„Wir haben gelernt, dass Hilfe möglich ist“
Über zehn Flugstunden sind es von Hamburg aus nach Accra, der Hauptstadt des westafrikanischen Landes Ghana. Während für Kinder hierzulande der Schulbesuch selbstverständlich ist, scheitert er knapp 7000 Kilometer entfernt trotz ebenfalls bestehender Schulpflicht vor allem an finanziellen Hürden. Der Verein Friendship with Ghana aus Bispingen hat sich 2014 zur Aufgabe gemacht, Kinder und Jugendliche im Stadtviertel Teshie bei der schulischen und beruflichen Ausbildung zu unterstützen. Nun feiert der Verein seinen zehnten Geburtstag mit einem Dankeschön-Fest und interkulturellem Austausch für seine Mitglieder, Unterstützer und Partner.
Im Großraum Accra gibt es nach Angaben der Agentur Rainbow-Garden-Village, die Freiwilligenarbeit und Praktika im Ausland organisiert, zahlreiche Familien, die unter der Armutsgrenze leben, sowie 60 000 Straßenkinder. Kinder, die dort aufwachsen, sind oft sich selbst überlassen, haben wenig bis keine Unterstützung. Ein Schulbesuch ist in diesem Kontext nicht möglich. Im Stadtteil Teshi ist die Arbeitslosigkeit hoch, viele Familien verfügten über kein reguläres Einkommen, so die Erfahrung von Friendship with Ghana.
Der Schulbesuch ist mit einigen Kosten verbunden: Für sehr einfach ausgestattete Schulen kostet er nach Angaben des Vereins je nach Klassenstufe zwischen 120 und 150 Euro pro Kind und Jahr. Außerdem müssen Schuluniform, Transport, Schulmahlzeiten und Bücher bezahlt werden. Das könnten sich ohnehin an der Armutsgrenze lebende Familien nicht leisten. Die Folge ist, dass viele Kinder überhaupt nicht oder nur gelegentlich zur Schule gehen.
Gute Bildung ist „das Tor zur Welt“,
„Die Qualität der öffentlichen Schulen ist oft unzureichend und sie sind überfüllt“, erklärt Martina Witte, die den Bispinger Verein leitet. Daher versucht Friendship with Ghana seinen unterstützten Patenkindern auf einer der zahlreichen Privatschulen eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Denn Bildung sei überall „das Tor zur Welt“, sind die Mitglieder von Frienship with Ghana überzeugt. „Wir haben gelernt, dass Hilfe möglich ist“, sagt Vereinsmitglied Gerd Prüser. Mehrere ehemals unterstützte Patenkinder hätten mittlerweile einen Uniabschluss oder arbeiteten darauf hin, andere hätten sich beruflich ausgebildet und im Arbeitsleben Fuß gefasst, sagt Witte.
Der Verein arbeitet eng mit dem Partnerverein Heneson-Reaching-Out-Foundation NPO in Ghana zusammen. Dessen Vertreter Jacob Tetteh ist ihr „sehr zuverlässiger lokaler Ansprechpartner“. Er besucht die Schulen, betreut die Familien, informiert den Bispinger Verein über Lernerfolge und eventuelle Probleme. „Es ist Vorschrift, dass wir mit einem Partnerverein in Ghana zusammenarbeiten“, erklärt Prüser. Zeitgleich zum Bispinger Verein hat sich in Accra der Partnerverein gegründet und die Zusammenarbeit entwickelt. „Wir sind ein kleiner Verein in Bispingen, was auch unsere Stärke ist. Bei uns geht jedes Geld sofort in die Schulbildung. Diese Größenordnung wollen wir auch beibehalten.“
Angefangen hat die Arbeit des Vereins mit vier Patenkindern, die die Mitglieder vermitteln konnten. Zehn Jahre später sind es 52. Für vier Kinder sucht Friendship with Ghana noch neue Patinnen und Paten. Dabei sind auch geteilte Patenschaften möglich. Der finanzielle Beitrag von 15 bis 30 Euro im Monat sichert Mädchen und Jungen nicht nur den Schulbesuch, sondern auch tägliche Schulspeisungen und eine ärztliche Grundversorgung. „Wir sind für Kinder und Familien zuständig, die von Armut betroffen sind“, sagt Witte.
Tetteh ist mit seinem Netzwerk Auge und Ohr vor Ort und informiert den Vorstand des Vereins in Bispingen über Kinder und Familien, die Unterstützung benötigen. Wer aufgenommen wurde, wird bis zum Schulabschluss , bis zur Ausbildung begleitet, „bis sie auf eigenen Füßen stehen“, so Witte. Beim Dankeschön-Fest zum zehnjährigen Bestehen berichtete Tetteh in Bispingen öffentlich von seiner Tätigkeit in Teshi. Der Dank des Vereins richtete sich besonders an die Paten: „Wir könnten nichts machen, wenn wir nicht die finanzielle Unterstützung der Paten hätten“, sagt Witte. Das Fest selbst stand im Zeichen des interkulturellen Austausches. „Die Tradition in Ghana ist bunt und vielfältig. Das kam bei unserem Fest mit Trommeln, Tanzen und Essen zum Ausdruck.“ Regelmäßig reisen die Mitglieder des Vereins selbst nach Teshi, um sich davon zu überzeugen, wie das Geld verwendet wird. Sie organisieren in diesem Zusammenhang auch Ausflüge für die Kinder und Jugendlichen.
Die Anfänge des Vereins gehen aber noch über die bisherigen zehn Jahre hinaus: Vorstandsmitglied Annegret Schröder hatte vor 13 Jahren durch persönliche Kontakte von einer dreifachen Mutter erfahren, die bei der Geburt des dritten Kindes starb. Das war ein Schlüsselmoment für den später gegründeten Verein, so Witte. Wenn die Mutter stirbt, fange in der Regel die Großfamilie die Kinder auf, aber die Bildung bleibe meist auf der Strecke. Ähnlich sei es, wenn die Frauen alleinerziehend seien. „Damals hat sich formlos ein kleiner Kreis gebildet und Gelder gesammelt, die wir dieser Familie haben zukommen lassen.“
„Immer mutiger werden,immer zielgerichteter“
Neben Schule und Ausbildung ist die gesundheitliche Versorgung in ein zweiter Aspekt, der dem Verein aus Bispingen am Herzen liegt. Im Januar organisierten Witte und Tetteh den ersten Gesundheitstag, bei dem Aufklärung und Vorsorge im Mittelpunkt standen.
Bei seinen Reisen nach Teshi in diesem Herbst verfolgt der Verein vor Ort das Ziel, Kontakte zu kleinen Firmen aufzubauen, wo die Patenkinder nach der Schule ein Praktikum machen und ins Erwerbsleben einsteigen können. „Das ist eine Entwicklung, die wir mit den Jahren gemacht haben. Immer mutiger werden, immer zielgerichteter arbeiten.“