„Wohl die größte Aufgabe der Menschheit“
Betrachtet man dieser Tage den bundespolitischen Diskurs und blickt ein paar Jahre zurück, bleibt eine flagrante Feststellung nicht aus. Wo an der Spitze von Stimmungsbarometern einst der Klimawandel rangierte, haben im Ranking der Bürgersorgen längst andere Themen Einzug gehalten. Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt und Rezessionsprognosen für den Wirtschaftsstandort Deutschland: Medial groß aufgearbeitete „Fridays For Future“-Demonstrationen sind trotz Extremwetterereignissen ein Relikt vergangener Bundestagswahlzeiten. Weder mit Wärmepumpen noch mit dem Heizungsgesetz elektrisieren Politiker oder Talkshows ihre Zielgruppe.
„Klimaschutz ist im Moment kein Gewinnerthema“, stellt auch Landrat Jens Grote auf dem Klimaforum Heidekreis fest. Zum zweiten Treffen des Komitees hat die Energieagentur Heidekreis Politiker und Wissenschaftler am Mittwochmorgen nach Walsrode geladen. Das Hochwasser des Frühjahrs habe den Menschen die eigene Verletzbarkeit vor Augen geführt. Auch, wenn er vielerorts einen „Urlaub vom Klimaschutz“ beobachte, sei dies im Heidekreis nicht der Fall, so Grote anerkennend. „Im Heidekreis bringen wir das Thema mit dem Klimaforum zurück.“
Was er damit meint, wird im Anschluss deutlich. Unter der Leitung von Dr. Theresa Weinsziehr treibt das Energieeffizienz-Netzwerk Heidekreis die Energiewende seit rund vier Jahren voran. Ressourcen sparen, Kosten senken, Potenziale nutzen: Das Netzwerk fungiert als Ansprechpartner für Bürger, Kommunen und Unternehmen. Unter anderem wurden Schulen und Rathäuser energetisch optimiert. Bei 456 Gebäuden in 10 Kommunen kommt die Agentur mit ihrem Controlling auf 80 000 Zählerstände. Auch private Hausbesitzer können Beratungen des Netzwerkes wahrnehmen.
Prominente Unterstützung bekommt Weinsziehr von Thomas Ranft. Der ARD-Wissenschaftsjournalist schwor die Zuhörerschaft auf die „wohl größte Aufgabe der Menschheit“ ein. „Die Extreme nehmen extrem zu. Nur weil es mal zu kalt ist, heißt es nicht, dass es den Klimawandel nicht gibt“, so Ranft. Schwammstädte und Renaturierungen allein reichten bei Weitem nicht aus, klar maßgeblicher Faktor sei weiterhin die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Entscheidend sei ein langer Atem aller Beteiligten. „Die Energiewende lässt sich nicht über Nacht durchsetzen, dennoch ist sie alternativlos.“
Kann der Landkreis klimaneutral werden?
Der Landkreis plant ein Klimaschutzkonzept, das im Dezember verabschiedet werden soll. Dem zugrunde liegt eine Evaluation, ob und wie Klimaneutralität im Heidekreis möglich ist. Hauptverursacher der Emissionen ist mit 42 Prozent der Verkehr. Besonders ins Kontor schlagen die zwei Autobahnen 7 und 27. Strukturbedingt verbrauchen Einwohner im Heidekreis pro Kopf mit 37 MWh mehr als der Bundesschnitt von 29 MWh. Als Primärziele sieht die Evaluation die Antriebswende in der Mobilität und eine Wärmeerzeugung durch Strom. Seine Hausaufgaben hat der Heidekreis bei der erneuerbaren Stromgewinnung gemacht. In den vergangenen zehn Jahren wurde der EE-Ausbau verdreifacht. Seit 2018 kommt der Heidekreis auf Einsparungen von 7 Prozent. Das Konzept stützt sich auf eine Reduktion von 1,6 Prozent des Energieverbrauchs. Dafür bräuchte es einen Ausbau der Windkraft um Faktor 4 und der Photovoltaik um Faktor 3. dh