„Einfach mal sein“
Wie einen Stift hält der Mönch Geshe Könchok Mönlam zwei metallene Rohre in den Händen. Feiner Sand strömt heraus, der durch tütenförmige Trichter in einer Präzisionsarbeit auf eine weiße Platte gelenkt wird. Er hockt dabei und ist absolut in sein Tun vertieft. Das Sand-Mandala ist Grundlage für eine Feuer-Puja. Mit dem Ritual wird der weiblichen Tara, die im Buddhismus wie eine Göttin verehrt wird, gehuldigt. Der Ritualmeister, Geshe Könchok Mönlam, bereitet es draußen unter einem geschützten Dach des Meditionshauses Semkye Ling in Lünzen vor. Kein Windzug soll das fragile Werk zerstören. Es ist das Abschlussritual für einen niederländischen Gast-Mönch, der damit seine einmonatige Klausur beendet. Vor zehn Monaten ist der 47-jährige Mönch Könchok Mönlam aus Tibet in Schneverdingen angekommen. Sein Lehrer ist Geshe Pema Samten, der geistige Leiter des Tibetischen Zentrums Hamburg, zu dem das Haus in Schneverdingen gehört. Er hat seinen Zögling geschickt, um den Seminarbetrieb tatkräftig zu unterstützen. „Als Praktiker“, beschreibt ihn Anne Schäfer, die die Verwaltung leitet. Der tibetische Gelehrte sei für Seminar-Teilnehmer aber auch für das Hausteam eine große Bereicherung. Besonders sei, dass er die Weisheiten der tibetisch-buddhistischen Philosophie ganz alltagsnah durch sein Handeln vermitteln könne, beschreibt sie sein Vorgehen. Es könne durchaus passieren, dass er einen Gast mit einem Besen zum Fegen auffordert. Oder wenn Stress im Büro aufkommt, dann sagt er: „Ärger bringt keinen Nutzen.“
Lehren durch Gesten und Rituale
Gesten und Rituale helfen dem Mönch, der 30 Jahre im Kloster in Indien gelebt hat und dort den Buddhismus studiert hat, dabei die Weisheiten und Lehren in der Heide weiterzugeben. Seine Deutschkenntnisse sind bislang noch rudimentär. Er besucht einen Sprachkurs an der Volkshochschule in Walsrode und will dauerhaften Aufenthaltsstatus beantragen, denn seine Unterstützung im tibetischen Meditationshaus ist notwendig. Das Interesse am Buddhismus wächst. Verwaltungsleiterin Schäfer registriert eine wachsende Nachfrage. Allein im vergangenen Jahr kamen 773 Gäste ins buddhistische Zentrum nach Lünzen. Dazu gehören sowohl Teilnehmer eines Seminars, als auch Menschen, die zur Einkehr in Klausur gehen. Um 14 Prozent ist die Gästezahl in den vergangenen fünf Jahren gestiegen. Noch deutlicher lässt sich die Steigerung an den Seminartagen ableiten: um fast 30 Prozent von 2018 bis 2022. „Die Corona-Zeit hat uns mehr Gäste beschert“, sagt Schäfer. Seitdem werden viele Meditationen live per Stream ins Internet übertragen. So können 90 Gäste teilnehmen, obwohl in dem Tempel-Raum höchstens 40 Personen passen.
Krisen wecken Interesse an Buddhismus
Das Nachdenken über das eigene Leben, führt die Menschen zum Buddhismus, erklärt Schäfer. Gerade in persönlichen Krisen-Zeiten hinterfragen Männer und Frauen auf Sinnsuche die eigene Lebensführung. „Hier bei uns können sie einfach mal Sein“, beschreibt Schäfer die Vorzüge des tibetischen Zentrums. Kein Druck, kein Zwang lastet auf den Besuchern. Besonders Familien genießen die Unbeschwertheit. Dass Eltern mit ihren Kindern gemeinsam kommen können, sei ein Beispiel für den integrativen Ansatz.
Mönch lernt Rezepte
Die Küche braucht Verstärkung. Traditionell sei die tibetische Küche nicht so vielseitig. Es gibt Momos, das sind Teigtaschen und Reis mit Gemüse. Doch das Haus hat einen regen Seminarbetrieb und erfreut sich eines steigenden Zuspruchs, so dass Köchin Christiane Tantau nicht nur zwei Mini-Jobber an der Seite hat, sondern den neuen Mönch in die Rezepte einweiht.