Nach Pandemie: Wieder mehr Verkehrsunfälle
Die Zahlen der Verkehrsunfälle pendeln sich im Heidekreis wieder auf dem Niveau von vor der Corona-Pandemie ein. Das zeigt die Statistik, die die Polizeiinspektion am Donnerstag für 2023 vorstellte. Die Mobilität der Menschen unterliege keiner Pandemie-Beschränkung mehr, resümierte Inspektionsleiter Jens Heuchert anhand der Zahlen.
Dennoch sei es nur ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, so Polizeihauptkommissar Detlev Maske, der insbesondere für den Bereich Verkehr zuständig ist. Mit Blick auf die vergangenen drei Jahre zeigt die Statistik zwar eine stete Aufwärtsbewegung, 2019 aber wurden bislang im Zehnjahresvergleich die meisten Unfälle mit fast 5900 im Landkreis registriert.
Aktuell sind es 5757, 412 mehr als 2022. Verletzt wurden 926 Menschen, davon 125 schwer (2022: 843). Zu beklagen sind mehr tödliche Unfälle: 16 Menschen starben 2023 auf den Straßen im Heidekreis. „Das ist ein ziemlicher Anstieg“, vergleicht Maske mit 2022 mit 9 Toten. Allerdings hätte es auch da in der Zeit vor 2020 höhere Zahlen gegeben, 2015 und 2016 kamen jeweils 20 Menschen im Straßenverkehr ums Leben.
Einen Häufungspunkt für schwere Unfälle gab es im vergangenen Jahr im Heidekreis nicht. Insbesondere die Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang verteilten sich kreisweit auf Autobahn sowie Landes-, Bundes- und Kreisstraßen, unterschiedlich auch die Ursachen. 2023 starben neun Menschen bei Autounfällen – darunter ein sieben Jahre altes Kind –, drei Motorradfahrer, zwei Fußgänger, ein Lkw-Fahrer und ein E-Bike-Fahrer kamen ums Leben.
Zwar ereigneten sich zwei der tödlichen Unfälle auf der A7, ein Unfallschwerpunkt war sie trotz Baustelle nicht – auch wenn mehrere Auffahrunfälle mit Schwerverletzten registriert wurden. Deshalb schließen sich Maske und Inspektionsleiter Jens Heuchert der Einschätzung des Vize-Präsidenten der Polizeidirektion Jens Eggersglüß an: Autobahnen seien die sichersten Verkehrswege trotz hoher Verkehrsmengen.
Obwohl 2023 mehr Menschen bei Verkehrsunfällen geschädigt wurden, sei der Rückgang bei der Unfallbeteiligung von Kindern erfreulich. 98 Unfälle wurden 2023 dazu registriert, 2022 waren es noch 108, 2021 sogar 148. In den Coronajahren waren die Kinder wohl mehr mit den Eltern unterwegs, so Maskes Begründung für die Entwicklung. 79 Kinder wurden im vergangenen Jahr leicht, acht schwer verletzt und ein Kind starb.
902 Unfälle ereigneten sich mit Beteiligung von 18- bis 24-Jährigen (2022: 898). „Mit der Einführung des begleiteten Fahrens hat sich die Zahl etwas relativiert, dennoch bleiben die Fahranfänger weiter eine Risikogruppe“, so Maske. Ein junger Mensch starb bei einem Unfall, 18 wurden schwer- und 163 leicht verletzt. Die meisten Unfälle ereigneten sich mit dem Pkw.
Pedelec und E-Scooter
An der polizeilichen Unfallstatistik ist abzulesen, dass immer mehr neue Mobilitätsarten auch im Heidekreis angenommen werden. Dazu zählt die Polizei E-Bikes oder Pedelecs und E-Scooter. Bei insgesamt 185 Radfahrerunfällen waren 41 mit Motor unterwegs, davon 17 als Verursacher des Unfalls. Ein Pedelec-Fahrer starb, 7 wurden schwer, 32 leicht verletzt. E-Scooter-Fahrer waren bei 21 Unfällen beteiligt, davon bei 6 als Verursacher. Eine Person wurde dabei schwer verletzt, 17 leicht. „Es ist eine neue Verkehrsart, bei der man schnell unterwegs ist. E-Scooter sind keine sichere Angelegenheit“, so das Resümee der Polizei.
Schnell und flott mal eben mit dem E-Bike oder dem Elektroroller durch die Stadt oder Gemeinde fahren oder sonst im Heidekreis unterwegs sein: Die Polizei registriert mehr und mehr Konflikte, die sich daraus ergeben, wie jetzt bei der Vorstellung der Unfallstatistik 2023 deutlich wurde.
Im vergangenen Jahr ist zwar die Zahl der Unfälle mit Radfahrern gesunken, von 207 im Jahr 2022 auf 185. Dagegen stieg die Zahl der Unfälle von und mit Menschen, die zu Fuß unterwegs sind. 46 Fälle registrierte die Polizei 2021, 51 waren es vor zwei Jahren und 74 2023.
