Politiker im Netz: Nicht alle haben’s drauf
„Das Internet ist für uns alle Neuland“, erklärte Angela Merkel 2013 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Barack Obama. In der Hitliste missglückter Politikersprüche nimmt der Satz bis heute einen Spitzenplatz ein. Das Image der ewigen Faxgerätenutzer und Festnetztelefonierer klebt seitdem an der Ex-Bundeskanzlerin und ihrer Partei. Zehn Jahre ist das nun her. Mit „Neuland“ kann sich heute auch in der CDU niemand mehr herausreden. Das Internet ist inzwischen älter als Philipp Amthor. Aber wie souverän – oder unbeholfen – nutzen es die überregionalen politischen Mandatsträger aus dem Heidekreis?
Der Profi: MdB Lars Klingbeil (SPD)
Als Merkel 2013 das Neuland Internet für sich entdeckte, war Klingbeil schon vier Jahre netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er blieb dies bis 2017. In seinen späteren Führungsämtern als Generalsekretär und Parteivorsitzender kam ihm diese Netzaffinität sicherlich zugute. Klingbeil fremdelt nicht mit digitaler Kommunikation, seine Posts wirken meist ungezwungen, als habe er wirklich Spaß daran. Das Social-Media-Team des Munsteraners jedenfalls dürfte wahre Freude an ihrem Schützling haben, der sich auf der Jugendplattform Tik-Tok, die viele Spitzenpolitiker lieber meiden, auch schonmal beim Trainieren im Fitnessstudio oder an der E-Gitarre präsentiert. Die Zahl seiner Follower ist aber noch ausbaubar: Klingbeil liegt, über alle Kanäle hinweg betrachtet, klar hinter den Parteichefs von CDU, AfD und FDP. Follower auf
X (Twitter): 149 963
Instagram: 66,5 Tsd
Tik-Tok: 5195
Facebook: 21 422
Latest Post (Tik-Tok, 6. November): „Ich halte meine Versprechen“ (Bayern-Fan Klingbeil hat der TV-Moderatorin Ina Müller Kontakt zu Uli Hoeneß vermittelt).
Der Grünenfresser: MdL Alfred Dannenberg (AfD)
Die 2013 gegründete AfD ist die jüngste der im Bundestag vertretenen Parteien und somit die einzige, bei der die neuen Medien bei der Verbreitung politischer Botschaften schon immer relevant gewesen sind. Im Internet und auf den Plattformen ist die AfD ein Riese, keine andere Partei ist dort erfolgreicher als sie. Dannenberg zog erst vergangenes Jahr als Listenkandidat in den Landtag ein und vertritt als Agrarpolitiker einen Bereich, der auf dem comedy- und musikorientierten Jugendkanal Tik-Tok nicht gerade ein Selbstläufer ist. Dennoch hat es der Landwirt und Lehrer ausgerechnet hier zu einer beachtlichen Followerzahl gebracht. „Hier ist wieder eurer Alfred, die Stimme aus der Wirklichkeit“, spricht Dannenberg das junge Zielpublikum betont kumpelhaft an und arbeitet sich in zahlreichen Posts vor allem an den Grünen ab. Mit der Angelroute über der Schulter erklärt er dann, dass „Jäger und Angler keine Mörder“ sind, oder macht sich darüber lustig, dass die „Altparteien hier im Heidekreis“ mehr Angst vor der AfD hätten, „als vor dem Wolf“. Follower auf
X (Twitter): 334
Instagram: 1618
Tik-Tok: rd. 32 800
Facebook: 2067
Latest Post (Tik-Tok, 28. Oktober): „Argumente statt Vandalismus“ (Kommentar zu zerschlagenen Fensterscheiben am Walsroder AfD-Wahlkreisbüro)
Der Grundsätzliche: MdL Sebastian Zinke (SPD)
Zinke bespielt die sozialen Medien sehr sparsam – die hitzige Debattenplattform X und das trendig-junge Tik-Tok meidet er komplett. Auf Instagram und Facebook teilt der direkt gewählte Landtagsabgeordnete aus Walsrode vor allem Fotos von offiziellen Terminen und Veranstaltungen. Zu provokanteren Kommentaren lässt er sich nur sporadisch hinreißen, etwa wenn er der angekündigten neuen Wagenknecht-Partei im vergangenen Monat vorhersagt, sie werde „ein nationalistisches-sozialistisches (NS) Programm bekommen“. In Filmsequenzen meldet er sich gerne direkt aus dem Niedersächsischen Landtag. Persönliches bleibt außen vor, allerdings zeigt der Sozialdemokrat Haltung, sobald es um Grundsätzliches geht. Zuletzt drückte er in diesem Sinne seine Solidarität mit dem Staat Israel und seine Abscheu gegen jeglichen Antisemitismus aus. Gegen die AfD bezieht er deutlich Stellung, verurteilt in einem Post aber ebenso klar die Zerstörung des Walsroder Wahlkreisbüros der rechten Partei. Es gehöre zur Demokratie, „Meinungen und Sichtweisen zu tolerieren, die einem zutiefst widerstreben“. Follower auf
X (Twitter): –
Instagram: 2403
Tik-Tok: –
Facebook: 2218
Latest Post (Instagram und Facebook, 28. Oktober): „Gewerkschaften und die SPD haben eine gemeinsame Geschichte“ (Bericht vom Treffen mit lokalen DGB-Vertretern im Roten Bahnhof in Soltau).
Der Verweigerer: MdL Karl-L. von Danwitz (CDU)
Von Danwitz ist ein Social-Media-Muffel, auf seinen Profilen bei Facebook und Instagram ist wenig los, die Zahl der Follower gering. Der direkt gewählte Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Soltau hat angekündigt, dass es seine letzte Legislaturperiode sein wird. Der Herausforderung, sich auf vor allem bei jüngeren Menschen angesagte Social-Media-Kanäle wirklich einzulassen, wird sich wohl erst ein jüngerer Nachfolger stellen. Der Landwirt und CDU-Politiker, Jahrgang 1958, nutzt die beiden von ihm bespielten Kanäle vor allem dazu, seine Wahlkreisarbeit transparent zu machen – man sieht ihn bei der Eröffnung einer Ausbildungsmesse, beim Besuch des THW Soltau, des Erntedankfests in Stübecks- horn oder der Handwerksinnung. Einzelne Posts stammen auch aus dem Landtag, zudem unterstützt von Danwitz ausgewählte außerparlamentarische Proteste. Vorrangig geht es dabei um die lokalen Bürgerinitiativen gegen eine ICE-Trasse. Solidarisch erklärt er sich in der Vergangenheit aber auch mit Protesten des deutschen Bäckerhandwerks gegen steigende Energiekosten und von Frauen gegen das iranische Mullah-Regime. Follower auf
X (Twitter): –
Instagram: 508
Tik-Tok: –
Facebook: 308
Latest Post (Instagram, 30. September): „Sagen, was Sache ist!“ (Einladung zum Gespräch am CDU-Infostand auf dem Wochenmarkt)