Wolfspolitik am Scheideweg

Wölfe fühlen sich in Niedersachsen wohl, die Zeiten ihres strengen Schutzes könnten in Deutschland aber bald enden.

In der Wolfspolitik zeichnet sich ein Wandel ab. Der strenge Schutz der Art wird angesichts einer stabilen und weiter wachsenden deutschen Population sowie von Nutztierschäden und vermehrten Wolfssichtungen im Umkreis von Siedlungen immer stärker infrage gestellt. Zuletzt forderten besonders wolfreiche niedersächsische Kommunen, unter ihnen der Heidekreis, die Politik in einem dramatischen Appell zum Handeln auf. Notwendig sei das aktive Management der Art, also reguläre Bejagung und Bestandsregulierung. In der vergangenen Woche sprach sich nun auch Wolfsexperte Klaus Hackländer, Professor für Wildtierbiologe und Jagdwirtschaft sowie Vorstandsvorsitzender der Deutschen Wildtierstiftung, im Interview mit der Böhme-Zeitung vehement für eine möglichst rasche Herabstufung des Schutzniveaus der Art aus.

Unkompliziert wäre ein solcher Schritt angesichts der europarechtlichen Verankerung des strengen Schutzes nicht, ihm müsste ein mehrstufiges juristisches Verfahren vorangehen. Niedersachsen war zuletzt mit einer Entnahmeverfügung nach dem neu eingeführten nationalen Schnellabschussverfahren vorangeprescht und prompt auf die Nase gefallen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat die Verfügung, bei der es um den Abschuss eines Wolfsrüden in der Region Hannover ging, der Nutztiere gerissen haben soll, als rechtswidrig bewertet und das Schnellabschussverfahren vorläufig gestoppt. Was das Urteil perspektivisch für die niedersächsische Wolfspolitik bedeutet, ist noch nicht absehbar.

Das juristische Ringen um den Abschuss eines einzelnen Tieres zeigt, wie eingeschränkt die Möglichkeiten einer aktiven Wolfspolitik auf Ebene der Bundesländer aktuell sind. In einem Statement zum OVG-Urteil mahnt der heimische Landtagsabgeordnete und stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sebastian Zinke vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit an, „ein rechtssicheres Schnellabschussverfahren zu entwickeln, das den Anforderungen des Naturschutzrechts gerecht wird“ und zugleich „die Existenzgrundlage unserer ländlichen Gemeinden sichert“. Dies müsse zeitnah geschehen, so der Landespolitiker mit Blick auf den Heidekreis. „Gemessen an der Fläche haben wir hier bei uns Schätzungen zufolge die weltweit dichteste Population an Wölfen“, hebt er hervor.

Während Befürworter eines Wolfsmanagements das Schnellabschussverfahren als Schritt in die richtige Richtung und die gerichtlich angeordnete Rücknahme der ersten vom Land nach diesem Verfahren erteilten Abschussgenehmigung als Rückschlag bewerten, sieht der klagende „Freundeskreis frei lebender Wölfe“ sich in seinen von Beginn an geäußerten Vorbehalten bestätigt. Der staatlich anerkannte Natur- und Artenschutzverband mit Sitz in Wolfsburg engagiert sich für die Akzeptanz der Raubtiere, unter anderem durch Aufklärungsarbeit und die aktive Unterstützung von Weidetierhaltern bei der Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen.

In einer Erklärung zum Tag des Wolfes am 30. April attestieren die Wolfsfreunde dem Schnellabschussverfahren erhebliche „rechtliche und fachwissenschaftliche Mängel“. Das Verfahren fußt auf einem einstimmigen Beschluss der Umweltministerkonferenz vom vergangenen Oktober. Niedersachsen hat die in dem Papier formulierten Eckpunkte als erstes Bundesland so konkretisiert, dass Abschüsse im Verordnungswege genehmigt werden können – so jedenfalls die Rechtsauffassung des zuständigen Ministeriums.

Ende der Heimlichtuerei

Gestärkt vom OVG-Urteil, wirft der Freundeskreis dem grünen Landesumweltminister Christian Meyer dagegen vor, geltendes Europarecht verletzt zu haben. Die Wolfspolitik Niedersachsens sei „skandalös“, der Minister müsse zurücktreten, zürnen die Artenschützer. „Die Ausnahmegenehmigung zur zielgerichteten Tötung eines Wolfs in der Region Hannover war rechtswidrig“, stellen sie klar und preisen das von ihnen erstrittene Urteil als „Erfolg für den Artenschutz“. Es sei nunmehr geklärt, „dass vor Erlass einer Ausnahmegenehmigung die vom Land anerkannten Naturschutzvereinigungen in der Regel angehört werden müssen und diese Erlasse nicht mehr als Tarnkappengenehmigungen der Öffentlichkeit verheimlicht werden können“, frohlockt Verbandssprecher Hendrik Spiess.