„Bildung als Chance für ein besseres Leben“
Der Adventskalender des Schneverdinger Lions-Clubs ist beliebt und begehrt gleichermaßen. Obwohl die Stückzahl in diesem Jahr um 1000 auf nunmehr 7000 erhöht wurde, ist er längst ausverkauft, wie Gerhard Hinrichs aus dem Vorstand berichtet. Das Erfolgsrezept: Für fünf Euro Gutes tun und gleichzeitig die Chance auf einen Gutschein von Geschäften aus Schneverdingen ergattern. Die Böhme-Zeitung vermeldet in der Adventszeit täglich, hinter welchen Losnummern sich einer der insgesamt 272 Preise aus dem örtlichen Handel verbirgt. Eingelöst wird der Gutschein bei Hinrichs Papeterie an der Verdener Straße. Was mit dem aktuellen Erlös Gutes getan wird, steht noch nicht fest. Es soll aber in der Region ausgegeben werden. Im vergangenen Jahr sind 16 000 Euro durch die Wohltätigkeitsaktion zusammengekommen. Über den besonderen Spendenzweck berichtet der damalige Präsident Dr. Jürgen Wermser.
Was ist mit dem Erlös des Lions-Club-Adventskalenders 2022 erreicht worden?
Jürgen Wermser: Zwei Schulen für bedürftige Kinder im Osten Nepals sind im Laufe des Jahres modernisiert worden. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt vom Lions Club Kathmandu Namo Buddha und dem Lions Club Schneverdingen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Kinder in Nepal zu unterstützen?
Es gibt eine vertrauensvolle persönliche Vernetzung in die Region, da ich mit Phurba Sherpa, einem Lions-Mitglied aus der Region, seit vielen Jahre befreundet bin. Phurba war schon häufig Gast bei uns in Lünzen.
Waren Sie selbst schon einmal in Nepal, unabhängig vom Schulprojekt?
Ja, meine Frau und ich sind 2019 für mehrere Wochen in Nepal gewesen. Zusammen mit Phurba und seinem Sohn haben wir das Land bereist und auch bei seiner Familie in den Bergen gewohnt. Dabei haben wir einen sehr persönlichen Eindruck von den dortigen Lebensverhältnissen gewinnen können.
Ist Nepal immer noch arm?
In den vergangenen Jahren hat Nepal Fortschritte bei der Armutsbekämpfung erzielt. Das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) berichtet, dass das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen seit Ende des Bürgerkriegs 2006 kontinuierlich gestiegen ist. Doch das schwere Erdbeben von 2015 mit seinen Nachbeben und die Corona-Pandemie haben die soziale Entwicklung in Nepal zurückgeworfen. Fast ein Drittel der Kinder unter fünf Jahren leidet aufgrund von Mangelernährung unter Entwicklungsverzögerungen. Die medizinische Versorgung sei ungenügend.
Wie sieht es mit der Bildung aus?
Nur etwa zwei Drittel der Erwachsenen können laut BMZ lesen und schreiben. Die Gleichberechtigung der Geschlechter sei zwar in zahlreichen Gesetzen festgelegt, doch patriarchale Strukturen und religiös begründete Denkweisen verhindern häufig ihre Umsetzung. So sind Frauen unterrepräsentiert und fast ausschließlich prekär beschäftigt. Entsprechend wichtig sind gute Schulmöglichkeiten, insbesondere auch für kleine Mädchen in abgelegenen Dörfern.
Was ist nun erreicht worden?
Künftig können Jungen und Mädchen in einer besonders armen und abgelegenen Region im Himalaya-Hochgebirge auch im Winter unterrichtet werden. Sie bekommen so eine Chance auf gute Schulbildung und damit ein besseres, friedlicheres Leben. Wie viele Kinder besuchen die beiden jetzt renovierten Schulen? In der einen Schule sind momentan zwölf und in der anderen 15 Kinder im Alter zwischen vier und sieben Jahren.
Welchen Part hat der nepalesische Lions Club übernommen?
Die nepalesischen Lions haben ihrerseits umgerechnet mehr als 6000 Euro zu dem Projekt beigetragen, überwiegend in Form von Spenden einzelner Club-Mitglieder. Hinzu kamen insgesamt 75 Arbeitstage Bauaufsicht vor Ort durch zwei Lions aus Kathmandu. Zusammen mit den 16 000 Euro aus Schneverdingen beträgt der finanzielle Gesamtumfang des Projekts umgerechnet rund 22 000 Euro.
