Trockenphasen, auf die Starkregenereignisse folgten: „Wenn, dann kommt es extrem“, erklärt Sierk anhand der aktuell hohen Waldbrandgefahr in der Heide und der gleichzeitig stattfindenden Überschwemmungen im Saarland. „Die Verteilung des Niederschlags ist das Problem.“
Daher gehe es beim Wald der Zukunft nicht nur darum, den Regenwassermangel, sondern auch die Waldbrandgefahr mitzudenken. Das bedeutet, brandhemmende Baumarten wie die Buche insbesondere in Risikowäldern zu pflanzen. Sei es auch für die Buche dort zu trocken, müssen die Förster auf nicht heimische Baumarten wie die Roteiche ausweichen. „Es geht in der Zukunft um stabile Wälder, die ökologisch und wirtschaftlich sind, aber auch der Brandprävention dienen.“
„Lieber eine Meldung mehr als ein unentdeckter Brand“
Mit seinen beiden Händen umfasst Knut Sierk einen imaginären Baumstamm. Dabei hat er die Hände nahe beieinander. Es ist also kein allzu dicker Stamm, den er da beschreibt. Dennoch: Die Kiefern, die er meint und die nahe des Forstamts Sellhorn im Naturschutzgebiet stehen, sind gut 100 Jahre alt.
Aber in den armen Dünenlandschaften der Lüneburger Heide sind nicht genügend Nährstoffe für einen dickeren Wuchs aus dem Boden zu holen. Das ist ökologisch spannend– aber auch brandgefährlich, wie Sierk erklärt.
Denn durch das harzende Kiefernholz haben Feuer in solch trockenen Gegenden noch leichteres Spiel. Deshalb gilt die Lüneburger Heide mit ihren Sandböden und Kiefernwäldern als Hochrisikogebiet. Förster Sierk ist neu als Waldbrandschutzbeauftragter für rund 330000 Hektar Wald in ganz Niedersachsen tätig.
Durch seine Aufgabe auch als Leiter der Waldüberwachungszentrale in Lüneburg hat er ein besonderes Auge auf das Hochrisikogebiet. Die Zentrale geht in Betrieb, wenn der Deutsche Wetterdienst an fünf von neun Stationen in der Region die Waldbrandstufe 3 ausgerufen hat.
1500 Meldungen gab das Überwachungssystem vor Pfingsten pro Tag (sonst sind es um die 1000) an die Mitarbeiter weiter, als die Waldbrandgefahrenstufe rasant auf 5 anstieg. Vier bis fünf tatsächliche Brände pro Tag wurden entdeckt und rechtzeitig gemeldet.
Wobei es aufgrund des Windes auch für die Technik nicht immer einfach war, wie Sierk erklärt. Böiger Sturm drückte die Rauchfahnen nach unten, und so war nicht jedes Feuer sofort als solches zu erkennen.
2011 wurde das System modernisiert
2011 haben die Landesforsten das Waldbrandüberwachungssystem gründlich modernisiert. Statt Feuerwachtürmen wachen seitdem Kamerasensoren über die Fläche von sechs Landkreisen. Weitere Systeme wurden in den östlichen Nachbarbundesländern installiert, um lückenlos den Überblick zu behalten. 2021 wurde das System in Niedersachsen noch einmal technisch überholt, seitdem arbeitet auch Künstliche Intelligenz mit.
Bis zu 100 Kilometer weit können die Kamerasensoren an 17 Standorten in der Lüneburger Heide blicken, real bei Wind und Wetter müssen sie definitiv einen Radius von 20 Kilometern überwachen.
Zudem gibt es Schnittpunkte mit weiteren Kamerastandorten, um punktgenau Feuer in Feldern, Wäldern oder auch Kommunen orten zu können. „So sind Kreuzpeilungen möglich“, erklärt Sierk. Meist ist die Technik auf Mobilfunktürmen installiert, in Gorleben ist es die Spitze des dortigen Förderturms.
Die Kameras drehen sich in acht Minuten einmal um sich selbst, alle zehn Grad machen sie drei Bilder. Sobald es die kleinste Abweichung vom Normalzustand gibt, wird in Lüneburg automatisch eine Alarmmeldung generiert. „Und jede muss bearbeitet werden“, erklärt Sierk. Oft kann ein Feuer als Ursache ausgeschlossen werden, wenn ein Traktor eine Staubfahne hinter sich her zieht oder auf dem Truppenübungsplatz militärisch trainiert wird.
Auch Windkraftanlagen oder die Industrie verursachen Luftspiegelungen. „Vieles davon erkennt die KI inzwischen. Das System lernt selbstständig dazu.“ Dennoch sei der Mensch weiterhin nötig, um sicher ein Feuer melden zu können. Nur er könne die Kamera noch einmal genauer steuern und hineinzoomen.
Und so erklärt auch Sierk: „Wir machen lieber eine Meldung mehr, als ein Brand zu übersehen.“ Die Kameratechnik stammt aus der Raumfahrt und liefert Bilder mit Grauwerten. Dennoch beschreibt Sierk Kameraaufnahmen von Bränden als eher weiß-bläulichen Qualm. Staub sei auf den Bildern braun-gelblich.
Im Ernstfall sind Spaziergänger die besten Waldbrandmelder
Außer der Kameraüberwachung gibt es zudem den Flugdienst der Feuerwehr, der noch flexibler agieren könne. Von weit oben könne die Besatzung zudem die Einsatzleitungen bei einem Brand übernehmen und die Feuerwehren punktgenau zum Einsatzort leiten. Aber natürlich sei auch jeder Spaziergänger im Ernstfall ein Waldbrandmelder.
Zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die Waldbrandzentrale, darunter Minijobber. Dennoch könne man noch gut Verstärkung gebrauchen, so Sierk. Er ist aber auch dafür verantwortlich, beispielsweise die zuständigen Mitarbeiter der Landkreise zu schulen. Und zudem Spezialkarten vorzuhalten, die den Feuerwehren Wege durch die Wälder weisen, Brücken aufzeigen oder Löschwasserentnahmestellen, so der Waldbrandschutzbeauftragte.
Möglicherweise benötige man in der Zukunft noch breitere Wege durch die Wälder, um auch schweren Feuerwehren das Einfahren zu gewährleisten. „Forst und Feuerwehr arbeiten eng zusammen.“ Gut sei, dass mittlerweile in Niedersachsen zwei Feuerlöschflugzeuge stationiert seien.
Als besonders wichtig beschreibt Sierk aber den Umbau der Wälder. „Da müssen wir vom Boden her denken. Riesige Nadelbaumkomplexe selbst bei eigentlich geeigneten trocken Böden wird es nicht mehr geben“, so der Forstexperte.