Hochwasser: Alarmbereitschaft für Helfer
Land unter im Süden, relative Ruhe im Norden – der Heidekreis präsentiert sich zum Jahresende mal wieder tief gespalten. In diesem Fall einmal nicht politisch, sondern bezüglich der Hochwasserlage. Dauerregen lässt überall im Land die Pegel steigen und versetzt Katastrophenschutzhelfer in Alarmbereitschaft. Der Heidekreis macht da keine Ausnahme. Die größte Sorge gilt hier den Flüssen Leine und Aller im südlichen Kreisgebiet.
In Bomlitz bedrohte Hochwasser aus dem höhergelegenen Wald am Heiligabend zeitweilig eine an einem Sportplatz angrenzende Wohnsiedlung. Feuerwehren aus Bomlitz, Walsrode, Fulde und Honerdingen rückten aus. Im Rahmen eines mehrere Stunden dauernden Einsatzes gelang es ihnen mithilfe geschichteter Sandsäcke aus dem Depot des Bauhofs der Stadt Walsrode, die Wassermassen in die stark beanspruchten Gullys umzuleiten. Einige Keller waren beim Anrücken der Wehren jedoch bereits bis zu einem Wasserstand von 80 Zentimetern vollgelaufen. Eine Stille Nacht erlebten die ehrenamtlichen Einsatzkräfte am 24. Dezember nicht, und dabei sollte es in den kommenden Tagen bleiben.
Noch am Heiligabend rief Kreisbrandmeister Thomas Ruß kurzfristig eine Lagebesprechung ein, um sich einen Überblick zu verschaffen. Dazu kam die Führung der Kreisfeuerwehr in Dorfmark mit allen Stadt- und Gemeindebrandmeistern zusammen. Aus den Berichten ergab sich eine angespannte Hochwasserlage vor allem in den Samtgemeinden Ahlden und Schwarmstedt. Für die technischen Einsatzleitungen Nord und Süd wurde ein Voralarm ausgelöst. Bei weiterer Zuspitzung der Lage im südlichen Kreisgebiet stünden Kräfte aus dem Nordkreis zur Verstärkung bereit. Zusätzliche Sandsäcke wurden für ihren möglichen Gebrauch vorbereitet, die durch Einsatzübungen eingespielten Mechanismen griffen. „Viele Kameradinnen und Kameraden sind im Einsatz, während ihre Familien allein zu Hause sitzen“, erklärte Ruß mit Blick auf die Festtage, die eigentlich eine besinnliche Ruhepause sein sollten. „Das ist ein unermesslicher Dienst für die Gesellschaft, der mit Geld nicht zu bezahlen ist“, würdigte der Kreisbrandmeister das ehrenamtliche Engagement seiner Leute und wünschte ihnen trotz der widrigen Umstände „eine schöne Weihnachtszeit“. Im Anschluss an die Lagebesprechung nahmen Ruß und seine Stellvertreter an einer Konferenz mit Landrat Jens Grote und den Hauptverwaltungsbeamten der Samtgemeinden Ahlden und Schwarmstedt sowie der Stadt Bad Fallingbostel teil. Ruß informierte die Verwaltungsspitzen bei dieser Gelegenheit über die Einsatzsituation.
Diese blieb über die Feiertage herausfordernd. „Nachdem es in der Nacht zu weiteren starken Niederschlägen kam, und die bereits vom Wasser gesättigten Böden kein weiteres Wasser aufnehmen konnten, floss das Oberflächenwasser in vielen Bereichen unkontrolliert in Keller, Straßen und auf Grundstücke“, beschreibt Thomas Klamet, Sprecher der Feuerwehr Heidekreis, die Situation zum Wochenanfang. „Besonders betroffen war erneut der Bereich Hodenhagen, der bereits am Heiligen Abend ein Schwerpunkt war.“
Ganztägige Einsätze am ersten Weihnachtstag
Die Zahl der Einsätze im Heidekreis kletterte über die Festtage auf einen dreistelligen Wert. Im Bereich des Wiedenhausener Bachs stieg der Wasserpegel zeitweilig so stark an, dass für alle Feuerwehren in der Samtgemeinde Ahlden sowie die THW-Ortsverbände Soltau und Fallingbostel-Walsrode Alarm ausgelöst werden musste. Fast 350 Einsatzkräfte waren über den ganzen Ersten Weihnachtsfeiertag allein dort im Einsatz, um Schlimmeres zu verhindern. Statt Gans und Rotkohl im Kreise der Familie zu genießen, wurden sie am Feuerwehrhaus Hodenhagen vom Arbeiter-Samariter-Bund verpflegt. An der Aller-Meiße-Halle wurde eine Befüllstation für Sandsäcke eingerichtet. Mehr als 15 000 Säcke wurden dort unter großer Beteiligung der Bevölkerung als taktische Reserve bereitgestellt. Einen guten Überblick über das überschwemmungsbedrohte Gebiet lieferte eine Kameradrohne der Kreisfeuerwehr. All dies war zusätzlich zum gewöhnlichen Feuerwehrdienst zu leisten, hebt Pressesprecher Klamet hervor. So rückten Einsatzkräfte etwa in Neuenkirchen zu einer ausgelösten Brandmeldeanlage aus und löschten in Bomlitz eine brennende Mülltonne. Die Pegel an Aller und Leine dürften derweil weiter steigen. „Die Situation wird engmaschig überwacht und bei Bedarf werden weitere Maßnahmen eingeleitet“, heißt es bei der Kreisfeuerwehr.
