Gummistiefel und Bewegungsfahrten
Den Auftakt der vom Landvolk-Kreisverband Lüneburger Heide organisierten „Aktionswoche zu Agrardiesel und Kfz-Steuer“ auf Kreisebene werden viele Einwohner möglicherweise mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nehmen. Am morgigen Sonntag sollen an den Ortsschildern aufgehängte Gummistiefel auf das Anliegen der Landwirte aufmerksam machen.
Danach dürfte es kämpferischer werden, verbunden mit Beeinträchtigungen für Verkehrsteilnehmer, die, das betonen die Verantwortlichen, möglichst gering ausfallen und im Rahmen des gesetzlich Zulässigen verlaufen sollen. Am Montag wird es laut dem vom Landvolk-Kreisvorsitzenden Henrik Rump und Geschäftsführer Henning Jensen vorgestellten Ablaufplan über den ganzen Tag von 6 bis 18 Uhr „Bewegungsfahrten im Landkreis mit Schleppern“ geben. Sammelpunkt ist im Bereich Dorfmark/Riepe. Dann geht es über Bad Fallingbostel, Walsrode und Honerdingen in Richtung Neuenkirchen und weitere Nordkreiskommunen. Gegen 16.30 Uhr sollen die Traktoren an Brücken und parallel entlang den Autobahnen gestellt werden.
Am Donnerstag, 11. Januar, werden Landwirte aus dem Heidekreis an einer Kundgebung in Hannover teilnehmen. Für Sonnabend ist um 14.30 Uhr eine Demonstration und Kundgebung im Heidekreis vorgesehen – wo, stand gestern noch nicht fest. Am übernächsten Montag, 15. Januar, schließlich werden hiesige Landwirte zu einer Demonstration nach Berlin fahren. Die Veranstaltung am Brandenburger Tor ist zwar als Abschluss der Aktionswoche vorgesehen. „Das muss aber nicht zwangsläufig das Enddatum der Landwirte- proteste sein“, sagt Geschäftsführer Jensen. Zentrales Anliegen sei der Verzicht auf einen Abbau der Subvention von Agrardiesel.
Da war zunächst eine komplette Streichung der Steuerermäßigung von 21,48 Cent je Liter in diesem Jahr zusammen mit der Einführung der Kfz-Steuerpflicht für landwirtschaftliche Zugmaschinen angekündigt worden. Letzteres hat die Bundesregierung am Donnerstag nach den Landwirte-Protesten zum Jahresende (BZ von Freitag) zurückgenommen. Die Steuerbegünstigung des Agrardiesels von derzeit 21,48 Cent/Liter solle dagegen schrittweise über drei Jahre abgebaut werden: in diesem Jahr um 40 Prozent sowie 2025 und 2026 um jeweils weitere 30 Prozent.
Bei Dieselbesteuerung europaweit im Mittelfeld
Der Deutsche Bauernverband sowie das Landvolk Niedersachsen halten die Nachbesserungen für unzureichend und fordern die „komplette Zurücknahme der geplanten Kürzungen, die letztlich ein Einkommensverlust von fünf Prozent bedeuteten“, sagt das hiesige Landvolk und argumentiert: Die Steuer diene hauptsächlich dazu, die Verkehrsinfrastruktur zu errichten und zu unterhalten. „Landwirtschaftliche Maschinen sind überwiegend auf dem Feld oder im Wald, nicht auf der Straße unterwegs.“ Bei Erntearbeiten oder bei schweren Bodenarbeiten sei der Verbrauch um ein Vielfaches höher. Zudem gebe es keine praxistauglichen Elektrofahrzeuge für schwere Zugarbeiten.
Höhere Steuersätze erhöhten somit lediglich die Produktionskosten und schwächten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft. Europaweit gibt es nach Landvolkangaben eine große Spannbreite in der Agrardieselbesteuerung, am höchsten ist sie in den Niederlanden mit 50,4 Cent/Liter, am niedrigsten mit null Cent in Belgien und Luxemburg. In Frankreich betrage sie 37,7; in Polen 36,8; Italien 13,6; Spanien 9,7 und in Dänemark 6,95 Cent pro Liter. Deutschland liege mit seinem Wert im Mittelfeld.
Der Berufsstand habe bereits viele gesellschaftliche Aufgaben übernommen und viele in die Zukunft gerichtete Ziele aktiv bearbeitet, so das Landvolk. Obwohl das Umweltbundesamt dem landwirtschaftlichen Sektor eine Übererfüllung der Klimaziele bescheinigt, „sollen weitere Einschnitte für uns erfolgen, während andere Sektoren nahezu folgenlos weitermachen wie bisher“. Das werde man nicht hinnehmen, so Kreisvorsitzender Rump: „Irgendwann reicht es.“
Protest fair, demokratisch und rechtskonform
„Wir gestalten unseren Protest fair, demokratisch und rechtskonform“, heißt es in der Landvolk-Ankündigung zur Aktionswoche. Das bedeute:
- man respektiere die Privatsphäre politischer und öffentlich handelnder Akteure;
- man zeige die Aktionen ordnungsgemäß den zuständigen Behörden an;
- man mache Platz für Rettungswege und –fahrzeuge
- man bemühe sich um die Sicherheit der Menschen in und um den Protest;
- man halte sich fern von Überschwemmungs- und anderen Problemgebieten. Von Trittbrettfahrern die versuchten, die Proteste für ihre Zwecke auszunutzen, distanziere man sich ausdrücklich, betont Kreisvorsitzender Henrik Rump. Das Zeigen von Symbolen aus der NS-Zeit, wie sie in den letzten Wochen bei anonymen, oft über Whats-App-Gruppen organisierten Protesten vereinzelt zu sehen waren, bezeichnet er als „absolutes No Go“.