Wasserbedarf auf den Feldern steigt
Der Klimawandel verschärft Verteilungskämpfe ums Trinkwasser. Deutschland ist davon weniger betroffen als viele andere Weltregionen. Doch auch hierzulande sind die Zeiten des sorglosen Umgangs mit der überlebenswichtigen Ressource vorbei. Erste Landkreise haben in diesem Hitzesommer bereits den Wassernotstand ausgerufen und den Verbrauch rationalisiert. Grundwasser-Messstellen melden teils historische Tiefststände. Auch im Heidekreis weisen Messdaten auf ein Absinken des Grundwasserspiegels hin. Vor diesem Hintergrund wächst die Sensibilität. Wie gerecht wird die knapper werdende Ressource verteilt, wer genießt im Zweifel Vorrang, wo liegen die größten Einsparpotenziale?
In den Fokus gerät die Landwirtschaft – vor allem in ländlich geprägten Kommunen wie dem Heidekreis. Mehr als die Hälfte der jährlich zugelassenen Grundwasser-Entnahmemenge ist hier für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung reserviert. Und auch das werde schon bald nicht mehr ausreichen, sagt Jochen Oestmann. Der Vorsitzende des Landvolk-Kreisverbands Lüneburger Heide fordert vom Landkreis die Anhebung der festgelegten maximal zulässigen Wasserentnahme, die aktuell bei jährlich 100 Litern pro Quadratmeter landwirtschaftlich genutzter Fläche liegt. Der Heidekreis gestattet damit bereits mehr als viele andere Landkreise, räumt Oestmann ein. Ein sukzessiver Anstieg der Wassermenge bis 2050 auf etwa 150 Liter pro Quadratmeter sei dennoch notwendig. Die durch den Klimawandel getriebene zunehmende Trockenheit der Böden verlange nach mehr Beregnung, ansonsten seien die bislang gewohnten Erträge nicht mehr zu erzielen – weder in der konventionellen noch in der biologischen Landwirtschaft.
Mit der Forderung nach einer Erhöhung zulässiger Wassermengen steht der Landvolk- Kreisverband nicht allein da, der Bauernverband vertritt diese Position auch überregional. Populär ist das nicht unbedingt. Gegenwind spüren auch Landwirte im Heidekreis, etwa Ulrich Dralle. Der Kartoffelbauer aus Buchholz/Aller wurde beim Landkreis „angezeigt“, wie er sagt. Die Kreisverwaltung als Untere Wasserbehörde sei von einem Bürger aufgefordert worden, bei ihm einmal genauer hinzuschauen. Dass man nicht das direkte Gespräch gesucht habe, ärgert Dralle. Er befürchtet künftig noch strengere Aufzeichnungspflichten gegenüber dem Landkreis.
Landvolk bereit zum Dialog
Um den Dialog zu fördern, lud der Kreisverband des Landvolks jetzt zur Pressekonferenz. Denn es gibt Redebedarf. Beregnungsanlagen, die man in diesem noch jungen, aber schon sehr heißen Sommer auf vielen Feldern im Heidekreis erblickt, werfen Fragen auf. Überall Appelle zum Wassersparen – und die Landwirte spritzen das kostbare Nass scheinbar großzügig und sorgenfrei auf ihre Äcker.
Dass der Schein trügt, wird im Gespräch mit Landvolk-Kreischef Jochen Oestmann, Kreis-Geschäftsführer Henning Jensen, dem Kartoffelbauer Ulrich Dralle und Thomas Lucas, dem Geschäftsführer des Dachverbands der Wasser- und Boden- sowie Unterhaltungsverbände, schnell klar. Natürlich gibt es genaue Vorschriften und Dokumentationspflichten, Unterschiede zwischen Standorten und Anbausorten, verschiedene technische Wassereinsparinnovationen, strenge Regeln und komplizierte Ausnahmen davon. Viel Wasser-Bürokratie, die auch Arbeitszeit bindet und Kosten verursacht, wie Dralle an Beispielen aus seinem Berufsalltag ausführt. Keine Beregnung bei Temperaturen jenseits von 28 Grad und bei Stürmen ab Windstärke 6 auf der Beaufortskala, keine Mit-Beregnung von Feldwegen. Präzise soll gewässert werden, dafür müssen Landwirte technisch aufrüsten. Auch Dralle will in den kommenden drei Jahren eine halbe Million Euro investieren, damit seine Felder künftig wassersparender beregnet werden. 600 Hektar Acker bewirtschaftet er, 15 Regenmaschinen stehen ihm dafür zur Verfügung. Von den 100 Litern, die ihm pro Jahr und Quadratmeter eigentlich zustehen würden, ist er weit entfernt. Als der Landwirt frank und frei erklärt, dass er auf 250 Liter pro Quadratmeter komme, zeigt sich sogar Oestmann übberrascht und ein bisschen erschrocken.
Pommes in Gefahr: Trockenheit lässt Kartoffeln schrumpfen
Dralle kann das erklären. Auf seinen Feldern zieht er unter anderem Kartoffeln für die Produktion von Pommes Frites. Dieser Markt verlange nach besonders großen Kartoffeln, und die benötigten nun einmal viel Wasser. Ohne intensive Beregnung, so der Landwirt, würden nicht nur die einzelnen Knollen schrumpfen, sondern auch das Gesamtvolumen der Kartoffelernte. Rechtlich möglich ist die massive Überschreitung der vom Landkreis festgesetzten 100-Liter-Obergrenze, weil Dralle und andere Landwirte im Dorf einen kleinen Beregnungsverband gebildet haben und einen gemeinsamen Pool bilden. Verbraucht der eine weniger Wasser, kann der andere mehr davon nutzen. „Das ist nur in Ausnahmefällen möglich“, sagt Wasserfachmann Lucas.
Die Lage der Landwirtschaft im Klimawandel ist kompliziert. Immer höhere Wasserzuweisungen können nicht die Lösung sein, Ernteeinbußen wegen Trockenheit aber auch nicht. Obergrenzen für den Verbrauch sind durchaus Innovationstreiber, räumen Lucas und Oestmann ein. Nur unrealistisch dürfen die Vorgaben nicht sein – ein schmaler Grat. Die hohe Wertschöpfung auf den Feldern im Heidekreis müsse jedenfalls erhalten bleiben, gibt Jensen die Richtung vor. Und gerade die der Ernährung von Menschen statt Nutztieren dienenden Pflanzen hätten nun einmal einen erhöhten Wasserbedarf. Am Ende muss der Klimawandel begrenzt werden. Aber das ist ein anderes, großes und globales Thema.