Tausendfacher Lachsforellen-Tod

Im Aufzuchtbecken von Heidefisch herrscht in der Regel ein reges Treiben. Foto: Archiv

Das Meinholzer Unternehmen Heidefisch ist die größte Fischzucht der Bundesrepublik und gehört zu den fünf größten Kaviarproduzenten in Europa. Jüngst als Heimat der „besten Lachsforelle Deutschlands“ ausgezeichnet, beklagt die Fischfarm seit vergangenem Wochenende einen prekären Verlust. 80 Tonnen Lachsforellen kamen in der Nacht zum Sonnabend in dem Meinholzer Betrieb zu Tode. Aus bisher nicht geklärter Ursache stand ein Ventil eines Fischbeckens offen. Zwar löste der daraus resultierende Wasserverlust einen Alarm aus, dennoch verendeten die Fische.

Die Polizei prüft derweil drei mögliche Szenarien. „Die Kollegen aus Munster gehen dem Sachverhalt nach“, äußerte sich Tarek Gibbah, Polizeisprecher der Polizeidirektion Heidekreis, am Montagnachmittag. Als Ursache steht für die Behörden sowohl ein mögliches menschliches Versagen, ein technischer Defekt oder Vorsatz – also ein Sabotageakt – im Raum.

Dem Veterinäramt zufolge ist dem Fischzuchtbetrieb kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz nachzuweisen. Er gebe keine Hinweise auf ein schuldhaftes Verhalten des Betriebes, äußerte das Amt gegenüber tagesschau.de. Sobald die Todesursache auf einen Sauerstoffmangel zurückzuführen ist, dürfen Fische nicht mehr als Lebensmittel verwendet werden, ließ das Veterinäramt verlauten. Stattdessen seien die Meinholzer Lachsforellen in einen Betrieb gebracht worden, der sie als tierisches Nebenprodukt weiterverarbeitet.

Unternehmen hüllt sich in Schweigen

Heidefisch selbst wollte sich zu den Vorkommnissen auf Nachfrage der Böhme-Zeitung nicht weiterführend äußern. Gegenüber der Polizei schätzen die Verantwortlichen der Anlage den Schaden auf bis zu 480000 Euro.

Als Lachsforellen gelten große, rotfleischige Forellen von einem Gewicht, das die 1,5-Kilogramm-Marke überschreitet. 240000 weibliche Lachsforellen sind es, die Heidefisch laut Hannoverscher Allgemeiner Zeitung innerhalb eines Jahres aufzieht. Bis zu ihrer Tötung kommen die Tiere auf rund 2,5 Kilogramm. Von diesem Schlachtgewicht ausgehend betrüge die Anzahl der toten Meerestiere mindestens 32000 Exemplare und käme somit auf einen Anteil von 13 Prozent der Jahresaufzucht.

In ihrer Branche ist die Heidefisch Fischaufzucht- und -verarbeitung unangefochten die Nummer eins in Deutschland. Von etwa 1600 bundesweiten Tonnen werden jährlich 750 Tonnen Lachsforellen in der Wietzendorfer Ortschaft verarbeitet. Sukzessive wurden aus den einstigen Milchbauern auf dem Leverenzhof Fischproduzenten im großen Stil. Anfang November wurde Heidefisch in Hamburg mit dem Seafood-Star, einem renommierten Branchenpreis für exzellente Fischprodukte und Fischgeschäfte, bedacht.

Delikatesse mit Rotstich

Einer der beliebtesten Speise- und Angelfische ist die Lachsforelle. Sie verdankt ihren Namen keiner zoologischen Wortschöpfung, sondern der Handelsbezeichnung für verschiedene Forellenarten mit rosa, orangefarbenem und rotem Fleisch. Ihr Gewicht liegt bei mindestens eineinhalb Kilogramm.

Lachsforellen können Bachforellen, Seeforellen sowie Meeres- und Regenbogenforellen sein. Ursprünglich wurden nur Meerforellen als Lachsforelle bezeichnet, da sich ihr Fleisch durch die Nahrung, die vorwiegend aus kleinen Krustentieren besteht, rötlich färbt. Heute jedoch werden vor allem Regenbogenforellen als Lachsforellen verkauft. Über das Futter werden sie zu Lachsforellen: Die Fütterung mit Karotin führt zur rosafarbenen Färbung des Fleisches.

Das Fleisch der gezüchteten Lachsforelle ist aufgrund der Fütterung deutlich fettreicher als das der wildlebenden Regenbogenforelle. Auf Basis der in der Lachsforelle vorkommenden ungesättigten Fettsäuren und dem hohen Proteingehalt gilt der Fisch als delikater Leckerbissen. In Aquakulturen werden meist nur weibliche Tiere, deren Rogen als günstige Alternative zum Stör-Kaviar geschätzt wird, verarbeitet.

Keine Überfischung

Heidefisch wirbt mit der Nachhaltigkeit seiner Produkte. Die in Meinholz praktizierte Aquakultur gilt als umweltschonende Alternative zu Fischfarmen im offenen Meer und überfischten Meeren. Diese Form der Fischzucht ist laut World Wildlife Fund (WWF) mit Steigerungsraten von durchschnittlich neun Prozent seit 1970 der am schnellsten wachsende Zweig in der globalen Ernährungswirtschaft. Der WWF hat 2004 einen Dialog für umweltgerechtere Aquakulturen gestartet. Daraus entwickelte sich 2009 der Aquaculture Stewardship Council (ASC), dessen Logo auf Aquakultur hinweist.

Nachhaltigkeitsinitiativen sind angesichts der steigenden Fischnachfrage vonnöten. Weltweit hat sich seit 50 Jahren die Weltbevölkerung und damit auch der Hunger auf Fisch mehr als verdoppelt. Während damals weltweit weniger als 10 Kilogramm Fisch pro Kopf konsumiert wurden, liegt der Durchschnitt heute bei über 20 Kilogramm pro Jahr. In Deutschland hingegen zeigt sich ein anderer Fischkonsum-Trend: Der Pro-Kopf-Konsum sank 2023 auf 12,5 bis 13,4 Kilogramm.

Daniel HerzigKommentieren