Bundespolizei schützt Grenzen und gerät an eigene
Polizei ist Ländersache, mit einer Ausnahme: der Bundespolizei. Und so ist vor allem sie gemeint, wenn es in der Bundespolitik immer stärker um das Thema innere Sicherheit geht, um verstärkten Grenzschutz, die konsequentere Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer, die Eindämmung großstädtischer Bahnhofskriminalität. Die Wunschliste der Politik ist lang. Ausgebildet werden diejenigen, die den Willen des Gesetzgebers konkret und manchmal sehr robust durchzusetzen haben, unter anderem im Heidekreis.
Das Aus- und Fortbildungszentrum der Bundespolizei in Walsrode ist eine von sieben Einrichtungen dieser Art im gesamten Bundesgebiet. Sie sind Teil der in Lübeck angesiedelten Bundespolizeiakademie. Angehende Bundespolizisten des Mittleren Dienstes verbringen den größten Teil ihrer Ausbildung an den dezentralen Standorten. Am Ausbildungsstandort Walsrode sind knapp 1000 Kräfte im Dienst. Der Polizeinachwuchs wird dort für künftige Einsätze „mitten im Geschehen“ qualifiziert, wie es auf der Anwerbe-Homepage der Bundesbehörde heißt. Gemeint sind etwa Unterstützungseinsätze der Bundesbereitschaftspolizei bei Demonstrationen mit hohem Tumult- und Gewaltpotenzial oder die Beilegung von Stress-Situationen auf Flughäfen und im Bahnhofsmilieu.
Die Böhme-Zeitung wollte wissen, wie sich die wachsende Erwartungshaltung der Gesellschaft und Politik auf die Praxis und Ausbildung der Bundespolizei auswirkt. Zur Eindämmung illegaler Migration hatte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Mitte September auf sechs Monate befristete Grenzkontrollen an den deutschen Landesgrenzen angeordnet. Die Abordnung von Bereitschaftspolizisten an die Außengrenzen nährt die Befürchtung von Personallücken andernorts. Die Gewerkschaft der Polizei warnt vor Sicherheitsrisiken und Einbußen in der Ausbildung an der Bundespolizeiakademie, wenn Ausbildungszüge über übliche PraktikaZeiten hinaus für den Grenzdienst abgezogen würden. Jeder dort zusätzlich eingesetzte Bundespolizist fehle an Bahnhöfen und Flughäfen, kritisierte jüngst CDU-Politiker Armin Laschet und warf der Bundesregierung in diesem Zuge „Symbolpolitik“ vor. Der Ex-Kanzlerkandidat war selbst in eine Kontrolle geraten und nutzte das für ein Gespräch mit den Grenzbeamten.
„Die Bundespolizei ist sich der gestiegenen Anforderungen bewusst“, versichert Frances Kruse auf Nachfrage und räumt zumindest indirekt gewisse Engpässe ein. „Es besteht ein kontinuierlicher Einstellungsprozess, um die personellen Kapazitäten zu erweitern“, erläutert der Sprecher der Bundespolizeiakademie. „Dennoch sind teilweise Priorisierungen notwendig, um den vielschichtigen Aufgaben gerecht zu werden.“ Investiert werde „sowohl in personelle als auch technologische Ressourcen“.
„Vandalismus, Gewalt, Alkohol“, „Brennpunkt Bahnhof“, „Prügeln, Kiffen, Steine werfen“: Wer auf der Online-Plattform Youtube nach Videos zum Thema Bundespolizei sucht, stößt auf Beiträge mit martialischen Überschriften und findet sich in einer schroffen, lauten und überaus aggressiven Parallelwelt voller Freaks wieder. Der Umgang mit sozial randständigen Milieus gehört ebenso zum Arbeitsalltag der Bundespolizei wie der Grenzschutz und die Durchführung von Abschiebungen. Lauter eher unangenehme Aufgaben, die hohes Konfliktpotenzial mit sich bringen und oft auch die Konfrontation mit harten menschlichen Schicksalen. Darauf vorbereitet werden angehende Bundespolizisten zum Beispiel im Aus- und Fortbildungszentrum der Bundespolizei in Walsrode.
„Positives für die Gesellschaft bewirken“
Der Bedarf an Nachwuchskräften dürfte angesichts der gestiegenen Herausforderungen im Bereich der inneren Sicherheit nicht kleiner werden. Doch Polizeiakademie-Sprecher Kruse macht sich trotz des demografischen Wandels keine allzu großen Sorgen bezüglich der Anwerbung neuer Kräfte. „Neben einem sicheren Arbeitsplatz bietet die Bundespolizei umfangreiche Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung, auch in verschiedenen Spezialverwendungen“, verweist er auf ganz praktische Vorzüge. Zudem hebt er die Sinnhaftigkeit des Jobs hervor: „Viele junge Menschen sind durch den Wunsch motiviert, etwas Positives für die Gesellschaft zu bewirken und Verantwortung zu übernehmen.“
In der Ausbildung werde auch vermittelt, die eigenen Nerven in den Griff zu bekommen und sich nicht provozieren zu lassen. Es gehe darum, Absolventen „in die Lage zu versetzen, professionell, ruhig und sachlich zu agieren, auch wenn sie selbst in schwierige oder gefährliche Situationen geraten“, erklärt Kruse. Umfangreiche Schulungen hätten den „Umgang mit schwierigen und konfliktbeladenen Situationen“ zum Inhalt.
Erster Schritt ist bereits das Auswahlverfahren, das als hart gilt und neben fachlichen auch persönliche und charakterliche Kriterien in den Blick nimmt. „Die Bundespolizei toleriert keinerlei extremistische Tendenzen und geht aktiv und entschieden gegen jegliche Form von Diskriminierung und Extremismus vor“, stellt Kruse klar.
Bundespolizisten geraten oft zwischen die Fronten
Tatsächlich stehen Beamtinnen und Beamte immer wieder politisch in der Kritik, werden zugleich aber auch oft tätlich angegriffen und bepöbelt. Man braucht wohl ein dickes Fell. Aber auch das Ansprechen von Gefühlen gehört zur modernen Ausbildung. Etwa von Gewissenskonflikten, etwa beim Vollzug menschlich harter Verwaltungsentscheidungen wie Abschiebungen. Laut Kruse sind das keineswegs Tabuthemen oder Probleme, mit denen jeder alleine klarkommen müsse. „Ethischmoralische Fragestellungen sind ein fester Bestandteil der Ausbildung der Bundespolizei“, erklärt der Sprecher aus der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Bundespolizeiakademie.
Aktiv gefördert werde zudem die interkulturelle Kompetenz angehender Polizeivollzugsbeamter. „Das Handeln der Beamtinnen und Beamten basiert auf den Grundwerten des Rechtsstaates, der Menschenrechte und der Würde des Einzelnen“, erklärt Kruse und versichert, dass die fundierte Auseinandersetzung mit diesen Grundsätzen einen festen Platz im Ausbildungsprogramm habe – „um sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden nicht nur rechtlich sicher, sondern auch moralisch verantwortungsvoll handeln.“