Das Ende der Geduld ist da
Wer für kommenden Montag eine Zugfahrt von Bremen nach Uelzen bucht, bekommt als schnellste Variante die Regionalbahn 37 angeboten. Mit einem Niedersachsenticket für 25 Euro ohne Umsteigen in zwei Stunden und sechs Minuten von Hansestadt zu Hansestadt. Die Alternative mit dem Metronom über Hamburg-Harburg dauert fast 20 Minuten länger, enthält einen Umstieg und ist in der stornierbaren Ticket-Version auch noch 8,40 Euro teurer. Einziger Haken des so vorteilhaft erscheinenden Direktzugs von Start Niedersachsen Mitte: Er wird in der Realität wahrscheinlich niemals fahren und der Reisende sich entweder doch auf der Alternativstrecke wiederfinden oder im Bus-Ersatzverkehr. Zur ausgewiesenen Ankunftszeit wird er Uelzen jedenfalls mutmaßlich nicht erreichen, ausgewählte Anschlusszüge wird er verpassen.
Geisterzüge in der Buchungs-App
So ist die Lage seit inzwischen mehr als einem Monat. Die Amerika-Linie zwischen Bremen und Uelzen liegt brach. Ersatzbusse bedienen die Strecke und verkehren nach eigenem Notfahrplan, der online eingesehen werden kann (die Böhme-Zeitung berichtete mehrfach). Weil der Bus-Ersatzverkehr vom Betreiber Start Niedersachsen Mitte immer nur für eine Woche im Voraus bestätigt wird, tauchen ihre Züge bei frühzeitigen Buchungen ganz regulär in der Buchungs-App der Deutschen Bahn auf. Diese Geisterzüge können ganz normal gebucht werden, auch als Teilstrecke auf dem Weg etwa nach Stendal, Magdeburg oder Berlin. Wer die speziellen Verhältnisse auf dem Heidekreuz nicht kennt, tappt schnell in die Falle.
An dieser kundenunfreundlichen Situation werde sich nichts ändern, teilt Start Niedersachsen auf BZ-Anfrage mit. Es bleibe bei der wochenweise Verlängerung des Ersatzverkehrs. Aufgrund der „Unvorhersehbarkeit der aktuellen Situation“ lasse sich „ein festgelegter Gesamtzeitraum für den Bus-Ersatzverkehr nicht angeben“, so ein Unternehmenssprecher. Eine Prognose, ab wann zwischen Bremen und Uelzen wieder Züge fahren werden, lässt sich das Bahnunternehmen nicht entlocken. „Ein konkretes Datum zur Wiederaufnahme des regulären Bahnverkehrs ist nicht feststellbar“, so die lapidare Auskunft. Verbindlich bestätigt ist der Busersatz aktuell bis zum kommenden Sonntag.
Derweil wächst der Druck auf den Streckenbetreiber. Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert das Land Niedersachsen auf, die vorzeitige Kündigung des Vertrages mit Start und einen Notbetrieb bis zu einer erfolgten Neuausschreibung des Streckennetzes vorzubereiten. „Die maßgeblich von der DB-Tochter Start Niedersachsen-Mitte zu verantwortenden verheerenden Zustände im Dieselnetz Niedersachsen-Mitte können den Fahrgästen nicht mehr länger zugemutet werden“, heißt es in einer aktuellen Erklärung des Verbands. Auch auf anderen Strecken des Unternehmens – zum Beispiel zwischen Hannover und Hamburg – seien „Zugausfälle und verkürzte Züge an der Tagesordnung“. Die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) solle dem Bahnunternehmen, soweit dies für eine Vertragskündigung zwingend erforderlich sei, ohne weiteren Zeitverzug eine Abmahnung schicken – „und anschließend bei fortgesetzter Schlechtleistung zum frühestmöglichen Zeitpunkt kündigen.“
„Start hat den Bogen einfach überspannt"
„Was derzeit von Start geboten wird, ist absolut inakzeptabel und muss harte Konsequenzen nach sich ziehen“, sagt Pro-Bahn-Landesvorsitzender Malte Diehl. „Unter Personalmangel leiden alle Eisenbahnunternehmen, aber Start ist das einzige in Niedersachsen, das es nicht schafft, genügend Fahrzeuge instandzuhalten, obwohl ausreichend Reserven bestehen. Hinzu kommen zahlreiche andere von Start zu verantwortende Pannen, die den Bogen einfach überspannen.“
Der Fahrgastverband verweist auf offizielle Zahlen, denen zufolge Start schon 2022 niedersachsenweit „mit großem Abstand die meisten technisch bedingten Zugausfälle zu verzeichnen hatte“. Seit Betriebsübernahme im Dezember 2021 sei „mehr als genug Zeit gewesen, Schwachstellen in der Wartung zu beseitigen“. Der eingesetzte Fahrzeugtyp LINT 41 sei mit mehreren hundert Exemplaren bei Bahnen in ganz Deutschland „weitgehend störungsfrei im Einsatz, selbst wenn dort die Fahrzeuge deutlich älter sind“. Es handle sich bei Start mithin um „fortgesetztes organisatorisches Versagen“.
„Uns gegenüber gemachte Aussagen von Start-Beschäftigen bestätigen diese Vermutung nachdrücklich“, sagt Holger Klages, Vorsitzender des Pro-Bahn-Regionalverbands Braunschweig-Hildesheim. „Es gab absurde Fälle, in denen Triebwagen tagelang nur mit einem Motor fahren mussten, weil der zweite defekt war, oder Kühlwasser von der Decke in den Fahrgastraum tropfte und die betroffenen Sitzplätze abgesperrt werden mussten. Wir glauben daher nicht mehr an eine nennenswerte Verbesserung unter dem jetzigen Betreiber.“ Stillzuhalten sei keine Option mehr, so der Verband. „Bereits jetzt hat Start enormen Schaden an der Eisenbahn verursacht und zahlreiche Menschen zurück ins Auto getrieben.“