Famila-Ansiedlung: IHG macht Druck
Nachdem die Gewerbetreibenden der Almhöhe ihr Unverständnis zu den Plänen der Stadt, einen Famila-Supermarkt an der Celler Straße ansiedeln zu wollen, erklärt haben (BZ vom 14. Dezember), zogen am gestrigen Mittwoch deren Kolleginnen und Kollegen aus der Innenstadt nach. Gemein ist allen, dass sie dadurch eine „Zerfaserung“ der Kaufkraft fürchten. Vor allem den Handel im Stadtzentrum sehen sie durch einen weiteren Supermarkt in Gefahr.
„Mit dem Sortiment eines Familas wird die Innenstadt leer gefegt“, sagte Sascha Lühr als Vizevorsitzender der Interessengemeinschaft Handel und Gewerbe (IHG) und verweist auf Waren des Bastel- oder Reformhausbedarf, auf Bekleidung, Sport, Blumen, Schuhe und Spiel- und Haushaltswaren, die es auch in der Innenstadt zu kaufen gibt. Nach der Meinung der IHG geht das Famila-Angebot weit über reine Lebensmittel hinaus. Eine Ansiedlung mit dem Nahversorgungsbedarf in Tetendorf zu begründen, sei lächerlich. Zudem gebe es weitere Pläne von Discountern, sich zu vergrößern beziehungsweise neu in Soltau zu bauen. Und im Fachmarktzentrum öffne für den Bereich der Südstadt im Zuge der Neustrukturierung ein Rewe-Supermarkt.
„Wir als IHG sehen schon jetzt die Entwicklung für die Innenstadt extrem kritisch“, so die Vertreter und verweisen auf nicht funktionierende Straßenlaternen, abgeholzte Bäume: Die Liste sei lang, deshalb sollten die Pläne rund um die Städtebauförderung endlich umgesetzt werden, um die Innenstadt zu stärken. Dass der Neustart des Fachmarktzentrums Almhöhe sich fatal auswirken könnte, sieht die IHG dagegen nicht: Das sei ein bestehender Einzelhandelsstandort, da gebe es Erfahrungen aus gut 20 Jahren. Vielmehr sollte man den Start und den Betrieb des Vega-Marktes abwarten, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Jetzt sei der falsche Zeitpunkt, Nägel mit Köpfen zu machen.
Das jedenfalls fürchten die Gewerbetreibenden mit einem Beschluss am heutigen Donnerstagabend. Der Stadtrat tagt um 17 Uhr in der Alten Reithalle unter anderem zum neuen Einzelhandels- und Zentrenkonzept. Darin wird auch dargelegt, dass durchaus noch Bedarf für einen weiteren Nahversorger an der Celler Straße bestehen könnte. Ihre Sicht zur Einzelhandelsentwicklung legte gestern ebenfalls im Vorfeld der Ratssitzung die Verwaltung dar. Erster Stadtrat Karsten Lemke und Stadtplanungschef Daniel Gebelein erinnerten an den Zustand des Fachmarktzentrums noch vor nicht allzu langer Zeit, als man vergeblich versucht habe, einen neuen Ankermieter heißt Supermarkt für den Bereich zu gewinnen. Alle, auch Rewe und Famila, hätten mit dem Hinweis abgewunken, sie gingen nicht in den alten Kauflandstandort.
Also hätte die Stadt andere Flächen in sogenannten „integrierter Lage“ gesucht, um dem Nahversorgungsauftrag für die Südstadt zu genügen. Anfang Juli 2021 wurden die Famila-Pläne öffentlich. Schon da, so Lemke und Gebelein, habe der neue Investor des Fachmarktzentrums, die türkische Nata-Gruppe, gewusst, dass das Famila-Vorhaben nicht ad acta gelegt werde, wenn es weiterhin ein Versorgungsdefizit gebe. Unter dieser Prämisse habe auch Rewe für einen zweiten Standort in Soltau zugesagt. Das Handelsunternehmen sieht das so allerdings nicht und hat sich gestern mit einem Schreiben an den Stadtrat gewandt. Rewe spricht darin von einem Verdrängungswettbewerb und der „Schädigung der bestehenden Versorgungseinrichtungen“.