Wo befinden sich die modernisierten Schulen?
Sie liegen im nepalesischen Distrikt Solukhumbu, wo auch mein Freund Phurba mit seiner Familie lebt. Das ist ein Siedlungsgebiet der Volksgruppe Sherpa, deren Name weltweit als Synonym für mutige und professionelle Bergführer gilt. Im Einzugsbereich der beiden renovierten Schulen befinden sich etwas mehr als 100 Haushalte. 60 Prozent dieser Menschen sind arm und weitere 60 Prozent gehören zu besonders benachteiligten Volksgruppen.
Das heißt die Schulen liegen im Hochgebirge?
Das Gebiet, in dem sich die beiden Schulen befinden, liegt rund 2800 Meter hoch und 290 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Kathmandu. Solukhumbu ist eine Hochgebirgsregion, zu der auch der höchste Berg der Welt, der Mount Everest mit über 8848 Metern Höhe gehört.
Und in Kathmandu könnten die Kinder dann später weitergehende Schulen und Universitäten besuchen?
Ja, genau. Voraussetzung ist jedoch eine gute Ausbildung auf unterer (Grund-)Schulebene. Und genau hierum ging es in dem Projekt. Auch besonders benachteiligte Kinder in einer abgelegenen Region sollen so eine Chance auf Bildung erhalten.
Was wurde denn konkret gemacht?
Sowohl die Gebäude als auch die Einrichtung waren in einem sehr schlechten Allgemeinzustand und stark renovierungsbedürftig. Es gab keine Elektrizität und auch keine Heizmöglichkeit. Deshalb konnte nur sechs Monate im Jahr Unterricht stattfinden. Schneefall und Kälte verhindern den Besuch in den Wintermonaten. Von staatlicher Seite war angesichts leerer Kassen auf lange Sicht keinerlei Geld zu erwarten.
Was war der erste Schritt?
Anfang Februar wurde die erste Tranche des Beitrags aus Schneverdingen in Höhe von 4000 Euro überwiesen. Daraufhin konnte die Modernisierung beginnen. Alle Tätigkeiten wurden durch lokale Handwerker erledigt. Damit erfolgte die Wertschöpfung vor Ort. Das Projekt war insofern auch eine Hilfe zur wirtschaftlichen Selbsthilfe, was die Bindung der Menschen an die beiden Schulen zusätzlich stärkte.
Wie lange haben die Arbeiten gedauert?
Bereits nach gut drei Monaten, am 13. Mai, konnte Sunil Aryal, der Präsident des Lions-Clubs Kathmandu Namo Buddha, nach Schneverdingen melden, dass das Projekt vor Ort erfolgreich abgeschlossen sei.
Ist die Kalkulation denn aufgegangen?
Die tatsächlichen Ausgaben entsprachen auch den zuvor veranschlagten Kosten. Insofern war das Projekt auch in finanzieller Hinsicht ohne Komplikationen. Die eigentlichen Bauarbeiten konnten auch dank der günstigen Wetterlage sehr zügig erfolgen. Nun kann der Unterricht ganzjährig stattfinden. Pro Schule sind zwei Lehrer vom Staat angestellt.
Wie wird das Projekt von den Menschen angenommen?
Sie sind dankbar für entsprechende Unterstützung, denn es ist in Nepal bekannt, dass der Zugang zu Bildung ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung ist. Die Menschen dort sind sehr lernbereit, insbesondere mit Blick auf die eigenen Kinder. Auch die örtlichen Arbeiter waren motiviert und packten kräftig mit an. Für sie war es nicht nur ein Projekt, bei dem sie etwas Geld für ihre Familien verdienen konnten, sondern auch eine Investition in die Zukunft ihrer Kinder und ihrer dörflichen Gemeinschaften. Insofern passte alles gut zusammen.
Ist sichergestellt, dass das Projekt nachhaltig ist?
Die modernisierten Schulen werden von der lokalen Gemeinschaft, staatlichen Stellen und dem Lions-Club Kathmandu Namo Buddha weiterhin betreut. Unser Schulprojekt reiht sich ein in die internationale Entwicklungshilfe der Lions und könnte als Modell für die Modernisierung weiterer Schulen in abgelegenen Regionen Nepals dienen.