Einen besonderen Einsatzort bildet der Serengeti-Park in Hodenhagen mit seinen rund 1500 Tieren. Das Gelände ist vom Hochwasser schwer getroffen, weite Teile sind überflutet und gar nicht oder nur noch mit Unimogs oder Traktoren zu erreichen. „Es ist eine Notlage, wie wir sie der fast 50-jährigen Geschichte des Parks so noch nie erlebt haben", erklärt Parkinhaber Dr. Fabrizio Sepe. Mit dauerhaftem Pumpeneinsatz, rund 15 000 Sandsäcken und der Aufschüttung provisorischer Dämme konnten die Stallungen der Tiere bislang weitgehend abgesichert werden. „Helfer von Feuerwehr und THW sind unermüdlich im Einsatz“, bedankt sich die Parkleitung im Namen von Raubkatzen, Zebras und anderer Tierarten für Hilfeleistung unter schwierigsten Bedingungen. Die Wassermassen haben inzwischen etliche Bauten des Parks umschlossen. Betroffen sind neben Versorgungs- und Verwaltungsgebäuden auch Teile der Lodges, Shops und Restaurants.
Die Höhe des Schadens ist kaum schätzbar und in der vergangenen Nacht trafen Sepe und sein Team weitere Hiobsbotschaften: Die Hauptzufahrtsstraße zum Park ist nicht mehr befahrbar und für das gesamte Gelände musste der Strom abgestellt werden. „Über Rettungswege können unsere Tierpfleger mit Treckern weiterhin ihre Schützlinge erreichen“, so Sepe. „Die Versorgung der Tiere ist aktuell noch gewährleistet. Jetzt können wir nur noch hoffen, dass die Pegelstände nicht weiter steigen.“
Die Parkleitung versucht nun händeringend, vier große Notstromaggregate zu organisieren. „Ohne Strom sind die Stallungen nicht mehr beheizt“, schildert Sepe den Ernst der Lage. „Noch sind die Temperaturen mild, aber sollten sie fallen, sind ohne Heizung das Wohlergehen und Leben einiger nicht heimischer Arten in unserem Bestand stark gefährdet.“
Feuerwehrkräfte auch aus dem Nachbarkreis Uelzen sind durch die Hochwasserlage im Heidekreis stark gefordert. Andere Institutionen leisten ebenfalls ihren Beitrag zum gemeinen Wohl. So waren etwa Kräfte der DLRG im Einsatz, um ein verstopftes Dükerrohr zu befreien. Auch viele Einsatzkräfte des THW-Ortsverbandes Soltau hätten „das Weihnachtsfest bei Ihrer zweiten, ‚blauen Familie‘ verbracht, anstatt es mit Ihren Angehörigen zu feiern“, teilt THW-Sprecher Markus Lampe mit. Die Ehrenamtlichen des Hilfswerks haben „Sandsäcke verlegt, Pumparbeiten durchgeführt und zusammen mit Einsatzkräften der Ortsverbände Fallingbostel-Walsrode und Uelzen die Feuerwehren bei der örtlichen Gefahrenabwehr unterstützt“, so Lampe. Dabei seien bislang rund 1000 Einsatzstunden zusammengekommen.
Am Mittwoch hat sich die Hochwasserlage zunächst weitgehend stabilisiert. „Es zeigt sich in diesen Tagen, dass aus den vergangenen Hochwassern sowohl in den Kommunen als auch vom Land die richtigen Lehren gezogen wurden“, zieht Innenministerin Daniela Behrens (SPD) eine erste vorsichtige Zwischenbilanz. Einsatzkräfte seien vielfach präventiv im Einsatz gewesen und hätten dafür gesorgt, „dass Wasser umgeleitet oder gestaut wurde, bevor es zu gefährlichen Situationen für die Bevölkerung kommen konnte.“
Entwarnung gibt die Ministerin aber noch nicht. Am bevorstehenden Silvesterwochenende könnte sich die Lage erneut verschärfen, warnt Behrens. Vor Ort zeigt man sich auf alles vorbereitet. Die Pegelstände der Aller werden durch Wasser aus den Talsperren im Harz zunächst weiter steigen, prognostiziert Boris-Alexander Krug, Sprecher der Feuerwehren der Samtgemeinde Ahlden.
Bislang blieb die Welle aus, Höchststände seien jedoch im Laufe des Mittwochs und am heutigen Donnerstagvormittag zu erwarten. „Die Lage bleibt dynamisch und wird von Fachleuten beobachtet und bewertet. Kräfte und Mittel werden zielgerichtet der jeweiligen Lageänderung angepasst.“