Tod eines „Herzenspferdes"
Weit war Valentine nicht mehr entfernt von einem geruhsamen Leben im Pferde-Ruhestand. Mit 16 Jahren gehörte sie im internationalen Reitsport bereits zu den älteren Pferden. Beim Nationenpreis der Vielseitigkeitsreiter im französischen Jardy am 16. Juli endete die Erfolgsgeschichte der Hannoveraner Fuchsstute aus Munster jedoch abrupt und tragisch. Laut Mitteilung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung zog sie sich „nach etwa Dreiviertel des Kurses auf offener Strecke zwischen zwei Hindernissen einen unheilbaren Trümmerbruch zu“. Das Tier wurde daraufhin auf Anraten der Veterinäre eingeschläfert.
Auf dem Rücken der Stute saß die erfahrene Vielseitigkeitsreiterin Nadine Marzahl aus Munster. „Valentine war mein Herzenspferd und uns verbindet mehr als nur der Sport“, erklärte die 40-Jährige nach dem Unglück gegenüber dem Verband. „Wenn es irgendwie gegangen wäre, hätten wir sie auf jeden Fall mit nach Hause genommen.“ Ein Pferd auf diese Art zu verlieren sei das Schlimmste, was einer Reiterin passieren könne. 2013 und 2014 startete das Mensch-Tier-Gespann bei den Weltmeisterschaften der jungen Vielseitigkeitspferde. Zuletzt wurde Marzahl mit Valentine erst vor wenigen Wochen Vierte bei den jährlichen Deutschen Meisterschaften in Luhmühlen.
„Alle haben großes Mitgefühl mit Nadine"
Der plötzliche Tod der Stute habe in der Reiterszene im Heidekreis Bestürzung ausgelöst, berichtet Jasmin Ingendahl. „Pferde sind für uns nicht einfach Sportgeräte, es sind Freunde und Lebensgefährten“, sagt die Vielseitigkeitsreiterin aus Soltau.
„Alle haben großes Mitgefühl mit Nadine. Einen solchen Verlust verarbeiten zu müssen, ist schwer.“ Vielseitigkeitsreiten ist ein teures und aufwendiges Hobby, alles andere als Breitensport. Die Zahl der Aktiven in der Region ist überschaubar, man kennt sich untereinander. Marzahl war früher einmal die Trainerin von Ingendahl.
Der Tod der Stute hat das internationale Vielseitigkeitsturnier überschattet. Nachrufe würdigen das lange und erfolgreiche Zusammenspiel zwischen Tier und Mensch. „Nadine Marzahl und Valentine sind in zehn Jahren gemeinsam in 61 internationalen Prüfungen am Start gewesen“, zieht das Reiterfachblatt St. Georg eine Schlussbilanz. Ingendahl war nicht dabei in Frankreich, sie kennt aber das Risiko von Trümmerbrüchen bei Pferden. „Es ist ein tragisches Unglück, dass überall passieren kann“, lautet ihre Einschätzung.
Gleichwohl nutzt die Tierrechtsorganisation Peta den Vorfall für eine Abrechnung mit dem Reitsport und ganz explizit dem Vielseitigkeitsreiten. „Immer wieder werden Pferde bei Vielseitigkeitsturnieren zu Tode geritten“, kommentiert Peta-Fachreferent Peter Höffken den Tod des Reitpferdes westlich von Paris. „Anders als die Menschen können sich die Pferde die Teilnahme nicht aussuchen. Sie werden über halsbrecherische Parcours gezwungen und dabei erheblichen Risiken ausgesetzt. Um Titel und Geld abräumen zu können, werden die Tiere als Sportgeräte missbraucht.“
Vielseitigkeitsreiter sind es gewohnt, von Tierschützern angegangen zu werden. Ihr für Mensch und Tier anspruchsvoller Sport ist ähnlich umstritten wie die Reit-Disziplin im Modernen Fünfkampf, der seine Wurzeln ebenso wie die Vielseitigkeit im Militär hat. Nach hässlichen Schlag-Szenen während der vergangenen Olympischen Spiele entschied der Fünfkampf-Weltverband, das Reiten künftig durch eine andere Disziplin zu ersetzen. In der hergebrachten Form findet der olympische Fünfkampf 2024 in Paris letztmalig statt.
Die Vielseitigkeit dagegen bleibt olympisch – sehr zum Verdruss von Peta. „Tiere sind nicht dazu da, dass sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten“, erklärt die Organisation. Ingendahl findet es traurig und unangemessen, dass Peta ausgerechnet den tragischen Tod von Valentine zum Anlass nimmt, um harte Grundsatzkritik am Pferdesport zu üben. Das sei unsensibel gegenüber einer Sportlerin, die um ihr Pferd trauere. „Man leidet schon genug“, findet sie.