Wenn das Kino zum Drehort wird

Ein Kinosaal verwandelt sich in ein Filmset: Konzentriert nehmen die Schülerinnen und Schüler der KGS mit Andreas Schütte (Mitte) und Hardy Kistner (rechts) ihren Tatort im Kino Lichtspiel auf. Foto: sus

Der Duft von Popcorn liegt in der Luft, im Kinosaal erhellt die Werbung kurzzeitig die Gesichter der Gäste, die 3-D-Brille für den nachfolgenden Film sitzt schon auf der Nase. Ein junges Paar sucht seine Plätze im dunklen Saal. Dann klingelt ein Handy. „Und Cut!“, schallt es durch den Kinosaal. Diese Filmszene wird an diesem Montagmorgen, dem letzten Montag im September, unzählige Male im Kino Lichtspiel wiederholt. Abläufe, Details und Dynamik so lange verändert und angepasst, bis die finale Version im Kasten ist, bevor sie noch einmal in einer Naheinstellung wiederholt wird. Es ist der zweite und letzte Drehtag eines erstmaligen Projektes in Schneverdingen.

Wie entsteht ein Film? Welche Schritte gehören dazu, einen Film zu konzipieren und zu produzieren, bis er über den Bildschirm oder die Leinwand flackert? Wie sieht die Arbeit am Filmset aus? 22 Schülerinnen und Schüler des 12. Jahrgangs der KGS in Schneverdingen hatten in der diesjährigen Projektwoche die Gelegenheit, in Zusammenarbeit mit dem Kino Lichtspiel und Profis des Filmgeschäfts einen eigenen Kurzfilm zu produzieren. Vom Drehbuch über die Dreharbeiten bis zum Schnitt – die Jugendlichen waren in alle Schritte eingebunden und wurden von Filmemacher Andreas Schütte und dem künstlerischen Leiter Hardy Kistner angeleitet.

Vom Drehbuch bis zum Schnitt sind die Schüler dabei

So hat auch Werner Mader, der erste Vorsitzende des Vereins Kino Lichtspiel, seinen Kinosaal bis zu besagten Montagmorgen noch nicht gesehen: Der Zuschauerraum wird mit Scheinwerfern beleuchtet, vor der Leinwand steht eine Filmkamera, daneben wird das Tonequipment vorbereitet, eine Filmklappe liegt auf einem Stuhl an der Seite. Statt regulären Kinobesuchern sitzen Schülerinnen und Schüler plus zwei Lehrkräfte in den samtigen Kinosesseln, die das Publikum diesmal nur mimen. „Das ist auch für uns etwas Besonderes“, sagt Mader. Für den Drehtag hat er am Vorabend eine Filmrolle mit einer Stunde Programm vorbereitet, das während der Szene über die Leinwand flimmert.

Ohne das Kino gäbe es das Projekt nicht, es wurde von dem Schneverdinger Kinoverein, teils aus Spenden, finanziert. „Die Vorgeschichte geht weit ins letzte Jahr zurück“, berichtet Mader. Die Mitglieder des Rotary-Clubs aus Soltau hatten ihm mitgeteilt, dass sie den Erlös ihres Standes vom Heideblütenfest dem Kino gern für ein Projekt für Kinder und Jugendliche zur Verfügung stellen wollten. Damals habe ein solches Filmprojekt als Idee im Raum gestanden, schien zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht realisierbar.

In der Fabrik No. 5 wird bei Clubatmosphäre an der Todesszene  des „Tatorts“ gearbeitet. Foto: js

Letztlich kam das Geld des Rotary-Clubs einem anderen Zweck zugute. „Die Idee hatte sich aber in den Köpfen des Kinovereins festgesetzt.“ Schließlich wurden erste Gespräche mit der KGS geführt und in der Folge hat Finanzvorstand Reiner Lehmann eine Crowdfounding-Aktion angestoßen, welche von der Kreissparkasse und aus eigenen Mitteln aufgestockt wurde. „Vielen Dank, dass wir bei euch drehen dürfen, dass wir mit euch drehen dürfen und dass wir für euch dieses Projekt machen dürfen“, begrüßt Kistner den 1. Vorsitzenden vor dem Dreh. Am letzten Donnerstag im September entwickelten die Schüler parallel drei Drehbücher. Fest stand bereits, dass es ein Tatort werden sollte. „Wir haben ganz viel Input gegeben“, berichtet Kistner. Der Berliner Regisseur leitet die Agentur Kulturmacher, die Führungskräftetrainings sowie Mitarbeiter- und Strategieevents anbieten. „Die Jugendlichen haben dann in einem gruppendynamischen Prozess herausgefunden, welches Drehbuch sie am stärksten finden und was wir machen.“ Einen Tag später stand der erste Drehtag in der ehemaligen Schuhfabrik Wüstner, heute der Veranstaltungsraum Fabrik No. 5, an, dem zweiten außerschulischem Drehort. „Das macht ganz viel mit der Atmosphäre und ist besonders für die Schülerinnen und Schüler eine tolle Erfahrung“, sagt Lotte Bendukat. Gemeinsam mit Ludger Schoster betreute die Lehrerin das Projekt und spielte in den Gruppenszenen mit. Oberstufenkoordinatorin Dr. Bettina Baalmann organisierte das Projekte vonseiten der Schule mit.

„Ruhe, bitte, wir drehen“, kündigt Kistner die erste Aufnahme an. „Kamera?“, fragt er. Der zuständige Jugendliche antwortet: „Läuft.“ „Ton, bist du bereit?“ „Läuft.“ „Klappe?“ „Szene eins, die erste“, sagt die Kameraassistenz, ebenfalls eine Schülerin. „Und bitte“, sagt wieder Kistner bis er mit „Cut“ das Ende der Aufnahme anzeigt. Für zehn Minuten Film hatten die Jugendlichen und die Profis insgesamt vier Tage Zeit. „Wir haben uns viel vorgenommen“, sagt Schütte. Er ist nicht nur ein Hamburger Filmemacher, er ist auch ein ehemaliger KGS-Schüler und ehrenamtlicher Filmvorführer beim Kino Lichtspiel. Vor der Kinoleinwand ist Kistners Bühne, von dort leitet er die Szene an. Schütte steht hinter der Kamera, neben ihm einige Schüler.

Gefragt sind Disziplin und Teamarbeit

Für die Dreharbeiten standen die Jugendlichen vor wie hinter der Kamera, spielten die Hauptrollen und waren Statisten, bereiteten die Technik vor, assistierten am Set. Was die Schüler durch das Projekt lernen können: neben dem Einblick in die Entstehung eines Filmes vom Drehbuch bis Schnitt, im Team zu arbeiten und Disziplin. „Die Schülerinnen und Schüler machen sich super“, berichtet Schütte. „Das ist natürlich erst mal eine Eingewöhnungsphase. Das ist eine andere Welt. Aber ich finde, die packen das gut und bringen viel Interesse mit.“

Vergangenen Dienstag ging es bereits ans Schneiden und am Mittwoch wurde der fertige Film in der Schule erstmals präsentiert. Nach den Herbstferien, gegen Ende Oktober, soll der Tatort dann auch dort zu sehen sein, wo er zu Teilen entstanden ist: im Kino Lichtspiel. Dafür muss der Film noch an das Kinoformat angepasst werden.