Im Güterverkehr bleibt der Lkw das Maß der Dinge

Autohof-Betriebsleiter Andreas Hecker (links) und Hotelmanager Alexander Kruse freuen sich, dass die Mega-Baustelle an der A7 in Kürze endgültig der Vergangenheit angehören wird. Foto: ari

Mehr Güter auf die Schiene, lautet seit Jahren die Forderung. Tatsächlich wuchs der Schienengüterverkehr in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt schneller als der auf der Straße. An der Lkw-Dominanz ändert das aber nichts. Immer noch werden mehr als 70 Prozent der jährlich gut 700 Milliarden Tonnenkilometer, die im deutschen Güterverkehr anfallen, über die Straße abgewickelt. Auf die Bahn entfallen nur 19 Prozent Marktanteil. Damit liegt Deutschland klar hinter den Nachbarländern Österreich (28 Prozent) und Schweiz (34).

In den vergangenen Jahren kam die Aufholjagd der Bahn im deutschen Güterverkehr ins Stocken. „Die Güterbahnen haben Mühe, ihre Marktanteile zu behaupten“, heißt es in einer Auswertung des Verkehrsbündnisses „Allianz pro Schiene“. Ein Grund ist die lange vernachlässigte Schienen-Infrastruktur. Der Ausbau des Streckennetzes soll nun nachgeholt werden, und der Verbindung zwischen Hamburg und Hannover fällt aufgrund des Hamburger Hafens als Güter-Einfallstor eine Schlüsselrolle zu. Sowohl die Neubaupläne der Bahn als auch das konkurrierende Ausbaukonzept Alpha E verfolgen das Ziel, zusätzliche Güterkapazitäten auf der Schiene zu schaffen. Viel Zeit wurde vergeudet, allein die fruchtlosen Planungen rund um die sogenannte Y-Trasse zogen sich mehr als zehn Jahre hin.

Derweil schwillt der Lkw-Güterverkehr weiter an. Laut aktueller Prognose des Bundesverkehrsministeriums soll sich das Verkehrsaufkommen bis ins Jahr 2051 „auf der Straße mit einem Wachstum von 34 Prozent deutlich dynamischer entwickeln als jenes auf Schiene (plus 14 Prozent) und Wasserstraße (minus 10)“. Ursächlich sei ein starker Rückgang von Massen- und Energiegütern zugunsten kleinteiligerer Stück- und Sammelgüter sowie von Postsendungen.

Insgesamt soll die Verkehrsleistung im Güterbereich bis 2051 um rund 46 Prozent zulegen. Und spiegelbildlich zur Bahn spielen auch im Straßennetz die Hafenhinterland-Autobahnen 1 und 7 bei der Bewältigung des Wachstums eine Schlüsselrolle. Das zieht nicht nur den Autobahnausbau nach sich, sondern auch die Erweiterung der Lkw-Infrastruktur. Ein Element ist die Schaffung von mehr Stellplätzen. Ein großer neuer Autohof an der A7, Ausfahrt Evendorf, soll kommenden Monat eröffnen und die Stellplatz-Situation in der Region entzerren helfen. Nur einen Steinwurf von der Kreisgrenze entfernt ist einer der modernsten Autohöfe Europas entstanden, inklusive Hotelbau.

Wie ein Schiff auf dem Trockendock liegt der weiße Riese da und zieht die Augen vorbeirauschender Autofahrer auf sich. Ein Zweckbau, der gleichwohl nicht architektonisch billig wirkt, die Schiffsoptik ist gewollt. Eine Ausfahrt hinter Bispingen entsteht laut Branchenmagazin „Logistik im Wandel“ der „EU-weit modernste Lkw-Parkplatz“. Eigentlich sollte er seit Jahresbeginn in Betrieb sein, nach einigen Verzögerungen ist nun Ende Juni als neuer Eröffnungstermin avisiert. Man habe ein paar Fehler gemacht, gibt Thorsten Neumann zu, ohne sich Einzelheiten entlocken zu lassen. Es sei eben ein „Pilot“, da laufe nicht immer alles glatt. „Wir gehen einen neuen Weg“, erklärt der Projektentwickler der Stuttgarter Nanz-Gruppe.

Weitere Autohöfe gleicher Art sollen folgen. Die Nachfrage ist riesig. Der Bund plant und fördert mehr als 350 Aus- und Neubauvorhaben zur Schaffung zusätzlicher Lkw-Stellplätze. Dass es einen großen Mangel gibt, hat 2018 eine Auswertung des Bundesverkehrsministeriums ergeben. Platznot führe zu oft chaotischen Zuständen auf überfüllten Anlagen. „Entsprechend hoch ist das Unfallrisiko für alle Verkehrsteilnehmenden und entsprechend schlimm sind die Zustände angesichts des weiterhin wachsenden Güterverkehrs", heißt es beim ADAC.

Allein entlang der niedersächsischen Autobahnen fehlen laut ADAC rund 2.400 Lkw-Stellplätze. Bei einer Stichprobe des Automobilclubs im vergangenen Jahr fanden sich auf allen überprüften Autohöfen im Land Parkverstöße durch Lkw – jedenfalls fast. „Einzige rühmliche Ausnahme in der ADAC-Untersuchung ganz ohne Parkverstöße ist die Raststätte Lüneburger Heide West“, steht in der Auswertung. Die Größe und Struktur der Anlage in Bispingen wird darin gelobt. In unmittelbarer Nachbarschaft entstehen mit dem „Autohof Hamburg-Nordheide“ jetzt 150 zusätzliche Stellplätze. Sie können über ein modernes Reservierungssystem direkt aus der Fahrerkabine gebucht werden. Außerdem bietet die Anlage zunächst 24 Ladeplätze für Autos mit E-Antrieb, der weitere Ausbau in der Zukunft ist möglich.

Auch für Ladestationen künftiger E-Lkw sind Flächen reserviert. Der Strom wird, soweit möglich, aus einem Photovoltaik-Feld, das zum Gelände gehört, sowie einer weiteren PV-Anlage auf dem Gebäudedach, insgesamt rund 16.000 Quadratmetern, gewonnen. Das Gesamtgelände umfasst rund 160.000 Quadratmeter, davon entfallen rund 56.000 auf den eigentlichen Autohof, der zwei Gastronomien und ein Hotel der Kette Holiday Inn mit 80 Zimmern integriert. Die würden schon gebucht, freut sich Hoteldirektor Alexander Kruse. Das Hotel mit kostenlosen Parkplätzen sei nicht nur für Fernfahrer interessant. „Wir erhoffen uns einen gesunden Gästemix.“

80 Arbeitsplätze bringt die Anlage mit sich. Pendlern biete sich jetzt eine wohnortnahe Alternative, setzen Hotelier Kruse und Autohof-Betriebsleiter Andreas Hecker stark auf Kräfte aus den Landkreisen Harburg und Heidekreis. Die Rekrutierung fällt gleichwohl schwer, der Fachkräftemangel lässt sich nicht ausblenden. Wer Interesse an einen Job im Hotel hat, kann sich unter jobs@hiex-hh-sued.de bei Kruse melden. Wer seine berufliche Chance im Autohof sieht, kann seinen Hut per E- Mail an jobs@autohof-evendorf.de in den Ring werfen.