„Das ist ein deutlicher Anstieg“, erklärte Verkehrsexperte Detlev Maske. Der Polizeihauptkommissar hat dafür auch eine Erklärung: Zu immer mehr Konfliktsituationen komme es, weil sich Rad- und Rollerfahrer sowie Fußgänger eine Verkehrsfläche teilten, man kaum Rücksicht aufeinander nehme.
Möglicherweise hätten die E-Bike- oder Pedelec-Fahrer ihre Gefährte nicht im Griff wie ein Fahrrad ohne Motor und könnten daher aus hoher Geschwindigkeit heraus nicht mehr bremsen. Das unterstreicht auch der Leiter Einsatz, Polizeioberrat Rainer Kahr: „Die Durchschnittsgeschwindigkeit hat sich erhöht und das Bremsvermögen und -verhalten ist geringer."
Er und Polizeiinspektionsleiter Jens Heuchert sprechen insgesamt von weniger Rücksicht im Straßenverkehr. Allerdings nicht nur bezogen auf Unfälle von Fußgängern, Rad- oder E-Scooterfahrern. Höhere Geschwindigkeiten bei weniger Rücksichtnahme sei eine gesellschaftliche Entwicklung.
Dazu komme, dass im Straßenverkehr Verkehrszeichen weniger beachtet würden, es oft einen ungenügenden Sicherheitsabstand gebe, Fehler beim Linksabbiegen sich häuften und die Aufmerksamkeit der Fahrzeugführer sinke – möglicherweise auch durch die Handynutzung am Steuer. Wobei Letzteres kaum nachweisbar sei.
Schwerpunktorientierte Prävention wird fortgesetzt
Die Polizei hat darauf in den vergangenen Jahren reagiert und schwerpunktorientierte Prävention angeschoben. So gebe es wieder Kontaktbeamte in der Fläche sowie verstärkt Geschwindigkeitskontrollen mit dem Handlasermessgerät, dem Lichtschrankensystem oder aber dem Videofahrzeug. „Im vergangenen Jahr haben wir die Verkehrsüberwachung gesteigert“, so Kahr. Dafür sei eine neue Verfügungseinheit gegründet, zudem die Bereitschaftspolizei hinzugezogen worden. Und auch in diesem Jahr bilden Geschwindigkeit und zudem die Prüfung der Fahrtüchtigkeit einen Schwerpunkt für die Polizeiinspektion.
Cannabis: „Ich sehe ein großes Risiko“
Zu letzterem würden die Mitarbeiter stetig geschult, so Kahr, insbesondere zum Thema der Cannabis-Legalisierung. Statistisch registriere die Polizei zu Drogen eher niedrige Zahlen, das Dunkelfeld sei vermutlich aber sehr hoch, so Heuchert. Der PI-Chef geht davon aus, dass sich mit der Legalisierung von Cannabis für die Polizei bei den Kontrollen einiges ändere: „Ich glaube, wir werden hohe Zunahmen haben.“
Zwar könne man aktuell legal die Droge konsumieren, die Gesetzeslage in Bezug auf den Straßenverkehr sei jedoch nicht angepasst. Ob Leute zwischen Konsum und „ich setze mit ans Lenkrad“ trennen könnten, das bezweifelt Heuchert.
Zumal die THC-Wirkung von der Tagesform abhänge und auch davon, ob man zusätzlich noch Alkohol konsumiert habe. „Ich sehe ein großes Risiko“, erklärt Heuchert.
Die Polizei jedenfalls setze die Überprüfung wie bislang fort, so Kahr. Ob der Konsum legal sei oder nicht, Drogen im Straßenverkehr machten obligatorisch eine Mitteilung an die Führerscheinstelle nötig.
Und die Aus- und Fortbildung von Spezialkräften in dem Bereich werde fortgesetzt. „Wenn wir das nicht überwachen, setzt ein Schlendrian ein. Deshalb müssen wir immer wieder einen Pieks setzen“, erklärt Heuchert zu Drogen- und Geschwindigkeitsüberwachung.
Motorradunfälle: Starker Anstieg
Die Zahl der Unfälle mit Beteiligung von Motorradfahrern ist im vergangenen Jahr stark angestiegen. 62-mal krachte es. Im Jahr zuvor waren es 38 Unfälle in dem Bereich, 47 im Jahr 2021. Allerdings: Auch da pendeln sich die Unfallzahlen nach der Coronazeit wieder ein. 2019 wurden in der Statistik ebenfalls 62 Unfälle registriert, zuvor waren es immer um die 70.
Im vergangenen Jahr kamen drei Motorradfahrer ums Leben – alle waren keine Fahranfänger. Zudem gab es 9 schwer und 32 leicht verletzte. Meist allerdings waren andere Verkehrsteilnehmer an den Unfällen mit Motorradfahrern schuld, oft würden die Zweiradfahrer beim Abbiegen übersehen.
Eine Zunahme gab es bei Wildunfällen. 1759 Vorfälle registrierte die Polizei 2023, das Jahr zuvor waren es 1534. Auch Baumunfälle häuften sich: von 104 im Jahr 2022 auf 120. Fünf Menschen wurden dabei getötet, 35 schwer und 61 leicht verletzt. Der Landkreis habe viele Landstraßen mit zahlreichen Straßenbäumen.