Gebelein jedenfalls betonte, dass sich die Verwaltung sehr bemüht habe, dass die Revitalisierung der Almhöhe auch aus raumordnerischer Sicht gelinge. Dazu habe gezählt, das ursprünglich zusammenhängende SB-Warenhausangebot des Kauflands aufzusplitten, damit sich stattdessen ein Supermarkt und eine Drogerie hätten ansiedeln können. Nicht ganz glücklich scheint der Stadtplaner mit diesem Schritt, aber auch mit der Zulassung der Ansiedlung von New Yorker zu sein. Beides könne durchaus negative Einflüsse auf die Innenstadt haben. „Heutzutage würde es keine Genehmigung für ein Fachmarktzentrum mehr geben.“
Lemke und Gebelein verwiesen zu der aktuellen Diskussion nach Walsrode mit insgesamt vier Vollsortimentern in vier Quartieren, und sie wehrten sich gegen die Einordnung eines möglichen Familas in Soltau als vierten Einzelhandelsstandort. „Wir haben nur drei Standorte: die Innenstadt, das Fachmarktzentrum und das Designer Outlet. Famila ist wie Edeka oder Rewe ein Nahversorger.“ Klar sei schon jetzt und das wisse Famila, dass beispielsweise Bekleidung, Schuhe oder Elektrowaren dort nicht angeboten werden dürften. Im Gegensatz zum Famila in Schneverdingen werde es in Soltau Begrenzungen im Non-Food-Bereich geben, weil andernorts genügend Verkaufsfläche vorhanden sei.
„Für uns ist das jetzt eine Planung für die Zukunft“, so Gebelein zu Bevölkerungszuwächsen beispielsweise im geplanten Neubaugebiet an der Tetendorfer Straße. Dem Stadtplaner ging es darum, „jetzt den Druck rauszunehmen“. Als nächstes müsse ein Verträglichkeitsgutachten beauftragt werden, das vorhandene Angebote, Umsätze an allen relevanten Standorten, aber auch Lärm oder Verkehr betrachte. „Wenn am Ende herauskommt, die Ansiedlung wäre nicht verträglich, dann ist das so.“
Während die Gewerbetreibenden der Almhöhe und der Innenstadt auf dem Standpunkt stehen, sich gegen die Anfänge einer Ansiedlung wehren zu müssen, verweist die Stadt auf die nötige Änderung des Flächennutzungsplanes und den Bebauungsplan. Möglicherweise werde erst 2026 dazu beraten. „Wir stehen erst ganz am Anfang.“
Rewe beklagt mögliche gezielte Fehlinformationen
Mit großer Sorge hat das Handelsunternehmen Rewe die aktuellen Planungen der Stadt Soltau zur Ansiedlung eines Lebensmittelvollsortimenters, genauer Famila, zur Kenntnis genommen. Das schreibt das Unternehmen im Vorfeld der Ratssitzung an die Kommunalpolitik und betont, dass die Notwendigkeit für die Planungen für sie nicht ersichtlich oder nachvollziehbar sind. Mit Edeka, Aldi, Netto, Rewe und Penny seien bereits zahlreiche Lebensmittelmärkte in Soltau ansässig und böten im Verhältnis zur Einwohnerzahl eine weit überdurchschnittliche Versorgung für die Bevölkerung. Rewe betreibe seit mehr als 30 Jahren am Bahnhof einen Lebensmittelmarkt, man sei mit weiteren Anbietern im Zentrum Soltaus Pfeiler der Innenstadt und für Bewohner umliegender Gemeinde attraktiver Einkaufsstandort. Zudem engagiere man sich nun in der Almhöhe und werte diese auf, schließe eine Versorgungslücke und helfe, eine Immobilie, die zu verfallen drohte, wieder aufzuwerten. Bereits bei der Schließung von Kaufland und Aldi 2018 sei die Lebensmittelversorgung angespannt gewesen: Der neue Rewe mit 1700 Quadratmetern Verkaufsfläche eröffne in Ergänzung mit einer Müller-Drogerie und weiteren Läden in einer „noch verträglichen Größe“. Bislang, so heißt es in dem Rewe-Schreiben, biete Soltau im Lebensmitteleinzelhandel ein ausgewogenes räumliches Gleichgewicht. Mit einer Angebotsausweitung an der Celler Straße gehe eine „massives Umlenken von Kaufkraft und in der Folge ein verschärfter Verdrängungswettbewerb einher“, fürchten das Unternehmen für Lebensmittelmärkte einen Umsatzrückgang von 15 bis 20 Prozent. Rewe spricht dem möglichen Standort an der Celler Straße einen Mehrwert für die Wohnbevölkerung ab. Man habe mit großem Erstaunen die Anlagen zum Einzelhandelskonzept zur Kenntnis genommen. Dort werde suggeriert, dass der neue Rewe-Markt in der Almhöhe kein Vollsortimenter wäre und damit eine angebliche Versorgungslücke geschlossen werden müsse. Man weise die Darstellung der Verwaltung in aller Entschiedenheit zurück und vermute, „dass diese Fehlinformationen gezielt gestreut wird, um einen weiteren Anbieter zu argumentieren, für den selbst der Entwurf des Einzelhandelskonzeptes sich kein umfängliches Potenzial auszuweisen traut.“ Das freie Potenzial an Verkaufsfläche reiche für den Erhalt und den Ausbau des vorhandenen Einzelhandels. Rewe verweist zudem auf fehlerhafte Werte in dem Konzept hin, das es letztlich unglaubwürdig und angreifbar mache. Es entstehe der Verdacht, dass man sich einen weiteren großflächigen Anbieter in Soltau „herbeirechne“.